Als Samanthas Nieren plötzlich versagten
Samantha*, eine 24-jährige Kellnerin hat Schmerzen im unteren Rücken und leidet an Erschöpfung.

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Samantha verbrachte als Kellnerin die meiste Zeit auf den Beinen und war fast nie krank. Im Oktober 2017 fühlte sie sich jedoch plötzlich schlecht und war so erschöpft, dass sie sich während der Arbeit am liebsten zurückgezogen hätte. Sie dachte, sie hätte sich erkältet. Immer wieder spürte Samantha einen stechenden Schmerz im rechten unteren Rücken, und ihr Urin sah auf einmal seltsam trüb aus. Sie vermutete eine Harnwegsinfektion oder einen Nierenstein. Als sich ihr Zustand nach zwei Wochen nicht gebessert hatte, suchte sie ihren Hausarzt auf.
Ein Test zeigte, dass keine Harnwegsinfektion vorlag, weshalb der Arzt eine Blutuntersuchung und ein Nieren-CT veranlasste. Am nächsten Tag teilte er ihr mit, dass sie zwar keine Nierensteine hatte, der Kreatinin-Wert im Blut (ein Stoffwechselprodukt) aber erhöht war. Zudem wurden Blut und Eiweiß im Urin nachgewiesen. Zur weiteren Abklärung überwies er sie deshalb an die Notaufnahme der Mayo-Klinik in Rochester, Minnesota, USA. Dort untersuchte der Nephrologe Dr. Andrew Rule ihr Blut und stellte fest, dass Samanthas Nierenfunktion rapide abnahm. Dr. Rule vermutete eine Entzündung der Glomeruli – der kleinen Blutgefäße in den Nieren, die die Abbauprodukte herausfiltern – und ordnete weitere Tests an. Um die Entzündung unter Kontrolle zu bringen, verordnete er Samantha ein hoch dosiertes Steroid.
„Die Zeit ist der entscheidende Faktor“, erklärte der Arzt. „Haben die Nieren erst einmal aufgehört zu arbeiten, nehmen sie ihre Funktion nicht wieder auf.“
Der Nephrologe fand heraus, dass die Antikörper in Samanthas Blut, die von ihrem eigenen Immunsystem produziert wurden, die Glomeruli angriffen. Wenn es so weit kommt, reißen diese empfindlichen Blutgefäße in den Nieren und fangen an zu bluten. Erfolgen Diagnose und Behandlung nicht frühzeitig, hören die Nieren auf zu arbeiten, und der Patient ist in Lebensgefahr. Die seltene Erkrankung, bekannt als Anti-GBM-Krankheit oder Goodpasture-Syndrom, tritt vorwiegend bei Menschen zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr oder jenseits des 60. Lebensjahres auf. Warum gerade diese Altersgruppen betroffen sind, ist bisher nicht bekannt – wie viele andere Aspekte der Krankheit. „Wir wissen nicht, warum der Körper die Antikörper produziert“, sagt Dr. Rule.
Die Therapie
Die Behandlung der Anti-GBM-Krankheit, die sofort nach der Diagnose beginnen muss, bestand aus Steroiden, Chemotherapie und manchmal Rituximab, ein monoklonarer Antikörper-Arzneistoff. Zudem wurde täglich das Plasma mit den schädlichen Antikörpern aus dem Blut der Patientin herausgefiltert und Spenderplasma wieder in die Blutbahn zurückgeführt. Da Samanthas geschwächte Nieren nicht richtig arbeiteten und sich der Kreatininwert nach siebentägiger Behandlung noch nicht normalisiert hatte, musste sie zusätzlich dreimal pro Woche zur Dialyse.
Glückliche Fügung
18 Tage später hatte sich die Zahl der Antikörper schließlich so weit verringert, dass sie nach Hause konnte. Zur Dialyse musste sie aber weiterhin kommen, und die Ärzte klärten sie darüber auf, dass sie eine Spenderniere benötigen würde. Ein paar Tage vor Weihnachten erhielt sie eine wunderbare Nachricht: Der Angriff der Antikörper hatte sich beruhigt, und die Nieren funktionierten wieder. „Das hatte keiner erwartet“, berichtet Dr. Rule und erklärt, dass zwar viele Glomeruli irreparabel geschädigt waren, andere dafür aber begonnen hatten, doppelt so viel zu leisten. Samantha benötigte also keine Dialyse mehr und auch keine Transplantation. Heute arbeitet Samantha wieder. Sie achtet genau darauf, wie viel Salz und Kalium sie zu sich nimmt. „Etwa 40 Menschen haben mir netterweise eine ihrer Nieren angeboten“, sagt sie. „Aber ich wollte meine eigenen behalten.“