Gesundheit

Autor: Reader's Digest Book

Hilfe für das schwache Herz

Still, langsam und scheinbar unaufhaltsam schreitet sie fort: die Herzinsuffizienz, auch als Herzschwäche bekannt...

© iStockphoto.com / ipopba

©

©© iStockphoto.com / ipopba

Die Schwäche des Herzens, auch Herzinsuffizienz genannt, ist Todesursache Nummer 1 in unseren modernen Gesellschaften. Ärzte und Wissenschaftler wollen mit neuen Erkenntnissen, Therapiekonzepten und frühen Diagnosemitteln die Krankheit verhindern, rechtzeitig erkennen oder irgendwann zum Stillstand bringen können.
Herzinsuffizienz wird als Systemerkrankung verstanden, die das gesamte Organsystem umfasst: Pumpt das Herz zu wenig Blut durch den Körper und das Gewebe erhält zu wenig Sauerstoff, setzt das Gehirn Mechanismen in Gang, um das Defizit auszugleichen und die Leistung des Herzmuskels zu steigern. Ist dies bei einer Herzschwäche jedoch nicht mehr möglich, feuern die Nervenfasern dauerhaft Impulse und setzen das Herz und den gesamten Organismus unter hormonellen Dauerstress: Blutgefäße, Niere, Knochenmark, das Skelettsystem, die Bauchspeicheldrüse und schließlich das Gehirn selbst werden geschädigt. Es kommt zu den „typischen“ Begleiterkrankungen wie chronischem Nierenversagen, Arteriosklerose, Zuckerkrankheit, Blutarmut, Schlaf-Apnoe-Syndrom oder Depression.

Ursachen der Herzinsuffizienz

Abgesehen von dem sehr geringen Prozentsatz genetisch bedingter Herzerkrankungen, gibt es in der Regel keine Herzinsuffizienz ohne Vorschädigung des Herzmuskels. Die häufigsten Ursachen sind Bluthochdruck und/oder ein Herzinfarkt. Wenn die Herzgefäße und Arterien im Laufe des Lebens zunehmend Ablagerungen aufweisen, ihre Durchfluss-Kapazitäten verringern und versteifen, wird einerseits das Herz nicht nur vermindert durchblutet, sondern muss zusätzlich gegen erhöhten Widerstand anpumpen. Diese Mehrleistung versucht das Herz erst durch ein Muskelwachstum mit Einlagerungen von Bindegewebszellen zu kompensieren. Diese sind jedoch für die Herzarbeit nutzlos und nehmen dem Herzen darüber hinaus Elastizität. Irgendwann kippt der Prozess um. Bei der systolischen Herzinsuffizienz erschlafft der Herzmuskel wie ein Gummiband, das permanent einer zu großen Spannung ausgesetzt war. Bei der diastolischen Herzinsuffizienz versteift („fibrosiert“) der Herzmuskel: Er wird so unelastisch, dass er in der Erholungsphase nicht mehr genügend Blut in die Kammern aufnehmen kann.

Vorbeugung und Früherkennung

Der konsequenten Therapie und Vermeidung von Bluthochdruck und der Herzinfarkt-Risikofaktoren, kommt deshalb derzeit noch die größte Bedeutung zu. Laut aktueller Analyse des American College of Cardiology in Chicago wird das in 70 – 80 % der Fälle allein dadurch erreicht, dass im Alter von 44 bis 55 Jahren Blutdruck, Gewicht und Zuckerstoffwechsel im Normbereich liegen. Treten die ersten Symptome wie schnellere Ermüdbarkeit, Wasser-Einlagerungen in den Beinen, Kurzatmigkeit bei Belastung oder nächtlicher Harndrang auf, ist schnelles Handeln erforderlich. Bei Verdacht auf Herzinsuffizienz ist neben körperlicher Untersuchung und EKG auch eine Bestimmung des Herz-Stresshormons „Natriuretisches Peptid“ angezeigt. Falls dann noch Unklarheit herrscht, sollte im nächsten Schritt eine Ultraschall-Untersuchung des Herzens beim Kardiologen folgen.

Neue Hoffnungsträger

Im Januar 2016 wurde in 57 Ländern nach rund 25 Jahren eine neue Substanzgruppe auf den Markt gebracht. Durch „ARNI“ werden das körpereigene schädliche Hormon Angiotensin und der Abbau anderer gutartiger Hormone durch das Enzym Neprilysin gehemmt, was den Blutdruck senkt und die erwünschte Nierenausscheidung steigert. Die Mischung aus altbewährter und neuer Wirkstoffklasse führte in einer vergleichenden Studie bei vielen Betroffenen nicht nur zu einer besseren Lebensqualität und Abnahme der Symptome, sondern es gingen auch Klinikeinweisungen zurück und die Überlebenszeit erhöhte sich.

Hemmung der Umbauprozesse

Anlass zu größerer Hoffnung, auch die Umbauprozesse der schwer behandelbaren diastolischen Herzinsuffizienz oder nach einem Herzinfarkt in den Griff zu bekommen, sehen Forscher der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) in der Entdeckung, dass sich „lange nichtkodierende RNA (lncRNA)“ in den kranken Herzzellen häufen. Diese Umbauvorgänge lassen sich stoppen oder sogar zurückbilden, wenn man die lncRNA hemmt. Obwohl man aus Tierversuchen weiß, dass sich das Herz bei entsprechender Hilfestellung begrenzt selbst regenerieren kann, gibt es noch keinen entscheidenden Durchbruch für den Menschen. Die großen Erwartungen, die man in die Stammzell-Therapie setzte, haben sich bisher nicht erfüllt: Zerstörtes Gewebe ließ sich bisher nicht mit frischem Material ersetzen. Dennoch wird der Behandlungsansatz eines zellbasierten Wiederaufbaus von Herzmuskelgewebe immer wieder durch neue Erkenntnisse befeuert: Im Februar 2017 stellten Forscher der Universität Göttingen ihr Herzpflaster zum „Wiederaufbau von verloren gegangenem Herzmuskelgewebe“ aus Stammzellen vor. Klinische Studien werden vorbereitet.

