Essen und Trinken

Autor: Jana Lenke

Alternativen zum Zucker - aber welche?

Zucker schmeckt gut, ist aber ungesund. Gibt es empfehlenswerte Alternativen? Wir haben uns für Sie umgehört.

© istockfoto.com / BrianAJackson

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Zucker verheißt Energie und Wachstum. Süß verriet unseren Vorfahren außerdem: Hierin steckt keine Gefahr – eine überlebenswichtige Information. Heute vertilgen wir Unmengen Zucker, der unsere Gesundheit angreift – wenn auch schleichend. „Er schädigt die Organe und verantwortet Übergewicht, Diabetes, Blutfettstörungen, Bluthochdruck sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit“, sagt Ernährungswissenschaftlerin Dr. Anne Christin Meyer-Gerspach von der St. Clara Forschung AG in Basel. Nicht nur für Übergewichtige lohnt es sich, den Zuckerkonsum im Auge zu behalten. „Auch schlanke Menschen können durch zu viel Zucker eine Fettleber entwickeln, die lange unbemerkt bleibt“, erklärt Meyer-Gerspach. Die gute Nachricht: Die Leber kann sich erholen, wenn man sich besser ernährt.
Wie viel Zucker ist „zu viel“? Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt Erwachsenen, maximal 25 Gramm Zucker täglich zu sich zu nehmen. Wir verspeisen durchschnittlich rund 100 Gramm am Tag. Das liegt auch an Zuckerzusätzen in Lebensmitteln und Getränken. In der Zutatenliste verbirgt sich Zucker hinter Bezeichnungen wie Glukose-Fruktose-Sirup, Gerstenmalz, Dextrose, Maltose und vielen weiteren. Viele Produkte sind auch mit alternativen Süßungsmitteln versetzt. Doch sind die automatisch gesünder?

Von Ahornsirup bis Vollrohrzucker

„Rohr-“, „Vollrohr-“ oder „Kokosblütenzucker“ mag gesünder klingen. Doch was sie vom normalen Haushaltszucker (der aus Fruktose und Glukose besteht) unterscheidet, ist hauptsächlich ihr karamellartiger Geschmack. Auch Ahornsirup sowie Agavendicksaft unterscheiden sich von Zucker nur durch ihr eigenes Aroma. Reissirup versüßt jenen das Leben, die keine Fruktose vertragen, da er den Fruchtzucker nicht enthält. Unterm Strich aber „sind all diese Produkte Zucker aus anderen Quellen“, erklärt Prof. Jan Frank von der Ernährungsfachgesellschaft Society of Nutrition and Food Science an der Universität Hohenheim. Teilweise enthalten die Alternativen zwar etwas weniger Zucker oder mehr Vitalstoffe. Diese seien wegen der geringen Menge aber zu vernachlässigen. „Ernährungsphysiologisch sind die Produkte wie Haushaltszucker zu bewerten“, so Frank. Zucker bleibt also Zucker. Auch Honig gebührt kein Sonderstatus: Obgleich er natürlich ist, besteht er zu satten 75 Prozent aus Zucker. Wie aber sieht es mit Zuckerersatzstoffen, sogenannten Süßungsmitteln, aus?

Viele Ersatzstoffe schonen die Zähne

In der Europäischen Union sind derzeit 19 Süßungsmittel zugelassen. Dazu zählen Süßstoffe und Zuckeraustauschstoffe. Einen Vorteil haben die meisten von ihnen gemein: Sie verursachen keine Karies, weil sie von den Bakterien im Mund nicht oder nur schwach vergärt werden. Der Zuckeraustauschstoff Xylit soll sogar zur Kariesprophylaxe beitragen. Er kommt deshalb in Zahnpasta und -pflegekaugummis zum Einsatz.

