Reise

Autor: Dorothee Fauth

Schlitterwochen, für viele die schönste Zeit des Jahres

Wenn Seen und Kanäle zufrieren, zieht es viele Menschen aufs Eis. Schon Goethe schwärmte von den „geflügelten Sohlen“ und dem Winterspaß auf zugefrorenen Seen.
Schlitterwochen, für viele die schönste Zeit des Jahres
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©Schlitterwochen, für viele die schönste Zeit des Jahres
Manchen Menschen kann es im Winter gar nicht kalt genug sein. Mit fallenden Temperaturen, gerne bis in den zwei­stelligen Minusbereich, steigt die Vorfreude auf ein Wintervergnügen, das schon Goethe alles um sich herum vergessen ließ: Schlittschuhlaufen. „Einen herrlichen Sonntag auf dem Eis zu verbringen, genügte uns nicht; wir setzten unsere Bewegung bis spät in die Nacht fort“, schwärmte er über die Stunden auf „geflügelten Sohlen“. Das leise Kratzen der Kufen, die Leichtigkeit, mit der man übers Eis und durch eine winterliche Natur gleitet, ja beinahe fliegt, die roten Backen in der klirrend kalten, klaren Luft – beim Schlittschuhlaufen, wie Goethe es betrieb, macht die Freizeitbeschäftigung erst richtig Spaß. Denn damals gab es keine Eishallen, in denen man schnöde Runden dreht. Aber Seen, Teiche und Flüsse, die zuverlässig zufroren. Und niemanden, der sich über Haftungsfragen den Kopf zerbrach.

Ab 15 Zentimetern Dicke trägt das Eis auf Seen

Betreten auf eigene Gefahr! Das gilt heute für die meisten natürlichen Gewässer. Auf manchen ist das Eislaufen ausdrücklich verboten, es gibt aber auch einige, die bei Dauerfrost von den Stadtverwaltungen für das winterliche Vergnügen offiziell freigegeben werden – von Bayern bis Hamburg. Voraussetzung ist eine mindestens 15 Zentimeter dicke Eisschicht auf stehenden Gewässern, ab 20 Zentimeter tragen auch langsam fließende Gewässer. Allerdings hängt die Tragfähigkeit auch von der Art des Eises ab. So ist neu gebildetes, bläulich-klares Eis stabiler als älteres. Grundsätzlich gilt: Sobald es knackt, sofort runter vom Eis!


Im Winter 2012 war die Alster das letzte Mal so dick zugefroren, dass das Alstervergnügen auf dem Eis stattfinden konnte. Zur selben Zeit wehte auch die rot-weiße Stadtflagge am Ufer des Maschsees in Hannover, die signalisierte, dass das Eis trägt. Glühwein- und Imbissverkäufer bauten ihre Buden auf dem See auf, Schlittschuhläufer tanzten beschwingt ihre Kurven, Schleifen und Pirouetten in den eisigen Grund. Sehr viel länger ist es her, dass der Bodensee komplett zufror. Bei der letzten Seegfrörne im strengen Winter 1963 fuhren sogar Autos übers Wasser, landeten Sportflugzeuge auf dem Eis.


Im Spreewald kann man stundenlang eiswandern

In ein wahres Paradies für Kufenfans kann sich der Spreewald mit seinem 1500 Kilometer langen Netz aus Fließen und Kanälen verwandeln. Dort wird das Schlittschuhlaufen zum Eiswandern. Stundenlang kann man hier, kleine Dampfwölkchen ausstoßend, durch den Winterwald gleiten, der nie schöner anmutet als unter einer Schicht aus Eis und Schnee. Sobald die Voraussetzungen gegeben sind, stürmen daher Mann und Maus aufs Eis. Eine Thermoskanne mit Glühwein, Punsch oder Tee im Gepäck ist obligatorisch für kleine Rasten unterwegs, wenn man die Stille entlegener Fließe sucht. An den Hauptstrecken von Lübbenau über Lehde und Leipe bis nach Burg werfen einige Gaststätten sogar extra den Herd an, um die Eiswanderer mit warmen Essen zu versorgen. Und Anwohner bauen Stände an den Kanälen auf, an denen sie heiße Getränke und Würstchen verkaufen.
Manche Spreewälder schieben Stoßschlitten wie Kinderwagen vor sich her. Damit können sie Kind, Hund, Einkäufe oder die Oma übers Eis transportieren. Andere haben einen langen Eisstab dabei, mit dem sie sich abstoßen und ordentlich Fahrt aufnehmen. Eine gefahrlose Alternative, auf die man sich immer wagen kann, sind überflutete, zu Eis erstarrte Wiesen. Hier holt man sich beim Einbrechen allenfalls nasse Füße. Auch Goethe drehte auf den unter Wasser gesetzten Weimarer Schwanseewiesen beglückt seine Runden. Jetzt muss nur noch der Winter mitspielen.


Gewässer, die bei ausreichend Eis zum Eislaufen freigegeben werden:

Alster Hamburg
Das letzte Alstereisvergnügen ist zwar schon mehr als zehn Jahre her (Februar 2012), aber vielleicht bescheren uns die Launen der Natur doch einen knackigen Kälteeinbruch. Dann werden wohl wieder rund um die Außenalster Buden aufgebaut, und Hunderttausende Spaziergänger wie auch Schlittschuhläufer sind auf der riesigen Eisfläche unterwegs – ein ganz besonderes Volksfest.
www.hamburg.de/alstereisvergnuegen

Bremer Blockland
Seit 1965 flutet der Bremer Eisverein bei längerer Frostphase mit riesigen Pumpen die Semkenfahrt, ein Feld im Blockland. Dann verwandelt sich die Wiese in eine etwa drei Kilometer lange und bis zu 300 Meter breite Eislaufbahn. Sie wird vom Eisverein freigegeben.
bremer-eisverein.de

Duvenseer Moorwiesen
Sicheres Schlittschuhfahren ist in diesem Moor zwischen Lübeck und Hamburg möglich. Während die Bewohner des Vogelparadieses in wärmeren Regionen überwintern, verwandeln sich die überfluteten Wiesen bei klirrender Kälte in eine Eislaufbahn. Sollte man dennoch einbrechen, holt man sich allenfalls nasse Füße.
duvenseer-moor.de

Groggensee Ehingen
Die Natureisbahn liegt in der Parkanlage Groggen­see mitten in der Donau­stadt. Abends bei Flutlicht macht das Schlittschuhlaufen auf dem Gewässer besonders viel Spaß. Über die Freigabe informiert man sich beim Rechts- und Ordnungsamt.

Nymphenburger Schlosskanäle
Sobald das Eis dick genug ist, kann man auf den Kanälen im Westen von München Schlittschuh laufen, Eisstock schießen und Eishockey spielen. Meistens ist vor Ort für Verpflegung gesorgt.

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