Reise

Autor: Dorothee Fauth

Gärten voller Blütenträume rund um den Bodensee

Die Bodenseeregion gilt als Wiege des europäischen Gartenbaus. Hier gibt es besonders schöne Gärten zu bestaunen.

© iStockfoto.com / Kerrick

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Die Akeleien tanzen einen Reigen um den alten Birnbaum. Ihre zauseligen Köpfe nicken zu einer leise summenden Melodie. Bienen und Hummeln hofieren und umschwärmen die rosetten- oder sternförmigen Blüten in Rosa, Weiß, Violett und Dunkelrot. Daneben kniet Gillian Epp. Sie teilt mit den Bienen die große Liebe zu dieser Blumenschöpfung, die sich ungefragt in ihrem Garten ausbreitet und ausbreiten darf, wo immer es ihr passt: an Mauern, neben den stolzen Schwertlilien, im Gemüsebeet.
Der Garten von Gillian Epp befindet sich in Allensbach am Bodensee. Man kann ihn nicht finden, es sei denn, man weiß, wo er ist. Vor einigen Jahren hat sich Gillian Epp der Initiative „Rendezvous am Untersee“ angeschlossen und ihren Garten für Besucher geöffnet. Uneinsehbar von der Straße breitet er sich hinter dem Haus aus, ein Paradiesgärtlein mit Rosenpergola und duftenden Rosmarinbüschen, Blumenbeeten, einer Teichlandschaft und knorrigen alten Obstbäumen. Mittendrin ein von Efeu überwuchertes Stück Konstanzer Münster. Die Fiale, ein aus Stein gehauenes schlankes Türmchen, war einst bei Renovierungsarbeiten ausrangiert worden.

Die Bodenseeregion gilt als Wiege des europäischen Gartenbaus. Wichtiger Impulsgeber war ein gewisser Walahfrid Strabo. Der Abt des Klosters Reichenau verfasste bereits 840 ein botanisches Werk über die Kulturen der Gärten, das unter dem Namen „Hortulus“ bekannt wurde. In den folgenden fast 1200 Jahren sind unzählige Gärten am Bodensee aufgeblüht. Etwa die Mainau mit ihrer Vielfalt an Blumenschauen, altem Baumbestand und mediterranem Flair; die streng durchkomponierte barocke Anlage von Schloss Meersburg samt großartigem Seeblick; die Gemüseinsel Reichenau, auf der nicht nur Salatköpfe und Tomaten in Reih und Glied stehen, sondern auch der Klostergarten von Walahfrid Strabo rekonstruiert wurde. Allein am Untersee kann man auf deutscher und Schweizer Seite rund 40 Gärten besuchen: öffentliche Anlagen, historische Gärten, Künstleroasen, Klostergärten und private Gärten wie der von Gillian Epp.

 

Jeder Garten eine kleine Schöpfungsgeschichte

Die gebürtige Londonerin folgte ihrem Mann hierher und kennt das wahre Geheimnis der üppigen Blumenpracht am Bodensee: „Wir sind hier einfach vom Klima begünstigt“, sagt sie. Im Winter mild durch den wärmespeichernden See, im Sommer mediterran bis feuchtschwül. Das kommt ihrem Gartenkonzept zugute. „Hier darf alles kontrolliert wild ineinander wachsen“, erklärt die Hobbygärtnerin. Das ließ sich ein Rosenbusch nicht zweimal sagen, der bis in die Krone des hochstämmigen Mirabellenbaums geklettert ist. „So blüht der Baum zweimal, im Frühling weiß und ab Frühsommer zartrosa, wenn die Rosen ihre Knospen öffnen, und dann reifen die Mirabellen. Ist das nicht wunderbar?“ Ja, und zu gern würde man hier Wurzeln schlagen, um dieses Gartenparadies nie wieder verlassen zu müssen. Das wäre allerdings ein Fehler.

Eine halbe Autostunde von Allensbach auf der Halbinsel Höri liegen, ausgeschildert und doch versteckt, Haus und Garten von Hermann Hesse. Hier, an einem der idyllischsten Zipfel des Bodensees, der vielen Künstlern zur Heimat geworden ist, wollte der Dichter und Maler mit seiner Frau Mia für die Ewigkeit bleiben und blieb doch nur fünf Jahre. In dieser Zeit, von 1907 bis 1912, baute er ein Haus im Schweizer Heimatstil mit mintgrünen Schindeln und rosa Anstrich und legte mit eigenen Händen einen traumhaft schönen Zier- und Nutzgarten an.