Süßstoffe sind umstritten

Süßstoffe weisen eine teils bis zu 600-mal höhere Süßkraft als Haushaltszucker auf. Sie werden unter anderem Joghurts, Aufstrichen sowie Getränken zugefügt und tragen Namen wie Cyclamat, Saccharin, Aspartam, Acesulfam oder Stevioglykosid. Separat erhalten Sie die Substanzen als flüssige Tafelsüße oder in Tablettenform. Beim Backen können Süßstoffe Zucker nicht komplett ersetzen, da sie über ein geringeres Volumen verfügen. Aber Süßstoffe enthalten keine Kalorien. Das macht sie besonders für jene attraktiv, die Gewicht verlieren möchten. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung sieht in Süßstoffen zwar ein sinnvolles Hilfsmittel, die Energieaufnahme zu reduzieren – neue wissenschaftliche Erkenntnisse geben ihnen jedoch einen bitteren Beigeschmack.

Nicht zum Abnehmen geeignet

Zuckerreduzierte Produkte enthalten oft Süßstoffe und Zucker. „Untersuchungen zeigen, dass der Blutzuckerspiegel durch solche Kombinationen stärker ansteigt als durch puren Zucker“, sagt Meyer-Gerspach. Und ein hoher Blutzuckerspiegel verhindert nicht nur die Fettverbrennung, sondern löst anschließend auch Heißhunger aus. Zum Abnehmen seien Süßstoffe darum ungeeignet. Außerdem haben sie keinen Effekt auf die Sättigungshormone. „Unser Gehirn bekommt kein Signal, dass wir satt sind“, erklärt Meyer-Gerspach.
Auch Sasha Walleczek rät von Süßstoffen ab, wenn man Gewicht verlieren möchte. Die österreichische TV-Moderatorin und Ernährungstherapeutin hat sich auf die Beratung von Menschen spezialisiert, die bereits erfolglos viele Diäten ausprobiert haben. Sie sagt: „Mit Süßstoffen versuchen wir, den Körper auszutricksen. Er rechnet bei süßem Geschmack mit viel Energie, bekommt sie aber nicht.“ Auf diese Weise geraten unser Geschmacks- und Sättigungsempfinden durcheinander. Beim Abnehmen sei aber ein entspannter Zugang zum Essen wichtig, erklärt Walleczek. „Dafür müssen wir dem Hunger- und Sättigungssignal unseres Körpers vertrauen können.“

Stevia: mehr Kunst als Natur

Der Süßstoff Stevia wird gern als „natürlich“ vermarktet. Schließlich mutet die Herkunft der sogenannten Stevioglycoside auch so an: Sie stammen aus der alten brasilianischen Stevia-Pflanze. „Bis deren grüne Blätter aber in unserem Kaffee landen, werden sie sehr vielen chemischen Verarbeitungsschritten unterzogen“, erklärt Harald Seitz vom Bundeszentrum für Ernährung (BzfE). „Von einem natürlichen Stoff kann da nicht mehr die Rede sein.“ Lassen Sie sich von der Angabe „mit Stevia gesüßt“ nicht täuschen: Dennoch kann Zucker mit im Spiel sein, da der Süßstoff Produkten nur in begrenztem Maß hinzugefügt werden darf. Solch eine Beschränkung wurde auf Empfehlung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit für alle Süßstoffe festgelegt. In Bio-Produkten sind sie sogar gänzlich verboten.

Nicht toxisch, aber unerforscht

Mit Ausnahme von Sucralose, das nicht über 120 Grad erhitzt werden soll, haben Süßstoffe laut Bundesinstitut für Risikobewertung in der Regel keine Nebenwirkungen für gesunde Menschen. Die Langzeiteffekte dieser Stoffe sind laut Meyer-Gerspach jedoch unzureichend erforscht: „Sie wirken nicht toxisch, aber es ist unklar, wie sie unseren Stoffwechsel beeinflussen.“ Bisherige Studien deuten auf negative Veränderungen der Darmflora und des Blutzuckerspiegels hin. „Süßstoffe sind momentan noch eine Blackbox für uns“, so die Wissenschaftlerin.

