Raus aus der Stadt über den Isar-Radweg
Auf dem Isarradweg geht es von der bayerischen Landeshauptstadt aus ins traumhaft schöne Münchner Umland.

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Im Herzen von München an einem hochsommerlichen Morgen: Der Marienplatz scheint noch einmal tief durchzuatmen vor dem täglichen Ansturm. Oben auf ihrer Säule blinzelt die vergoldete Marienstatue. Es ist kurz nach zehn Uhr. Von hier geht es los zum Isarradweg auf der rechten Flussseite. Er bietet eine wunderbare Möglichkeit, das Münchner Umland zu erkunden. Die 70 Kilometer lange Etappe bis Bad Tölz führt durch Auwälder, über Dämme und entlang duftender Wiesen, vorbei an einer Floßrutsche und enorm vielen Biergärten. Seit einige Flusskilometer im Münchner Stadtgebiet renaturiert sind, darf die Isar hier wieder unordentlich sein und ausfransen, um Flussinseln schlingern und lautstark dabei gurgeln. Auf diesen ersten Kilometern, die man sich mit Joggern, Skatern und Hundebesitzern teilt, blitzen unentwegt weiße Kiesstrände durchs Gebüsch, einer verlockender als der andere. Der renaturierte Fluss ist ein wunderbares Geschenk an die Natur und an die Menschen dieser Stadt. „Ziehen Sie die Schuhe aus“, ermuntert ein älterer Herr mit Kinderwagen die etwas unentschlossene Radfahrerin. „Hier ist das Flussbett flach, später, am Isarkanal, werden Sie dazu weniger Gelegenheit haben.“ Huch, ist das Wasser kalt!
Entspannung auf stillen Radwegen
Je weiter man aus München hinausradelt, desto stiller werden Radweg und Ufer. An einer einsamen Stelle blüht ein sonnenblumengelber Sonnenschirm. Ein Erpel lässt sich flussabwärts treiben und spricht mit sich selbst: „Uäck“, sagt er, und es klingt sehr zufrieden. Vorbei am Tierpark Hellabrunn führt die Route und hinein in den Wald. Schon kommt die Großhesseloher Brücke in Sicht, die sich in beeindruckenden 42 Metern Höhe über das Isartal spannt. Oben fahren Züge, im Fachwerkrahmen unterhalb der Gleise verläuft ein Fuß- und Radweg. Es lohnt die Mühe, zur Brücke hinaufzusteigen, denn der weite Blick über die Isarauen ist sensationell. Blaues und gelbes Treibgut im blinkenden Wasser entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Schlauchboote – ein beliebtes, aber nicht ganz ungefährliches Vergnügen auf Münchens wildem Fluss. Schon wieder eine Pause einlegen? Was soll’s – am rechten und linken Hochufer nördlich und südlich der Großhesseloher Brücke locken zwei der schönsten Biergärten an der Isar: die traditionsreiche Menterschwaige und die „WaWi“. In der Waldwirtschaft genießt man die Maß zu jazziger Livemusik. „An einem Sommertag wie diesem schenken wir hier locker 800 bis 900 Liter aus“, sagt der Schankwirt im Zapfstress.
Die längste Floßrutsche Europas
Am Wasserkraftwerk im sonnigen Mühltal hinter dem Grünwalder Forst hat sich die Isar längst unnahbar gemacht und dem Isarkanal die Aufgabe übertragen, die Radler zu begleiten und zu unterhalten. Der gibt sich Mühe. Wenn die Radfahrer Glück haben, erleben sie hier ein heiteres Spektakel. Am Kraftwerk befindet sich nämlich die mit 345 Metern längste Floßrutsche Europas, der Höhepunkt der beliebten Gaudifloßfahrten. Man spürt geradezu, wie Blutdruck und Vorfreude steigen, kurz bevor das Floß über die Kante rutscht. Auf der Brücke beim Biergarten kann man zuschauen, wie das Gefährt abwärts schießt. Ganz vorne sitzen die, die ihren Mut durch einen ordentlichen Gischtschwall abkühlen möchten. Morgens ab sieben Uhr werden die Flöße dafür in Wolfratshausen zusammengebaut und am Ziel an der Floßlände Thalkirchen wieder zerlegt. Erst 1948 hat man die traditionelle Flößerei auf der Isar eingestellt, erzählt Josef Seiter, Seniorchef der Flößerei. „Am liebsten heuerte man dafür Nichtschwimmer an. Die sprangen nicht sofort ab, wenn’s gefährlich wurde, die kämpften bis zum Schluss um die Ladung.“
Nur ein kleiner Abstecher ist es vom Mühltal zum Benediktinerkloster Schäftlarn, das schon fast ein ganzes Klosterdorf bildet: mit landwirtschaftlichen Betrieben, einem Klosterladen, dem schönen Prälatengarten, der Rokokokirche in Weiß und Gold und – wie kann es anders sein – einem Biergarten unter Kastanien. 13 Mönche leben hier sowie 470 Schüler eines Gymnasiums und Internats. Durch das Naturschutzgebiet Pupplinger Au bis Wolfratshausen und weiter durch hügelige Wald- und Wiesenlandschaften radelnd, kommt Bad Tölz immer näher. An klaren Tagen schälen sich am Horizont die Kalkalpen glasklar aus dem Himmelblau.
Zum Schluss ein Eis in Bad Tölz
Berühmt war Bad Tölz einst durch seine Handwerkskunst aus Holz, reich wurde es mit Salzhandel und Bier – zeitweise konkurrierten hier 22 Brauereien. Das Herz der Stadt ist die historische Marktstraße: barocke Bürgerhäuser in Pastellfarben, die mit Lüftlmalerei geschmückt sind. Gefühlt befindet sich hier die höchste Dichte an Eisdielen der Republik, und die sollte man sich nicht entgehen lassen! Radlschilder am Weg laden zur nächsten Etappe ein: Überwiegend sonnig, steht darauf geschrieben. Ein andermal. Für heute stellt sich das wohltuende Gefühl ein, angekommen zu sein.