Helden des Alltags

Autor: Annette Lübbers

Suizidversuch: Timo Hesse und Peter Sterman retten Frau (41) in Mühlheim aus der Ruhr

Eine Frau stürzt sich in Mühlheim von der Schlossbrücke in die Ruhr. Timo Hesse und Peter Stermann retten ihr das Leben.

© Frank van Groen

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©© Frank van Groen

Die Füße hochlegen und ein Glas Cola genießen: Mehr möchte Timo Hesse am Abend des 28. Januar eigentlich nicht mehr. Den ganzen Samstag hat er mit seiner Frau die neue Wohnung renoviert. Jetzt ist er mit ihr und dem sieben Monate alten Sohn auf dem Weg nach Hause in einem anderen Stadtteil von Mülheim an der Ruhr. Gegen 17.30 Uhr steuert der 32-Jährige den VW-Bus der Familie über die Schlossbrücke Richtung Innenstadt. Links liegt die hell erleuchtete Stadthalle.

Dort hat Peter Stermann alle Hände voll zu tun

In der Stadthalle und den Außenanlagen an der Ruhr feiern rund 500 Bürger ein „Wintergrillen“. Als technischer Leiter des Stadtmarketings ist der 48-Jährige für den reibungslosen Ablauf der Veranstaltung verantwortlich. Gerade steht er mit Kollegen an der Kaimauer. Da hört er ein Geräusch. Es klingt, als wäre etwas Schweres aus großer Höhe in der Ruhr aufgeschlagen. Stermann späht über das Wasser, doch da ist nichts.

Suizitversuch: Eine Frau ist in die Ruhr gesprungen

Oben auf der Brücke haben Timo Hesse und seine Frau gesehen, was das Geräusch verursacht hat: Eine Gestalt in Daunenjacke und Jeans hat sich über das etwa 1,10 Meter hohe Geländer auf der rechten Brückenseite geschwungen. Im nächsten Moment war sie verschwunden. Kein Stehenbleiben, kein Zögern, kein Besinnen. „Das glaub ich jetzt nicht!“, sagt Hesse.

© Frank van Groen

Zum Glück kannte Retter Timo Hesse den kürzesten Weg hinab zur Ruhr.

Sofort fährt Timo rechts ran, schaltet die Warnblinkanlage an

Er schaltet den Motor aus, springt aus dem Auto. Seine Frau hat bereits den Notruf auf ihrem Handy gewählt. Sie ist noch kurz vor ihrem Mann am Geländer. Zehn, zwölf Meter unter ihr rudert die Gestalt im Wasser mit den Armen. Die Strömung treibt sie unter die Brücke. Timo Hesse blickt kurz nach rechts und links, dann sprintet er über die Fahrbahn. Als er sich auf der anderen Seite über das Geländer beugt, taucht die Gestalt gerade aus dem Schatten der Brücke auf.

Reglos treibt die Person unter der Brücke hervor

Nun treibt sie bewegungslos, das Gesicht im Wasser, 15 bis 20 Meter vom Ufer entfernt! Timo Hesse weiß: Auf dieser Seite der Brücke führt eine Treppe hinunter zur Kaimauer. Er stürmt los. Peter Stermann springt von der Kaimauer auf die Uferböschung. Jetzt sieht auch er: Da treibt ein Mensch im Wasser!

Bevor er reagieren kann, erblickt er eine Person, die auf den treibenden Körper zuschwimmt

Dahinter schwimmt ein weiterer Retter. Timo Hesse, ausgebildeter DLRG-Rettungsschwimmer, hat sich in die eiskalte Ruhr gestürzt, gefolgt von einem jungen Mann, der an diesem Abend in der Stadthalle aushilft. Stermann wird klar, dass er in dieser Situation vom Ufer aus mehr ausrichten kann. Er nimmt sein Handy, wählt den Notruf und meldet: „Eine verunfallte Person im Wasser und zwei Helfer.“

Die beiden Retter sind jetzt bei der treibenden Gestalt

Eine Frau, etwa 1,70 Meter groß und 90 Kilo schwer. Hesse schiebt eine Hand unter ihren Rücken, mit der anderen stützt er den Kopf. Der junge Mann hilft ihm, die Verunglückte über Wasser zu halten. Sie schwimmen los. Etwa drei Meter vor der Böschung bekommen die Männer Grund unter die Füße.

Die Frau scheint bleischwer, kein Puls

Ihre Jeans und ihre Daunenjacke haben sich voll Wasser gesogen. Stermann ruft noch einer Kollegin zu „Geh schon mal Decken holen“, dann steigt auch er ins Wasser. Gemeinsam gelingt es den drei Männern, die Frau auf die Uferböschung zu zerren. Kein Puls. Stermann beginnt sofort mit der Atemspende. Die erste Notärztin trifft ein. Hesses Frau hat den Einsatzleiter der Feuerwehr von der Brücke die Treppe hinuntergelotst. Stermann kennt den Mann, ruft ihm zu: „Wir kriegen die Frau nicht zu euch hoch. Alarmier ein Feuerwehrboot.“

Die Notärztin versorgt die Verunglückte

Stermann und seine Kollegen haben derweil Mühe, die Gäste des Wintergrillens von der Kaimauer fernzuhalten. Wenige Minuten später schießt ein Boot der Feuerwehr heran, nimmt die Frau an Bord und bringt sie ans andere Ufer, wo die Sanitäter eines Rettungswagens sie übernehmen.

Die Frau trägt keine bleibenden Verletzungen davon

Später erfahren Hesse und Stermann, dass die 41-Jährige den Suizidversuch ohne Folgeschäden überlebt hat.
Ein anderer Rettungswagen bringt auch Timo Hesse ins Krankenhaus – zur Sicherheit. „So richtig realisiert habe ich erst in der Nacht, wie knapp das war. Immerhin hatte die Ruhr an dem Abend nur drei Grad Wassertemperatur“, sagt er.
Peter Stermann hat erst mal keine Zeit zum Nachdenken. Er fährt kurz nach Hause, duscht heiß und kehrt zurück zur Stadthalle – weiterarbeiten.

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