6 Wahrheiten über Antibiotika, die jeder kennen sollte
Antibiotika sind unverzichtbar im Kampf gegen Infektionen – vorausgesetzt, sie werden korrekt angewendet...

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Seit Wochen quält Sie der Husten, und nun hat der Arzt Ihnen ein Antibiotikum verordnet. Doch Sie haben Bedenken: Müssen Sie das Medikament wirklich einnehmen? Kann es Ihnen womöglich mehr schaden als nutzen? Unter Umständen wirkt es gar nicht? Mit diesen Überlegungen sind Sie nicht allein.
Über Antibiotika sind viele Behauptungen im Umlauf – doch welche sind wahr?
Die Mittel würden allzu häufig eingesetzt oder seien schlecht verträglich, lauten nur zwei davon. In der Folge nimmt mancher Patient das vom Arzt verordnete Präparat nicht richtig oder gar nicht ein – und gefährdet so den Behandlungserfolg. Einige der kursierenden Behauptungen sind schlicht falsch. An anderen ist hingegen ein Körnchen Wahrheit. Damit Sie als mündiger Patient die richtigen Entscheidungen treffen können, haben wir Experten zu den gängigsten Antibiotika-Mythen befragt.
1. Antibiotika helfen gegen Erkältungen
Falsch. Halsweh, Schnupfen, Husten und Bronchitis werden meist durch Viren ausgelöst. Antibiotika wirken jedoch nur gegen Bakterien. Eigentlich sollte sich dies inzwischen herumgesprochen haben. Trotzdem kommt immer noch jeder vierte Beschäftigte, der wegen einer Erkältung krankgeschrieben wird, mit einem Rezept für Antibiotika aus der Arztpraxis. „Erkältungskrankheiten sind der Bereich, in dem Ärzte am häufigsten unnötige Antibiotika verschreiben. Auch viele Patienten glauben immer noch, dass sie mit diesen Medikamenten schneller gesund werden“, erklärt Dr. Roger Vogelmann, Leiter der Antibiotic-Stewardship-Kommission der Universitätsmedizin Mannheim. Die Kommission setzt sich für einen verantwortungsbewussten Umgang mit Antibiotika ein. „Eine Behandlung mit diesen Mitteln ist aber nur in seltenen Fällen, beispielsweise bei Komplikationen wie bakterieller Nasennebenhöhlen- oder Lungenentzündung, sinnvoll und notwendig.“
So verhalten Sie sich richtig: Akzeptieren Sie, dass eine Virusinfektion Zeit braucht, und ruhen Sie sich aus. Bei Fieber können Sie unterstützend Paracetamol oder Ibuprofen einnehmen. Bei Symptomen wie Schnupfen, Halsschmerzen oder Frösteln helfen Inhalationen, Lutschtabletten oder Wärmebehandlungen. Gehen Sie zu einem Arzt, wenn Sie sich nach drei Tagen trotz dieser Maßnahmen nicht besser fühlen. Beim Besuch in der Praxis sollten Sie Ihren Arzt aber nicht drängen, Ihnen ein Antibiotikum zu verordnen. Wenn er ein solches Medikament vorschlägt, fragen Sie nach: Was deutet auf eine bakterielle Infektion hin?
2. Antibiotika schwächen das Immunsystem
Falsch. Bei chronischen Krankheiten, Stress, in höherem Alter oder bei einer schweren Infektion schafft es unser Immunsystem nicht immer, alle Krankheitserreger allein zu beseitigen. In dieser Situation geben Antibiotika den körpereigenen Abwehrkräften Schützenhilfe. „Diese Mittel greifen die Bakterien an, töten sie, unterstützen somit das Immunsystem und helfen so, die Infektion zu bekämpfen“, erläutert Dr. Vogelmann. Dabei gilt der Grundsatz: Antibiotika nur in Absprache mit Ihrem Arzt einnehmen, er entscheidet auch über die Dauer der Einnahme.
