Sensible Lippen
Sie kann ein Blickfang sein, die weiche, äußerst bewegliche Öffnung in der unteren Gesichtshälfte. Sie erfüllt eine Reihe sehr nüchterner Aufgaben – aber auch viele angenehme und gefühlvolle.

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Rein wissenschaftlich gesehen, sind die Lippen paarig angelegte, flexible, hautüberzogene Gewebswülste am Mundrand. Diese Kombination aus Ober- und Unterlippe ist bei aller Zartheit äußerst strapazierfähig. Und strapazierfähig müssen die Lippen sein, denn als Pforte zum Verdauungstrakt werden sie mehrmals täglich gebraucht, um Nahrungsmittel zu erfassen und weiter zu transportieren. Um den Mund beim Kauen so abzuriegeln, dass kein Essen verlorengeht, ziehen sich Schließmuskeln durch die Lippen. Sie sind Ausläufer der sogenannten mimischen Muskulatur. Über diese können die Lippen stark daran mitwirken, den Gesichtsausdruck zu formen. Es genügt schon, sie in den Mundwinkeln ganz leicht nach oben oder unten zu verziehen, um den Anwesenden eine deutliche Botschaft zu vermitteln.
Aber auch für das Sprechen ist die Lippenmuskulatur unverzichtbar. Neben Zunge, Zähnen und Rachen hilft sie, die Töne, die die Luft beim Durchströmen der Stimmritze im Kehlkopf erzeugt, zu verständlichen Wörtern zu formen. Für das B beispielsweise, das M oder das Q sind die Lippen unentbehrlich. Gleichzeitig verläuft über die Lippen die Grenze zwischen Mundschleimhaut und Gesichtshaut. In diesem Bereich ist die Deckschicht der Haut so dünn, dass das darunterliegende Gewebe mit seinen reichen Blutgefäßen leuchtend durchschimmert. Auf diese Weise entsteht das intensive, signalsetzende Lippenrot. Individuelle Farbnuancen kommen zustande durch Unterschiede in der Dicke dieser Deckschicht sowie in der Dichte und Durchblutung der Gefäße.
Sensible Lippen
In diesem Übergangsbereich enden außergewöhnlich viele feine Nervenfasern. Sie machen die Lippenhaut zu einem der sensibelsten Bereiche des menschlichen Körpers. Vor allem Temperaturantennen sind hier besonders reichlich verteilt; die Lippenhaut hat 20-mal mehr Hitze- und Kälterezeptoren als z. B. die Haut auf der Brust. Die Form der Lippen ist genetisch bedingt. Im Gegensatz zu den anderen Primaten sind beim Menschen die Lippen ständig nach außen vorgestülpt, so, als ob sie bereit zum Küssen wären. Diese erotische Wirkung kann durch entsprechende Formung der Lippen verstärkt werden.