Reise

Autor: Andreas Steidel

Der Kehlstein, ein Berg mit Vergangenheit

Der Kehlstein ist lohnendes Ausflugsziel und zeitgeschichtliches Mahnmal zugleich.

© istockfoto.com / Bogdan Okhremchuk

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Tiefblau glänzt der Königssee. Schneeweiß leuchten die Gipfel des Watzmann-Massivs. Darunter liegt das Berchtesgadener Land, und in der Ferne kann man bis Salzburg sehen. Der Blick vom Gipfel des 1852 Meter hohen Kehlstein könnte prächtiger nicht sein. Unterhalb der Spitze thront das Kehlsteinhaus. Ein Berggasthaus, das mit Marmor, edlem Zirbelholz und einem mit spiegelndem Messing ausgekleideten Aufzug ausgestattet wurde. Die Nationalsozialisten errichteten es 1938, zusammen mit einer 6,5 Kilometer langen Bergstraße. Einst fuhren darauf Staatsgäste nach oben, heute sind vor allem Touristen auf der steilsten Omnibusstrecke Deutschlands unterwegs.

Sie beginnt auf dem Obersalzberg-Plateau, das zu Berchtesgaden gehört. Der Obersalzberg bildet den Sockel, auf dem sich der Kehlstein erhebt. Bis 1945 war der Obersalzberg Führersperrgebiet: Adolf Hitler hatte dort den Berghof, ein Ferienhaus, erworben. Er baute es zu einer Alpenresidenz aus, ließ die Bauernhöfe der Umgebung aufkaufen oder zwangsräumen und das Areal Obersalzberg abriegeln. Schon in den 1930er-Jahren wurde es zum Wallfahrtsgebiet für Hitler-Verehrer und zum Siedlungsort der Nazi-Prominenz: Reichsmarschall Hermann Göring wohnte hier, Architekt Albert Speer und Hitlers Vermögensverwalter Martin Bormann. Eben jener ließ das Kehlsteinhaus erbauen. Ein Geschenk zu Hitlers 50. Geburtstag 1939, mit einer der spektakulärsten Alpenstraßen seiner Zeit. Fünf Tunnel wurden gegraben und 770 Höhenmeter auf kürzester Distanz überwunden. Zum Kriegsende bombardierten die Alliierten den Obersalzberg. Während Hitlers Berghof und die meisten anderen (Wohn-)Gebäude in Schutt und Asche sanken, erhielt das Gipfelhaus keinen einzigen Treffer. Um ein Haar wäre es nach dem Krieg gesprengt worden, als lästiges Stück Nazi-Architektur, doch dann überließ man es dem Alpenverein zur friedlichen Nutzung. Später wurde es über eine wohltätige Stiftung an einen privaten Gastwirt verpachtet.

Weiter unten, auf dem Obersalzberg, dauerte es Jahrzehnte, bis eine vollständige zivile Nutzung stattfinden konnte: Bis 1995 war er in Teilen vom US-Militär in Beschlag genommen, seit 1999 steht dort ein Dokumentationszentrum zur NS-Geschichte. Neben der Kehlsteinstraße für Busse gibt es eine schmalere Teerstraße für Radfahrer und Wanderer. Zu Fuß erreicht man den Kehlstein darauf in zwei bis vier Stunden und kann den majestätischen Blick auf die Ostalpen und den über 2700 Meter hohen Watzmann genießen.