So verhalten Sie sich richtig: Stärken Sie Ihr Immunsystem durch eine gesunde Ernährung mit viel Obst und Gemüse, regelmäßige Bewegung an der frischen Luft oder Saunagänge. Bedenken Sie: Auch ständiger Stress kann die Körperabwehr schwächen und Infekte begünstigen. Sorgen Sie daher für ausreichend Entspannung und Ruhepausen.
4. Antibiotika vertragen sich nicht mit Milch
Teilweise richtig. Manche Tetrazykline, die etwa gegen Akne zum Einsatz kommen, oder bestimmte Fluorchinolone, die etwa bei Harnwegsinfektionen verordnet werden, verlieren durch das in Milch enthaltene Kalzium an Wirksamkeit. Ähnliches gilt für die Kombination dieser Medikamente mit Magnesium. „Werden solche Antibiotika gleichzeitig mit den Mineralstoffen eingenommen, bilden sich unlösliche Komplexe, sodass das Medikament vom Körper nur vermindert aufgenommen werden kann“, erklärt Dr. Ursula Sellerberg von der Bundesapothekerkammer. Wie bei allen Arzneimitteln gilt es auch bei Antibiotika, die möglichen Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten im Auge zu behalten: Einige wenige Präparate, wie Rifampicin und Rifabutin, wirken auf die Leberenzyme, die dafür verantwortlich sind, dass Arzneimittel langsamer oder schneller abgebaut werden. Dadurch kann beispielsweise die Sicherheit der Antibabypille beeinträchtigt werden. Erythromycin kann die Wirkung von cholesterinsenkenden Statinen verstärken und Nebenwirkungen wie Muskelschmerzen begünstigen.
So verhalten Sie sich richtig: Lesen Sie die Packungsbeilage sorgfältig. Verzichten Sie bei den einschlägigen Antibiotika zwei Stunden vor und nach der Einnahme auf den Verzehr von Milch und Milchprodukten wie Joghurt, Quark oder Käse beziehungsweise kalziumreiches Mineralwasser sowie Nahrungsergänzungsmittel mit Kalzium oder Magnesium. Auf der sicheren Seite sind Sie, wenn Sie Ihr Medikament mit einem Glas Leitungswasser schlucken. Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker nach möglichen Wechselwirkungen zwischen Antibiotikum und anderen Arzneimitteln, die Sie einnehmen. Frauen, die mit der Pille verhüten, sollten während der Antibiotikumtherapie für zusätzliche Verhütung sorgen – insbesondere, wenn Durchfälle aufgetreten sind.
4. Antibiotika verlieren an Wirkung
Richtig. Experten warnen bereits, dass schon in naher Zukunft heute in aller Regel gut zu beherrschende Infektionen wie Mandelentzündungen zur tödlichen Bedrohung werden könnten. So wie im Zeitalter vor der Entdeckung der Antibiotika, als jeder kleine chirurgische Eingriff mit hohen Risiken verbunden war. Grund für den bedrohlichen Wirkungsverlust der Mittel ist ihr übermäßiger Einsatz, sowohl in der Human- als auch in der Tiermedizin. Denn er gibt Bakterienstämmen die Gelegenheit zu lernen, die Mittel abzuwehren, sodass diese ihre Wirkung einbüßen. Ärzte bezeichnen dies als Resistenz. Besonders betroffen sind Breitbandantibiotika, die gegen mehrere Erreger wirken. Der Arzt verordnet sie, wenn nicht klar ist, welche Keime die Infektion auslösen. Dazu kommt, dass multiresistente Bakterien rasch um die ganze Welt reisen. „Unbemerkt bringen Urlauber solche Keime auf der Haut oder im Darm mit nach Hause. Das betrifft insbesondere Reisen in Mittelmeergebiete sowie nach Indien“, erklärt Dr. Vogelmann.