Einfach reinspazieren ist nicht

Denn Haus und Garten befinden sich im Privatbesitz von Bernd und Eva Eberwein, die das Kulturdenkmal vor dem Abriss gerettet haben. Die Rekonstruktion des Gartens war eine wissenschaftliche Arbeit, derer sich die Biologin Eva Eberwein anhand von Briefen, Fotos, Skizzen und Bodenanalysen annahm. Dabei kam heraus, dass Hesse den sandigen Untergrund der Wege mit Büchern befestigte, die er als Literaturkritiker massenweise zugeschickt bekam. So manches Werk von Jungautoren liegt hier begraben. „Setzen Sie sich auch mal hin, und genießen Sie den Garten“, sagt Bernd Eberwein und schaut seine Besucher eindringlich an.

Hesse-Bücher laden zur Lektüre ein

Am liebsten möchte man unaufhörlich hindurchschweben wie ein Schmetterling von Blüte zu Blüte, die je nach Jahreszeit den lila Kugeln des Schnittlauchs und blutrotem Mohn oder den leuchtenden Sonnenblumen-Spalieren und Dahlien gehören. Vier Stunden täglich – so viel Zeit stecken die Eberweins in die Pflege dieses überbordenden Gartens. Und wie bei Hesse, dem überzeugten Selbstversorger und ersten Öko-Schwaben, wandern die Gartenkräuter in den Salat. „In den Blumenrabatten verteilen wir voraussehend die Farben und Formen, häufen Blau und Weiß, schmettern ein lachendes Rot dazwischen“, schrieb der Dichter.

Am unteren Gartenende, dort, wo der See tiefblau mit weißen Segelboot-Tupfen heraufblinzelt, bringt Beate Jeske diese Farben mit dem Pinsel auf eine Leinwand. „Der Garten inspiriert mich“, sagt die Stuttgarterin, „und ich bin den Eberweins dankbar, dass ich hier malen darf.“ Dankbar ist auch eine Frau, die mit ihrem Sonnenhut und der Pluderhose aussieht, wie aus Hesses Zeit entsprungen. „Ein Engel hat mich hierhergeführt“, sagt sie leise. Nach der Scheidung habe sie alles verloren, auch ihren Garten. Nun saugt sie mit Augen und Seele diesen Kreislauf von Werden und Vergehen auf, lauscht der sommerlichen Stille und kommt zu einem Entschluss: „Man muss loslassen und neu anfangen können.“

Fast in jedem Bodensee-Ort sehenswerte Gärten

Auch diesen Ort muss man irgendwann loslassen – im Gepäck einen Ableger und Samen aus dem Garten des Poeten, die man bei Eva Eberwein erwerben kann. Loslassen und weiterziehen, denn auf der Höri und der gegenüberliegenden Schweizer Seite findet man in fast jedem Ort einen sehenswerten Garten: traditionelle Bauerngärten, Streuobstgärten, einen archäobotanischen Schaugarten, der 7000 Jahre Pflanzengeschichte dokumentiert, sowie atemberaubende Seeblick-Gärten. Der See funkelt einladend in der Sonne, und für ein erfrischendes Bad ist immer Zeit.

Dann führt die Reise durch Apfelbaumland

Ein Stopp an einem der vielen Hofläden. Dann geht es weiter ins schweizerische Warth zur Kartause Ittingen – im Mund den feinsäuerlich prickelnden Apfelgeschmack. Die ausgedehnte ehemalige Klosteranlage inmitten von Obstwiesen, Hopfengärten und Weinbergen ist nicht nur ein Ort der Kultur und der Spiritualität, sondern auch der sinnlichen Freude. Rund 1000 Rosenstöcke, darunter 250 historische Wildrosen, verbreiten den ganzen Sommer lang einen betörenden Duft, in den sich die ätherische Würze von Thymian mischt. Sie heißen Raubritter, Robin Hood und Rose von Bourbon, säumen Wege, ranken über Pergolen und Spaliere, an Hauswänden und inmitten von Kräuterbeeten. Man möchte seine Nase in jede einzelne dieser pinkfarbenen, roten und weißen Blüten stecken – wehmütig und glücklich zugleich.

Ach, könnte man diese Sommerfülle doch „aufbewahren und mit in den Winter, in die kommenden Tage und Jahre, in das Alter nehmen“. Diesem poetischen Seufzer von Hermann Hesse ist nichts hinzuzufügen.

Tourismus Untersee
Aderesse: Im Kohlgarten 2, 78343 Gaienhofen
Telefon: 0 77 35/91 90 55
Einige Gärten sind frei zugänglich, bei anderen muss man sich anmelden.