Reise

Autor: David Krenz

Schloss Charlottenburg Berlin: Weihnachten im Hause Hohenzollern

Auf Schloss Charlottenburg zeigt sich das Weihnachtsfest von seiner entspannten Seite.

© istockfoto.com / CCat82

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Eine Krone ragt in den dämmernden Dezemberhimmel. Zwischen den nackten Zweigen der Linden, die die vornehme Schlossstraße im Berliner Westen säumen, kann man sie in der Ferne erkennen, in warmes goldenes Licht getaucht. Es ist die Kuppel von Schloss Charlottenburg. Der Name verweist auf seine erste Bewohnerin: Sophie Charlotte, Preußens unvergessene Königin. Die feinsinnige Regentin (1668 – 1705) suchte in ihrer Residenz Abstand von den höfischen Zwängen und politischen Intrigen der Berliner Monarchie. Drei Jahrhunderte später ist das Schloss noch immer ein Rückzugsort. Vor allem zur Weihnachtszeit, wenn die wilde Jagd nach Geschenken tobt und der Puls der Großstadt noch hastiger pocht, sollten Stress-Geplagte Charlottenburg besuchen. Dort zeigt sich das Fest von einer schönen und besinnlichen Seite. Wie zu der Zeit, als noch Bauern rings um das Schloss siedelten, tummelt sich heute das Volk vor den schmiedeeisernen Toren, die auch nach Jahrhunderten dieselben geblieben sind. Ein Weihnachtsmarkt hat hier seine Pagodenzelte aufgeschlagen. Schneeweiß sind sie, mit Zipfeldächern. Durch die Gänge des winterlichen Wunderlands strömt der süße Duft gebrannter Mandeln, aus dampfenden Bottichen wird Bratapfelglühwein geschöpft. In dicke Mäntel gehüllt, posaunt ein Bläsertrio „Es ist ein Ros’ entsprungen“, Kunsthandwerker verkaufen Papiersterne und Schreibfedern aus Glas – für die feinsäuberlich verfasste Weihnachtspost.

Kinder können einen Ritt durch die Geschichte wagen. Der Platz versammelt antike Vergnügungen, vom Kettenkarussell bis zum Riesenrad, das eher ein Zwergenrad ist. „Mein Vater hat das Fahrgeschäft vor 40 Jahren gekauft, da war es bereits mehrere Jahrzehnte alt“, sagt der Schausteller, der seine Schaukelschiffe mit der Hand anschubst. Mag der Lack auch blättern und das Holz knarren, das Kinderlachen klingt heute so ausgelassen wie damals. „Auch den Eltern gefällt es, viele sind früher selbst damit gefahren“, sagt einer der Betreiber. Es zählt wohl zu den größten Wonnen der Weihnachtszeit, dass sie selige Erinnerungen an die Kindheit zu wecken weiß.

 

 

Kronleuchter mit Kristallen wie schmelzende Eiszapfen

Eine Reise noch weiter in der Zeit zurück verheißt das Schloss. Während der Adventstage lädt es zur Themenführung „Weihnachten im Hohenzollernhaus“. Rudolf G. Scharmann, ein Mann von kerzengerader Statur, die Kleidung in elegantem Schwarz, der Schnurrbart silbern, begrüßt das Grüppchen Neugieriger. Als Leiter des Schlosses wird er höchstselbst durch die königlichen Kammern führen. Staunend schreitet sein Gefolge zum Oberen Runden Saal, wo sich das Licht in den Kristallen des Kronleuchters bricht, die dadurch wie schmelzende Eiszapfen aussehen. Vor den deckenhohen Bogenfenstern stehen auf Steinsockeln kostbare kobaltblaue Porzellanpokale – Geschenke des russischen Zaren, erzählt Scharmann. Die Ölgemälde in den Gängen gleichen einem Familienalbum der Hohenzollerndynastie. Sieben Generationen des Adelsgeschlechts residierten im Hause, und jede hinterließ ihre Spuren. In der Roten Kammer mit ihrer goldbesetzten roten Tapete aus Damaststoff hielten Sophie Charlottes Gemahl Friedrich I. und seine Minister Konferenz. Sein Enkel, Friedrich der Große, ließ das Schloss um die Goldene Galerie erweitern, ein Gartenfestsaal, der zu den schönsten Schöpfungen des Rokoko zählt. Das Schlafgemach der vom Volk verehrten Königin Luise (1776 – 1810) schmückt ein elegant geschwungenes Bett aus Birnbaumholz; rosafarbene Papiertapeten und fein gewebte weiße Schleier symbolisieren zarten Nebel und Morgenröte, dem Naturempfinden der Romantik entsprechend.