Regenerative Medizin

Die Forschung will molekulare Veränderungen in den Herzmuskelzellen verhindern. Außerdem will man bei bereits eingetretenem Schaden gezielt die Selbstheilungskräfte des Herzens mobilisieren und die funktionelle Regeneration des Herzmuskels stimulieren. Wenn bei einer Herzinsuffizienz bestimmte Gene ausfallen, die für die Bildung wichtiger Proteine und Enzyme zur Genesung erforderlich sind, könnte man diese durch Gentransfer ersetzen – so die grundlegende Überlegung. Dabei sollen DANN- oder RNA-Sequenzen mittels Viren direkt in die kranke Herzmuskelzelle eingebracht, die Schlüsseldefekte ersetzt und in Folge der Stoffwechsel normalisiert werden. Mehrere kleine klinische Studien in aller Welt, die diesen Ansatz in den letzten Jahren verfolgten, konnten zwar die Bildung ausgefallener Enzyme wieder anregen, aber keine Verbesserung in der Pumpfunktion erzielen.

Technische Herzunterstützung

Technisch weiterentwickelt haben sich auch die Geräte für Patienten, die das Frühstadium der Erkrankung hinter sich gelassen haben und denen Medikamente allein nicht mehr helfen. Neben der Vergrößerung des Herzens kommt es bei jedem dritten Betroffenen zu Reizleitungsstörungen im Herzen: Die beiden Herzhälften schlagen nicht mehr gleichzeitig und die nimmt Pumpkraft weiter ab. Dies kann man heute durch eine kardiale Resynchronisations-Therapie (CRT) ausgleichen: Ein Herzschrittmacher stimuliert über mehrere Elektroden die einzelnen Herzbereiche selektiv, sodass sich beide Herzkammern wieder synchron zusammenziehen. Neueste Geräte verfügen zusätzlich noch über einen Defibrillator, der lebensbedrohliche Rhythmusstörungen erkennen und mittels therapeutische Stromstöße behebt. Ist die Herzleistung hochgradig eingeschränkt, kann ein Kunstherz implantiert werden. Ursprünglich nur zur Überbrückung für Patienten entwickelt, die auf ein Spenderherz warten, haben sich die Herzunterstützungs-Geräte so weiterentwickelt, dass sie auch zur Dauertherapie eingesetzt werden.
Auf ein Kunstherz, das vollständig implantierbar ist und das alte Herz entbehrlich macht, wird man noch einige Zeit warten müssen. Ein französisches Team um den Arzt Alain Carpentier hatte bereits 2008 einen Prototypen vorgestellt. Nur 900 g schwer und mit Sensoren ausgestattet soll es in der Lage sein, auf körperliche Belastung mit entsprechender Pumpsteigerung zu reagieren. Inzwischen arbeiten mehrere an der Weiterentwicklung dieses ehrgeizigen Projekts, das jedoch noch nicht serienreif ist.

Der Mensch im Mittelpunkt

Eine technische Errungenschaft hat sich mittlerweile eindeutig bewährt: Telemonitoring und eine engmaschige telefonische Betreuung der Betroffenen. Wie unter Federführung der Universität Würzburg und des Deutschen Zentrums für Herzinsuffizienz (DZHI) bei über 1000 Patienten ermittelt wurde, konnte die Sterblichkeit allein durch telefonische Nachbetreuung, Überwachung, Schulung sowie persönlichen Kontakt in sechs Monaten um 43 % gesenkt werden, im Vergleich zu Personen, die eine konventionelle Behandlung erhielten. Die Studienresultate zählen „zu den Schlüsselergebnissen“ des Kompetenznetzes Herzinsuffizienz: „Die körperliche Fitness verbesserte sich, die Lebensqualität und Leistungsfähigkeit der Patienten stieg. Besonders stark profitierten Patienten mit einer fortgeschrittenen Herzschwäche sowie mit einer begleitenden Depression von dem Programm.“ Die Möglichkeit zu unverzüglichem therapeutischen Handeln stellt wohl die eine Seite des Erfolgs. Die andere mag die sein, dass der Mensch dank all dem medizinischen Fortschritt um die Herzinsuffizienz sich in seinen natürlichen Ängsten und Verunsicherungen nicht mehr so ganz alleingelassen fühlt.

Was bedeutet das für Sie?

  • Studien belegen: Wer im Alter zwischen 45 und 55 Jahren Blutdruck, Gewicht und Zuckerstoffwechsel in normalen Bereichen hält, hat später eine hohe Chance, die Risikofaktoren für eine Herzschwäche, nämlich Bluthochdruck und Herzinfarkt, zu vermeiden.
  • Bei den ersten leichten Symptomen wie schnellere Ermüdbarkeit, Wassereinlagerungen in den Beinen, Kurzatmigkeit bei Belastung oder nächtlichem Harndrang ist rasches Handeln erforderlich und man sollte sofort seinen Arzt aufsuchen.
  • Rechtzeitige Behandlung erhöht die Chancen, die Lebensqualität zu erhalten und einen lebensbedrohlichen Verlauf zu verhindern.
  • Die regelmäßige ärztliche Überwachung ist wichtiger Baustein der Therapie und das sogenannte Telemonitoring gehört ebenfalls dazu.

Lesen Sie mehr dazu und zu ähnlichen Themen im Reader's Digest-Buch Das Neueste aus der Medizin 2018/2019.