Falsche Diagnose: Karim litt neun Jahre an Tuberkulose
Mit Anfang 20 begann Karims (Name von der Redaktion geändert) Leidensgeschichte. Er litt unter Durchfall – er musste mehr als zehnmal am Tag zur Toilette, zwischendurch krampfte sich sein Magen zusammen.

©
Damals lebte Karim (Name von der Redaktion geändert) noch in seiner afrikanischen Heimat, wo ein Arzt Morbus Crohn, eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung, diagnostizierte. Acht Jahre lang nahm Karim Medikamente, doch die Symptome kamen und gingen. Der junge Mann nahm ab und war manchmal kaum in der Lage zu arbeiten. Als Karim Anfang 2017 nach New York zog, suchte er einen Arzt auf, um eine Zweitmeinung einzuholen. Dieser verschrieb ihm unter anderem Humira, ein Präparat, das die körpereigene Entzündungsreaktion hemmt.
Anfangs schien die Behandlung zu helfen. Karim fühlte sich besser und nahm sogar ein wenig zu. Doch wenige Wochen später wurde er ins Mount Sinai Hospital eingeliefert. Seit drei Tagen hatte er sehr starke Schmerzen, zudem litt er unter Fieber und Verstopfung. Eine Blutuntersuchung zeigte vermehrt Lymphozyten und weiße Blutkörperchen.
Ein gefährlicher Darmverschluss
Als Dr. Alexander Greenstein, Spezialist für entzündliche Darmerkrankungen, Karim zum ersten Mal untersuchte, erkannte er alle Symptome eines Darmverschlusses – eine häufige Komplikation infolge von Entzündungen und Vernarbungen, wie sie für die Erkrankung typisch sind. Eine Computertomografie-Aufnahme (CT) zeigte eine Verdickung des Dünndarms, sowie viel Flüssigkeit, die dort nicht hingehörte – ein Anzeichen für eine Darmperforation. Auf dem CT war diese jedoch nicht erkennbar.
Die Ärzte befürchteten, dass die Flüssigkeit in Karims Bauch Darmbakterien enthielt, was zu Organversagen führen kann. „Mein Instinkt sagte mir, dass wir schnell operieren mussten“, erinnert sich der Magen-Darm-Spezialist. Kurz nach OP-Beginn fand Dr. Greenstein einen Darmverschluss vor. „Aber da waren auch unzählige, wie Perlen schimmernde Knötchen, die nicht zu Morbus Crohn passten.“ Da die Ärzte einen metastasierten Krebs vermuteten, wurden sofort Gewebeproben ins Labor geschickt. Glücklicherweise konnte Krebs ausgeschlossen werden, es blieben aber andere mögliche Erklärungen für die Knötchen. Eine davon war Sarkoidose, eine Immunreaktion, die zu winzigen Granulomen, einer Geschwulstart, führen kann. Eine andere Erklärung war Tuberkulose (TB). Die ansteckende bakterielle Infektion bewirkt in der Regel Knötchen in der Lunge, in einem Viertel aller Fälle in anderen Bereichen.
Also doch: Tuberkulose
Da das Medikament Humira eine Infektion wieder aufflammen lassen kann, hatte man Karim auf Tuberkulose getestet, bevor er es einnahm. Dieser Test zeigt aber manchmal falsche negative Ergebnisse. Weniger als 10.000 Menschen in den USA erhalten jährlich die Diagnose TB, in ein bis drei Fällen ist der Magen-Darm-Trakt betroffen. In 16 Jahren Ausbildung und Praxis hatte Dr. Greenstein noch keinen Fall wie Karims gesehen.
Obwohl es eine Woche dauern würde, bis die Laborergebnisse vorlagen, behandelte Dr. Greenstein Karim sofort mit drei Medikamenten gegen Tuberkulose. „Karim war verunsichert“, erinnert sich Dr. Greenstein, doch er überzeugte ihn davon, dass die Diagnose eine gute Nachricht sei, „da TB eher heilbar ist.“ Nach einigen Tagen fühlte sich Karim bereits besser, sein Fieber sank. Das Laborergebnis war positiv. Zwölf Tage später durfte Karim nach Hause. Es dauerte eine Weile, bis er genesen war und seine Kräfte zurückerlangt hatte. Heute gilt er als geheilt.