Wunder des Lebens: Halb die Mutter, halb der Vater
Kinder sprechen in der Regel die gleiche Sprache wie ihre Eltern. Das ist Erziehungssache. Weniger beeinflussen lässt sich das Aussehen. Dies ist nun einmal genetisch festgelegt.

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Der ist dem Vater ja wie aus dem Gesicht geschnitten“ oder „sie sieht aus wie ihre Mutter“ – derartige Kommentare bekommen Kinder häufig zu hören. Diese Familienähnlichkeit ist kein Zufall; sie ist genetisch angelegt. Nach der Verschmelzung der Geschlechtszellen, also der Vereinigung von Ei- und Samenzelle, steht fest, welche Erbanlagen die beide Elternteile jeweils zur Hälfte beisteuern, dem Kind also mitgeben. Welche Eigenschaften – und dazu gehören auch äußerliche Merkmale wie Gesichtszüge oder Körperbau – sich beim Sprössling daraus ergeben, zeigt sich dann im Lauf seiner weiteren Entwicklung.
Chromosomen und DNA
Wie aber kommen die Erbinformationen zusammen? Zunächst einmal muss man wissen, dass alle Körperzellen in ihren Zellkernen das komplette genetische Programm für sämtliche Eigenschaften gespeichert haben. In diesen Zellen ist das Programm jedoch nicht aktiv. Nur winzige Bruchteile der Erbinformation, die die Körperzelle für ihre Aufgabe etwa als Muskel- oder Hautzelle benötigt, sind ausgeprägt – exprimiert, wie die Genetiker sagen. Nur bei den Geschlechtszellen ist der komplette genetische Apparat aktiv, der beim Menschen in 23 Chromosomenfäden organisiert ist. Im Unterschied zu allen anderen Zellen, die doppelt mit Chromosomen ausgestattet sind, verfügen die Geschlechtszellen jedoch nur über einen einfachen Chromosomensatz. Ei- und Samenzelle haben nämlich nur eine Aufgabe: bei der Befruchtung miteinander zu verschmelzen und ihr genetisches Material miteinander zu kombinieren.
Bei der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle entsteht die sogenannte Zygote, die befruchtete Eizelle. Sie verfügt nun über 46 neu kombinierte Chromosomen. Die Zygote beginnt sich zu teilen. Es entstehen immer mehr Zellen. Daraus entwickelt sich ein Wesen mit den Eigenschaften von Vater und Mutter. Dessen Erscheinungsbild, Phänotyp genannt, bestimmen etwa 1500 Merkmale. Wie aber werden nun diese Eigenschaften und Merkmale in der Erbmasse gespeichert?
Die Chromosomen – fadenartige, mikroskopisch kleine Gebilde, die den größten Teil des Zellkerns ausmachen – setzen sich aus Genen zusammen, Abschnitten des eigentlichen Trägers der Erbinformation, der Desoxyribonucleinsäure (DNA). In diesem spiraligen zweistrangigen Riesenmolekül sind sämtliche Erbinformationen verschlüsselt enthalten. Die in der DNA gespeicherte Information nennt man Erbbild oder Genotyp. Sie ist niedergelegt in einer Art Schrift, die im Prinzip aus nicht mehr als vier Buchstaben besteht: den Nucleinsäurebasen Adenin, Thymin, Cytosin und Guanin. Ihre Reihenfolge bestimmt die genetische Botschaft, die die gesamten Informationen über die Eigenschaften eines Körpers in der DNA festschreibt.
Es gibt bei einem doppelten Chromosomensatz für jede Eigenschaft mindestens zwei Gene, auch Allele genannt. Davon taucht jedoch nur eines als Körpermerkmal auf: Es ist dominant. Das zweite Merkmal, das auf dem anderen Chromosom gespeichert ist, kann ebenfalls vererbt werden. Es wird aber als Merkmal nur dann realisiert, wenn sein Partner bei der Fortpflanzung dieselbe Eigenschaft trägt wie es selbst. Man nennt es daher rezessiv oder verdeckt-erbig. Blondes Haar wird beispielsweise so vererbt. Stets dominant hingegen ist schwarzes Haar.
Eingeschränkte Partnerwahl
Bei der Auswahl der Eigenschaften, die vererbt werden, spielen nicht allein genetische Faktoren eine Rolle. Jede Partnerwahl ist durch Eltern und enge Verwandte unterbewusst vorgeprägt. Es werden Geschlechtspartner ausgesucht, die den Eltern in Aussehen und geistigen Eigenschaften ähneln. Auf diese Weise haben sich Großgruppen mit ähnlichen Eigenschaften und Körpermerkmalen herausgebildet, die man auch als Rassen bezeichnet. Auf Neuguinea z. B. sind zahlreiche isolierte Stammesgruppen mit sehr unterschiedlichem Aussehen und Hautfarben entstanden, je nach den stammestypischen Vorlieben bei der Partnerwahl. Ungewöhnliche Vererbungsverhältnisse findet man auf Kuba. Wegen der starken genetischen Mischung von hellen und dunklen Merkmalen kann es dort vorkommen, dass die Kinder derselben Eltern verschiedene Hautfarben von Weiß bis Dunkelbraun haben