In den vorzüglich restaurierten Räumen fällt es leicht, sich die Szenen der preußischen Weihnacht auszumalen, von denen Schlossführer Scharmann in schwärmerischem Ton erzählt. Wie im Dezember 1853 Austern, Trüffel und Filet vom Schwein auf der reich dekorierten Festtafel aufgetischt wurden. Wie der letzte deutsche Kaiser Wilhelm II. für seine sieben Kinder sieben Christbäume aufstellen ließ, abgestimmt auf die Größen der Kinder. Und wie Prinzessin Victoria Luise vor Freude außer sich geriet, als sich zur Bescherung die Türen des Festsaals öffneten und „zwei entzückende kleine Araberpferdchen“ hineintrabten. „Schon damals drehte sich vieles um Geschenke“, weiß Scharmann und zeigt einen Brief von 1735, in dem Friedrich Wilhelm I. seinem Diener Besorgungen aufträgt: ein goldenes Kaminbesteck für die Königin, für Töchterchen Sophie einen silbernen Tisch, zehn Teller für Prinz Heinrich. Mickrige Gaben im royalen Vergleich, der Soldatenkönig galt als Knauser. Dabei bekam er selbst als zehnjähriger Kronprinz zu Weihnachten ein eigenes Jagdschloss in Königs Wusterhausen geschenkt. „Wie groß wohl die Schleife war?“, fragt ein Teilnehmer der Führung.

Weihnachtliche Anekdoten aus der Schlossgeschichte

Von Preußens erhaltenen Schlössern ist Charlottenburg das größte und bedeutendste. Dabei begann alles ganz bescheiden: Auf einem Jagdausflug entdeckte Charlotte in einer lieblichen Landschaft aus Wäldern, Feldern und einem Flusslauf das Dorf Lietze. Hier, befand sie, sei ihr Sommer-Schlösslein zu errichten. Als ihr Gemahl sich 1701 zum König krönte, zitierte er den Hof-Architekten Eosander von Göthe nach Lietze, um die schlichte märkische Villa in einen schmucken Palast von Rang auszubauen. Der verlieh dem Bau rechts und links Flügel, sodass ein dreiseitig umschlossener Empfangshof entstand, gleich dem französischen Vorbild von Versailles. Der Petersdom in Rom stand Pate für den kupfernen Kuppelturm, statt eines Kreuzes ziert eine nackte, goldene Fortuna die Spitze.

1705 starb Charlotte an einer Halsentzündung. In seiner großen Trauer benannte der Witwer das Schloss nach ihr: Charlottenburg. Die ringsherum gewachsene Siedlung sollte ebenso heißen. Nur der Adel durfte das Schloss betreten – mit Ausnahme der Bediensteten. Königin Elisabeth von Bayern jedoch, die mit ihrem Gemahl Friedrich Wilhelm IV. kinderlos blieb, ließ zum Weihnachtsfest für Dutzende Kinder armer Familien die Tore öffnen. Manche tauchten barfuß auf. Eine Augenzeugin schrieb 1869 in ihr Tagebuch: „Nicht nur, dass Königin Elisabeth für alle Schokolade und Kuchen reichen ließ, auch für jedes Kind hatte sie ein Wort, packte ihnen selbst die Weihnachts-Sachen in den Beutel.“
Die Besuchergruppe gelangt in den Oberen Ovalen Saal an der Nordseite des Schlosses. „Hier konnte die Familie Heiligabend mit Aussicht auf den Garten feiern“, sagt Scharmann. Vor der Fensterfront breitet sich der weitläufige Schlossgarten aus, winterlich kahl und dennoch überwältigend. Mit strengen Achsen, schattigen Hecken-Quartieren und den vergoldeten Statuen auf akkuraten Rasenfeldern gilt der 55 Hektar große Park als Musterbeispiel französisch geprägter Gartenbau-Kunst. Natürlich hält auch der Schlosspark eine weihnachtliche Anekdote bereit. 1883 war es, als Kronprinz Friedrich Wilhelm seiner schönen Viktoria eine einmalige Bescherung bereitete. Mit einem Geleit aus Fackelträgern führte er sie in den verschneiten Garten, wo die Hofkapelle aufspielte. Am zugefrorenen Karpfenteich beugte er sich zu ihren Füßen und band ihr Schlittschuhe an. So feierten sie Weihnachten auf dem Eis tanzend.
Scharmann bittet seine Gäste zum Tor auf der anderen Schlossseite, das zurück auf den Vorplatz führt. „Drehen Sie noch eine Runde auf dem Weihnachtsmarkt“, rät er zum Abschied. Eine gute Idee, nun, da die Dämmerung dem Dunkel gewichen ist und das Lichtermeer seine volle Pracht entfaltet. Darauf hebt die Becher! Einen Glühwein auf das nahende Fest – und auf das prächtige Schloss, das richtig Lust auf Weihnachten macht.

Schloss Charlottenburg, Spandauer Damm 10 – 22, 14059 Berlin, Telefon: 03 31/9 69 42 00

www.spsg.de

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