So verhalten Sie sich richtig: Breitbandantibiotika sind oft nur bei schweren Erkrankungen, wie Nierenbecken-, starken Harnwegs-, Darm- oder Lungenentzündungen, notwendig. Bitten Sie Ihren Arzt, auf diese Medikamente möglichst zu verzichten. Im Zweifelsfall kann ein Keimabstrich helfen, das richtige, spezifische Medikament zu finden. Entsorgen Sie Antibiotika nicht über Toilette oder Waschbecken, sondern über den Hausmüll. So vermeiden Sie, dass die Medikamente ins Grund- oder Trinkwasser gelangen. Manche Apotheken nehmen sie auch zurück. Im Idealfall verschreibt Ihnen der Arzt nur die Menge, die Sie einnehmen sollen. Achten Sie zum Schutz vor Infektionen bei Reisen sowie bei Besuchen oder einem Aufenthalt im Krankenhaus auf Hygiene: Waschen Sie sich am besten regelmäßig und gründlich die Hände.
5. Antibiotika haben Nebenwirkungen
Teilweise richtig. „Antibiotika töten nicht nur Erreger ab, die Infektionen auslösen, sondern vernichten auch die nützlichen Bakterien der Darmflora“, erklärt Dr. Vogelmann. „Dadurch kommt es nach der Einnahme der Mittel oft zu Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit oder Durchfällen.“ Da die Medikamente auch die Hautflora in Mitleidenschaft ziehen, treten während einer Behandlung vermehrt Pilzinfektionen auf, zum Beispiel im Genitalbereich. Nicht zuletzt kann eine Antibiotikumtherapie auch zu einer Entzündung des Dickdarms führen. Die gute Nachricht: Solche Komplikationen sind selten. In der Regel regeneriert sich beispielsweise die Darmflora nach Absetzen des Präparats meist innerhalb einer Woche.
So verhalten Sie sich richtig: Vertragen Sie Antibiotika schlecht, kann die Einnahme von Kapseln oder Pulver mit probiotischen Bakterienkulturen aus der Apotheke Linderung bringen. Studien zeigen, dass diese Mittel in vielen Fällen Durchfällen vorbeugen. Auch nach der Therapie kann die Einnahme eines solchen Präparats helfen, die Darmflora wieder aufzubauen. Verzichten Sie während der Behandlung möglichst auf Zucker und Weißmehlprodukte. Beides liefert Pilzen Nahrung.
6. Antibiotika muss man eine Woche einnehmen
Falsch. Vielmehr hängt die Dauer der Therapie von der Art der Beschwerden, deren Stärke und dem verordneten Präparat ab. „Es gibt Antibiotika gegen Blasenentzündungen, die man nur ein einziges Mal schlucken muss“, erklärt Dr. Sellerberg von der Bundesapothekerkammer. Andere dagegen müssen mehrere Tage oder teilweise auch wochenlang eingenommen werden. Wichtig zu wissen: Unter Antibiotika geht es dem Patienten meist rasch besser. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Krankheitserreger bereits besiegt sind! Umgekehrt sollte eine Antibiotikumtherapie auch nicht zu lange dauern, da jeder Tag mehr eine Resistenzentwicklung fördert. „Daher sollte immer der Arzt entscheiden, wie lange Antibiotika eingesetzt werden“, legt die Expertin jedem Patienten ans Herz.
So verhalten Sie sich richtig: Nehmen Sie Antibiotika immer wie verordnet ein. Setzen Sie die Medikamente auf keinen Fall eigenmächtig ab – etwa weil Sie sich schon besser fühlen. Haben Sie tatsächlich den Eindruck, wieder gesund zu sein, obwohl Sie die Medikamente noch weiter nehmen sollen, halten Sie Rücksprache mit Ihrem Arzt, ob die Therapie verkürzt werden kann. Heben Sie überzählige Mittel nicht auf, um sie bei der nächsten Infektion auf eigene Faust zu schlucken. Geben Sie Antibiotika auch nicht an andere Familienmitglieder für eine Behandlung weiter.