Rabiate Methoden und Heilkräuter: Zahnbehandlung im Mittelalter
Seit Urzeiten hat der Mensch mit zahnschädigenden Bakterien zu kämpfen. Oft half es nur, den Zahn zu ziehen. Die Tipps der Äbtissin und Heilerin Hildegard von Bingen (1098 – 1179) zur Zahnreinigung und gegen Zahnschmerzen zeigen, wie Zahnleiden im Mittelalter behandelt wurden. Wir stellen sie anläßlich des Tags der Zahngesundheit am 25. September vor.

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Zucker und Honig standen im Mittelalter nur Wenigen zur Verfügung. Trotzdem waren die Zähne damals oft in schlechtem Zustand: Gesteinsrückstände vom Mühlstein im Mehl scheuerte beim Kauen den Zahnschmelz ab. Und ist der Zahnschmelz erst beschädigt, haben Karies-Bakterien leichtes Spiel. Auch Paradontitis war damals schon ein Problem. Sie führte meist zu Zahnverlust.
Die Leute waren damals nicht zimperlich: Was weh tut , muss weg. Die Zähne wurden gezogen. Auf Volksfesten gab es oft Stände der sogenannten „Zahnbrecher“. Dort konnte man sich entzündete Zähne kurzerhand ziehen lassen. So mancher ältere Mensch hatte damals kaum noch Zähne im Mund. Zahnersatz war praktisch unbekannt.
Zahnschmerzen – verursacht vom „Zahnwurm“?
Über die Ursachen von Zahnschmerzen gab es im Mittelalter noch keine zutreffenden Vorstellungen. Vielfach glaubte man, ein Zahnwurm nage am Zahn und verursache die Pein. Die wahre Ursache, Bakterien, war unbekannt.
Doch man wusste offenbar schon, dass Plaque auf den Zähnen schädlich ist. Plaque wimmelt von zahnschädigenden Bakterien. Besonders gefährlich sind die daraus entstehenden festen Krausten auf der Zahnoberfläche: Zahnstein. Ein idealer Schlupfwinkel für Keime, der so hart wird, dass er vom Zahnarzt beseitigt werden muss.
Hildegard riet daher, der Mensch solle jeden Morgen den Mund gründlich mit Wasser spülen, „und mit diesem Wasser, das er im Mund hat, soll er die Zähne waschen und das oft tun.“
Zahnpflege mit dem Holzstäbchen
Regelmäßige und richtige Zahnpflege, das wussten bereits die alten Ägypter, kann das Gebiss lange gesund erhalten. Meist benutzte man dafür aufgefaserte Holzstäbchen, teils mit Asche, Ingwer oder anderen Heilkräutern bestreut. Heute nutzen wir dafür Zahnbürste, Zahnseide und eine fluorhaltige Zahnpasta. Doch prophylaktische Zahnpflege war im Mittelalter nicht unbedingt üblich. Die Menschen hatten andere Probleme. Und behandelt wurde meist erst, nachdem der Zahn bereits schmerzte.
Hildegards Zahnpflege-Rezepte: Wein und Asche, Fischknochen und Salz
Hildegard empfahl gegen faule Zähne „warme Rebenasche in Wein , wie wenn er eine Lauge machen wolle, und dann wasche er mit jenem Wein die Zähne und das Fleisch, das um die Zähne ist.“ Aus heutiger Sicht klingt das nicht schlecht: Der Alkohol im Wein desinfiziert, die Asche scheuert Plaque ab und versorgt zudem die Zähne mit Mineralstoffen, die bei der Härtung von Zahnschmelz helfen.
In einer anderen Rezeptur von ihr schlägt sie gepulverte Fischknochen und Salz zum Einreiben der Zähne vor. Dies dürfte ähnlich gewirkt haben.
Rauch gegen den Zahnwurm
Gegen den Zahnwurm empfiehlt Hildegard von Bingen den Rauch von Heilkräutern: „Wenn aber ein Wurm die Zähne des Menschen annagt, soll der Betroffene Aloe und Myrrhe zu gleichen Teilen nehmen und diese in einem Tongefäß (...) über glühende Kohlen aus Buchenholz setzen und anzünden. Und den Rauch soll er durch ein enges Schilfrohr zum Zahn leiten.“ Das solle man mehrfach pro Tag tun, den Rauch aber selbst nicht einatmen.
Hildegard hält noch einen Rat bereit: „Wer (...) Zahnschmerzen hat, soll Wermut und Eisenkraut zu gleichen Gewichtsteilen nehmen und sie in einem neuen Topf in klarem und gutem Wein kochen. Den so gekochten Wein seihe er durch ein Tuch, gebe ein bisschen Zucker dazu und trinke diesen Wein.“ Das mag zu Hildegards Zeiten eine Hilfe gewesen sein. Vor der Verwendung von Wermutkraut sollte jedoch unbedingt ein Apotheker befragt werden, da es in überhöhter Dosierung schädlich ist.
Behandlung von Zahnfleisch-Entzündungen im Mittelalter
Hildegard empfiehlt, entzündetes Zahnfleisch mit einem kleinen Messer einzuschneiden, „damit dort der Eiter austreten kann“. Heute haben Zahnärzte natürlich weitaus bessere und weniger schmerzende Behandlungs-Methoden.
Die Ursache, meist Bakterien, kannte Hildegard nicht. Aber sie gibt ein sinnvolles Rezept: „Er nehme die sprießenden Blätter einer Eiche und gebe etwas mehr Kerbel bei, und dies zerreibe er mäßig und füge Wein hinzu und lege es in seinen Mund und er behalte es eine Zeitlang in seinem Mund und es vertreibt die unrechten Säfte im Zahnfleisch.“ Alle drei Bestandteile enthalten antibakterielle Inhaltsstoffe, so dass die Mischung durchaus gewirkt haben kann.
Hildegard von Bingen (1098 – 1179)
war Heilerin, Künstlerin und Prophetin. Die Benediktiner-Nonne und Äbtissin der Abtei St. Hildegard in Rüdesheim am Rhein war zudem Dichterin, Komponistin und eine bedeutende Universalgelehrte des Mittelalters. In der römisch-katholischen Kirche wird sie als Heilige und Kirchenlehrerin verehrt. Ein Großteil ihrer Heilmethoden, Rezepte und Ratschläge hat noch heute Gültigkeit.