Mads Mikkelsen: „Ich liebe es, meine Grenzen auszutesten“
Der Schauspieler über Leidenschaft, Langeweile und Träume, die nicht in Erfüllung gehen.

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Seit er im James-Bond-Streifen Casino Royale den Bösewicht gegeben hat, feiert Mads Mikkelsen auch in Hollywood Erfolge. Die künstlerischen Höhepunkte in der Karriere des 55-Jährigen aber setzen Produktionen aus seiner dänischen Heimat. So wie Der Rausch, der gerade den Europäischen Filmpreis als bester Streifen des Jahres 2020 erhielt und für den Mikkelsen zugleich als bester Darsteller ausgezeichnet wurde.
Reader’s Digest: Ihr aktueller Film dreht sich um vier Männer, die mit Alkohol experimentieren, um neue Motivation zu finden.
Mads Mikkelsen: Was natürlich schiefgeht. Aber eigentlich handelt die Geschichte davon, wie man die richtige Einstellung zu seinem Leben gewinnt. Und dafür ist es wichtig, nicht zu sehr in die Zukunft oder in die Vergangenheit zu schauen, sondern im Moment zu leben.
Schaffen Sie das?
Ich habe das Glück, dass ich einen hochinteressanten Job habe, bei dem ich ständig neue Leute kennenlerne. Das bewahrt mich vor Stagnation. Außerdem bin ich gut darin, auf meine Intuition zu hören. Ich spüre, wenn etwas nicht stimmt, und kann es dann ändern. Aber ich kenne natürlich das Dilemma des Älterwerdens. Wenn du die 50 überschreitest, dann ist dir klar, dass du die Hälfte deines Lebens hinter dir hast. Die einzige Lösung ist, dass du dich auf jeden einzelnen Tag konzentrierst. Betrachte ihn nicht als Zwischenschritt zu einem höheren Ziel, sondern nimm ihn so, wie er ist, und mache das Beste draus.
Abgesehen von Ihrem Job, wie sieht Erfüllung für Sie aus?
Ich liebe es, meine Grenzen auszutesten. Ich will immer wissen, was auf der anderen Seite eines Bergs ist. Wenn ich eine Mauer sehe, dann muss ich einfach drüber klettern. Ich kann nicht anders. Ich fahre auch leidenschaftlich gern Fahrrad. Und zwar sportlich. Wenn du auf deinem Rad sitzt und fast Blut spuckst, dann produzierst du diese Endorphine im Gehirn. Danach wirst du süchtig.
Gibt es Aspekte an Ihrem Beruf, die Sie frustrierend finden?
Ich liebe fast alles, was zu meinem Job gehört, aber bestimmte Dinge sind nicht ganz so mein Fall. Wenn ich sechs Stunden lange Fotoshootings über mich ergehen lassen muss, dann ist das nun mal nicht so interessant.
Haben Sie Tricks, wie Sie mit solchen Situationen umgehen?
Ich schwimme mit dem Strom. Das heißt: Die Leute, mit denen ich da zu tun habe, sind mit solcher Begeisterung bei der Sache, dass ich mich an sie anpasse. Ansonsten würde ich da nur dumm herumstehen. Und wenn ich mal wirklich in einer Situation bin, aus der ich am liebsten entkommen will, dann fliege ich einfach in Gedanken irgendwo hin. Ich schließe die Augen und weg bin ich. Beim Zahnarzt funktioniert das optimal.
Wenn Sie sich Ihren größten Traum erfüllen könnten, was wäre das?
Mein großer Traum war es, wie Bruce Lee zu sein. Ich hatte einen Freund, der Kung-Fu machte, und einmal nahm ich an einer seiner Stunden teil. Zu dem Zeitpunkt habe ich viel geturnt, konnte also alle möglichen verrückten Dinge mit meinem Körper anstellen. Der Meister meinte dann: „Alles schön und gut, komm in zwei Jahren wieder.“ Doch ich konnte dieses ganze Kung-Fu-Ethos nie respektieren. Und jetzt ist es zu spät.
Mads Mikkelsen
wurde am 22. November 1965 in Kopenhagen geboren. Ursprünglich zum Tänzer ausgebildet, machte er sich als Schauspieler einen Namen in preisgekrönten dänischen Produktionen wie Nach der Hochzeit und Die Jagd. Seit er 2006 den Bösewicht in Casino Royale gab, ist er immer wieder auch in Hollywood-Blockbustern wie Doctor Strange oder Rogue One zu sehen. Mikkelsen ist seit 2001 verheiratet und hat zwei Kinder.