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Autor: Marcel Anders

Phil Collins: "Ich höre keine Musik"

Popstar Phil Collins über Tränen – und was man von jemandem lernen kann, den man nicht mag

© Neale Haynes

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Der 64-jährige ist einer der erfolgreichsten Popmusiker aller Zeiten – als Solokünstler, aber auch als Schlagzeuger und Sänger der berühmten Rockband Genesis. Alles in allem hat Phil Collins 250 Millionen Tonträger verkauft. Jetzt werden seine acht Soloalben und einige andere Aufnahmen aus seinem Archiv neu abgemischt und veröffentlicht. Darunter Face Value (1981), sein Debütalbum als Solokünstler. Darauf sind Titel wie In The Air Tonight zu hören, welche die Krise widerspiegeln, die der Sänger damals durchlebte: die Scheidung von seiner ersten Frau Andrea und die Verbitterung über das Ende seiner Ehe.

Reader's Digest: Welche Gefühle weckt es in Ihnen, diese Titel zu hören, die, milde ausgedrückt, aus einer sehr turbulenten Zeit in Ihrem Leben stammen?

Phil Collins: Ich habe mir diese Sachen des Öfteren angehört, seit sie geschrieben wurden. Doch dabei gab es für mich nie den Moment, in dem ich gesagt hätte: "Oh Gott, das ist großartig!" oder "Das ist mein Leben, das sich vor mir abspielt ..."

Sind Sie der lebende Beweis dafür, dass Leiden die Grundlage für gute Kunst ist?

(lacht) Ja, es wurden einige Tränen vergossen.

Wie steht es um den Schlagzeuger in Ihnen? Greifen Sie noch gelegentlich zu den Stöcken?

Nein, ich habe mit einem nervlichen Problem in meinem linken Arm zu kämpfen. Es fing etwa 2007 an, zur Zeit der Genesis-Reunion. Ich weiß immer noch nicht, woran es liegt, aber ich kann den Trommelstock nicht mehr richtig halten.

Es ist nervlich bedingt?

Ja. Meine ärzte haben eine Magnetresonanztomografie empfohlen, die gezeigt hat, dass einige Wirbel aneinander reiben. Das wurde behoben, aber meinem Arm hat es nicht geholfen. Nach zwei weiteren OPs ist es etwas besser geworden. Vor ein paar Wochen habe ich mich in Miami auch einer Elektromyografie (EMG) unterzogen, bei der die elektrische Aktivität der Muskeln gemessen wird.

Sie versuchen, das Problem loszuwerden?

Ja. Eine Zeitlang hat es mich nicht wirklich gestört. Ich habe mein Leben lang Schlagzeug gespielt, und wenn man alt wird, gehen Dinge kaputt. Doch jetzt befinde ich mich in einer Situation, wo ich mit meinen Kindern leben werde. Ich bin in Miami, wo sie wohnen. Sie fänden es toll, wenn ich wieder auf Tour gehen würde. Und ich lasse mich von ihrem Enthusiasmus anstecken.

Wie kürzlich, als Sie mit deren Schulband aufgetreten sind?

Genau. Vor etwa zwei Jahren hat mein 14-jähriger Sohn Nicholas in der Schule Schlagzeug gespielt. Sein Musiklehrer sagte: "Es wäre doch toll, wenn dein Vater vorbeikäme und mit dir singen würde." Also wurde ich gefragt, und ich kam und habe mit ihm gesungen. Das war cool. Wir haben In The Air Tonight vorgeführt, und er hat meinen Schlagzeugteil gespielt.

Was hören Sie zurzeit?

Ich höre keine Musik.

Nicht einmal klassische?

Nein. Es ist nicht so, dass ich es vermeide, ich tue es einfach nicht. Es war mir immer unangenehm, wenn mich Leute gefragt haben: "Welche Musik hören Sie?" Ich habe nach einer Antwort gesucht – konnte aber keine finden. Dann habe ich ein Interview mit Roger Waters (von Pink Floyd) gelesen, den ich eigentlich nicht mag (lacht). Als ihm die gleiche Frage gestellt wurde, antwortete er: "Ich kümmere mich nicht um andere. Mir ist nur wichtig, was ich mache. Ich höre das, was ich mache, ich versuche, es besser zu machen." Und ich dachte: "Genauso geht es mir."