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Autor: Reader's Digest Book

Die erste Fahrprüfung für Autofahrer fand in Frankreich statt

Gesetze, Vorschriften und Verordnungen: Normalerweise haben in solchen Dingen die deutschen Bürokraten die Nase vorn. Beim Autofahren verhielt es sich anders.

© iStockfoto.com / PatrickPoendl

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Als das Automobil noch in den Kinderschuhen steckte, war Autofahren ein Abenteuer mit unbekanntem Ausgang. Zum einen wusste man nie, ob die Technik mitspielte. Zum anderen musste man darauf vertrauen, dass die Herren am Steuer die Sache einigermaßen im Griff hatten. Zwar war die Zahl der Fahrzeuge, die auf den Straßen unterwegs waren, noch ziemlich überschaubar, aber es gab auch nur wenige Verkehrsregeln. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts nahm die Zahl der Autos zu. Vor allem in den Städten wuchs die Zahl der motorisierten Verkehrsteilnehmer schnell. Das Ergebnis war ein latenter bis offener Kriegszustand zwischen Autofahrern und Autofahrern einerseits und Autofahrern und Fußgängern andererseits. Die Zahl der Unfälle nahm mancherorts erschreckende Ausmaße an, auch wenn die beteiligten Fahrzeuge meist nicht mehr als 2,5 PS unter der Haube hatten. Blech- und Personenschäden waren an der Tagesordnung.

Selbsthilfe bei der Autopanne …

Diesem Chaos sagte 1893 Louis Lépine den Kampf an. Er war kaum in sein neues Amt als Polizeipräsident von Paris eingeführt worden, als er die Gemeinschaft der Automobilisten mit einer Nachricht überraschte: Künftig sollte sich nicht jeder, der wollte, einfach hinter das Steuer setzen dürfen. Voraussetzung für die Teilnahme am Straßenverkehr mittels eines Autos sollte das erfolgreiche Absolvieren einer Prüfung sein. Die erste Fahrprüfung fand am 14.August 1893 in Paris statt. Die organisatorische Durchführung war, in Ermangelung einer entsprechenden Verkehrsbehörde, den Ingenieuren des Bergbauamtes übertragen worden.

Jeder Autofahrer hatte ein „Certificat de Capacité“ zu erwerben. Um in den Besitz dieses frühen Exemplars des Führerscheins zu gelangen, musste man sich einer aus drei Teilen bestehenden Prüfung unterziehen. Im praktischen Teil war nachzuweisen, dass man die Technik des Fahrens beherrschte: Anfahren, Steuern, Bremsen. Im theoretischen Teil wurden die technischen Kenntnisse abgefragt. Und schließlich ging es um das Knowhow bei einer Panne. Die französischen Autofahrer sollten nicht hilflos sein, wenn das Auto mal stehenblieb. Bei der Prüfung wurden die Bewerber aufgefordert, vor den strengen Augen der Prüfer selbstständig bestimmte Reparaturen durchzuführen

... und sittliche Reife zum Lenken

Im Rahmen dieser Reglementierungen wurde auch festgelegt, wer überhaupt eine Auto steuern durfte. Die Grundanforderung lautete: Männlich, Mindestalter 21 Jahre. Alle anderen mussten sich nach einem Chauffeur umsehen. Zunächst galt die Fahrprüfung nur für Autofahrer in Paris und Umgebung. Aber schon wenige Jahre später wurde sie auf ganz Frankreich ausgedehnt. Andere Länder zogen rasch nach. In Deutschland galt die Regel „Erst zur Prüfung, dann ans Steuer“ ab 1901. Mit der Pflicht zur Fahrprüfung entstanden auch die ersten Fahrschulen, in denen professionelle Fahrlehrer tätig waren. In Deutschland gab es die erste Einrichtung dieser Art in Aschaffenburg, wo ein gewisser Rudolf Kempf eine „Auto-Lenkerschule“ gründete. Voraussetzung zum Erwerb eines Führerscheins war hier ein Mindestalter von 17 Jahren sowie die Vorlage eines amtlichen „Sittenzeugnisses“, das die charakterliche Befähigung zum Lenken eines Automobils attestierte.