Zuckeraustauschstoffe sind vielseitig einsetzbar

Als weniger bedenklich gelten derzeit einige Zuckeraustauschstoffe. „Jede Substanz wirkt anders. Nicht alles, was süß schmeckt, ist automatisch ungesund“, erklärt Meyer-Gerspach. Dazu zählen Xylit und Erythrit. Sie enthalten weniger Kalorien als Zucker und beeinflussen den Blutzuckerspiegel fast nicht. Was die Menge betrifft, so sollten Sie Zuckeraustauschstoffe allerdings zurückhaltend genießen. Da unser Dünndarm diese nur schwer aufnimmt, können sie in hohem Maße abführend wirken. Entsprechende Warnhinweise finden sich deshalb auf Verpackungen von Süßwaren oder Kaugummis, die mehr als 10 Prozent Zuckeraustauschstoffe enthalten. „Die individuelle Verträglichkeit sollte jeder selber testen“, rät Harald Seitz vom BzfE.

Xylit und Erythrit sättigen

Xylit, auch als Birkenzucker bekannt, stammt aus Holzfasern. Als Streuprodukt ist es unkompliziert: Geschmack, Süßkraft sowie Masse ähneln denen des Zuckers. Dieser lässt sich beim Backen und Kochen darum durch Xylit ersetzen. Xylit löst sich in kalten wie heißen Getränken. Es enthält etwa halb so viele Kalorien wie Zucker, ist mit rund zwölf Euro pro Kilogramm allerdings deutlich teurer.
Erythrit, meist aus Mais gewonnen, ist als einziger Zuckerersatzstoff auch in biologisch produzierten Lebensmitteln erlaubt. Er wird unter anderem zum Süßen von Limonaden eingesetzt, ist aber auch als Streusüße erhältlich – für etwa zehn Euro pro Kilo. Es enthält so gut wie keine Kalorien. Seine Süßkraft ist rund 40 Prozent geringer als die des üblichen Zuckers. Für einen ähnlichen Geschmack benötigt man also mehr Erythrit.
Anders als bei den Süßstoffen gibt es für Xylit und Erythrit keine gesetzlich festgelegten Höchstmengen. „Sie sind gut verträglich“, erklärt Meyer-Gerspach. Beide Stoffe erhöhen nicht die Blutfettwerte und lösen in moderaten Mengen wie einem Joghurt keine Magen-Darm-Beschwerden aus. Ein weiterer Vorteil: „Unsere Studie zeigte, dass sie die Magenentleerung verlangsamen und dadurch tatsächlich sättigen.“

Am besten: Zucker reduzieren statt ersetzen

Experten raten trotzdem davon ab, Xylit und Erythrit statt Zucker zu verwenden. „Ein 1:1-Ersatz sollte nicht das Ziel sein“, so Meyer-Gerspach. „Auch zu diesen Stoffen fehlen Langzeitstudien.“ Außerdem nimmt man mit Ersatzstoffen unterm Strich schnell mehr Energie auf als mit Zucker. „Viele glauben, sie könnten Speisen mit Ersatzstoffen in größeren Mengen verzehren“, erklärt Jan Frank von der Universität Hohenheim. „Möchte man den Zuckerkonsum einschränken, sind Ersatzstoffe nur die zweitbeste Lösung“, betont er. Besser sei es, „seine Wahrnehmung für Süßes zu sensibilisieren.“ Was Zuckerersatzstoffe nämlich nicht ablösen: unsere Lust auf Süßes. Im Gegenteil. „Je öfter man süß isst, desto mehr wächst das Verlangen danach“, sagt Diät-Expertin Walleczek. „Darum sollten Ersatzstoffe, genau wie Zucker, eine Ausnahme darstellen.“

Schärfen Sie Ihr Bewusstsein auch für den Zuckergehalt von Getränken. Mit einem halben Liter Apfelsaftschorle gönnt man sich zum Beispiel bereits um die 30 Gramm Zucker. Wenn Sie täglich nicht mehr als insgesamt 25 Gramm Zucker genießen, müssen Sie diesen nicht durch hochpreisige Stoffe ersetzen, deren langfristige Wirkungen unklar sind.

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