Wissen und Tipps

Autor: Monica Porter

Schwiegereltern beißen nicht!

Weihnachten mit der Familie des Partners – diese Vorstellung ist für viele ein Albtraum.

© Monkey Business / Fotolia

©

©© Monkey Business / Fotolia

Seit es Komiker gibt, machen sie Witze über Schwiegereltern. Für mich hat dieses ritualisierte Spotten über die "zweite Familie" allerdings einen schalen Beigeschmack. Ich achte und schätze nämlich die Verwandtschaft meines Partners. Vor 20 Jahren wurde ich geschieden, aber erst vor Kurzem wurde mir bewusst, dass mein Ex-Schwager Stephen (der Bruder meines Ex-Mannes) und meine Ex-Schwägerin Rosemary (Stephens Frau) mir heute mehr am Herzen liegen als Freunde und Bekannte, die im Lauf der Zeit kamen und gingen. Und damit nicht genug: Meine ehemalige Schwiegermutter Dany ist keineswegs die böse Hexe, die sie den Klischees zufolge sein müsste, sondern bis heute meine Freundin und Vertraute. Bei Tee und Gebäck haben wir viele wunderbare Gespräche geführt, und sie bezeichnet mich bis heute als ihre Schwiegertochter – ungeachtet der Tatsache, dass sie inzwischen eine neue hat.

Dafür gibt es gute Gründe. Zum einen haben wir eine lange gemeinsame Geschichte. Meine Schwiegereltern kennen mich seit Mitte der 1970er-Jahre, und ich war 18 Jahre lang offiziell Teil der Familie. Sie kennen alle meine Macken. Das Beste jedoch ist, dass wir uns trotz der Scheidung noch immer als Familie fühlen – auch wenn wir in Anwesenheit Dritter witzeln, ich sei ja nur noch "Ex-Schwägerin" oder "Ex-Schwiegertochter".

Für meine Freundin Louise ist die angeheiratete Familie sogar noch wichtiger, seit ihr Ehemann vor 15 Jahren starb. "Meine Schwiegermutter Patricia und ich haben in den Jahren, in denen David und ich verheiratet waren, sehr enge Bande geknüpft", sagt sie. "Wir beide liebten Bücher und haben viel Zeit damit verbracht, darüber zu reden. Es war wunderbar, dies teilen zu können, denn meine eigene Mutter war an Literatur nicht interessiert." Louise weiter: "Wichtiger noch ist, dass meine Mutter ständig an mir herumnörgelte. Patricia war ganz anders. Ich konnte alles mit ihr besprechen. Meine Mutter dagegen unterbrach mich, noch bevor ich zu Ende geredet hatte, und sagte mir immer, was ich zu tun habe. Patricia konnte wunderbar zuhören. Als sie vor zwei Jahren starb, war ich am Boden zerstört."

Das sagt die Beziehungspsychologin

Das überrascht nicht, sagt die Beziehungspsychologin Susan Quilliam. Ihrer Auffassung nach könnten vor allem die Schwiegereltern einen Vorteil haben: Man sei nicht mit ihnen aufgewachsen und schleppe entsprechend weniger emotionalen Ballast mit sich herum. "Sie behandeln einen nicht wie ein Kind, weil sie einen nie als Kind kennengelernt haben. Für sie ist man ein Erwachsener, der den Pluspunkt mit sich bringt, dass sich das eigene Kind für diesen Menschen als Partner entschieden hat." Der schlechte Ruf der Schwiegereltern gehe auf die Zeiten zurück, als Familien noch alle unter einem Dach lebten und sich ständig in den Haaren lagen, sagt die Psychologin. Die Zustände damals hätten immer wieder zu Reibereien geführt. "Heute leben wir eigenständiger, es ist mehr Distanz zwischen uns, deshalb besteht keine Notwendigkeit, eine Familienhierarchie festlegen zu müssen."

Und dennoch leben die Klischees bis heute weiter, vor allem das von der zänkischen, besitzergreifenden Schwiegermutter, der keine Frau gut genug für ihren Jungen ist. Das wäre dann das "Schwiegermonster", 2005 von Jane Fonda im gleichnamigen Film verkörpert. Aber das ist eine Erfindung Hollywoods. Ich habe im echten Leben noch nie jemanden getroffen, auf den diese Beschreibung wirklich zuträfe. Natürlich will ich nicht behaupten, dass jede Schwiegermutter der reinste Engel ist. Einige sind zweifelsohne furchtbar nervtötend, aber das liegt nicht daran, dass sie Schwiegermütter sind. Es gibt sehr nette Menschen und es gibt weniger nette. Schwiegereltern pauschal in die zweite Kategorie zu verbannen wäre so, als würde man behaupten, dass alle Politiker Ganoven sind. (Okay, vielleicht nicht das beste Beispiel, aber Sie verstehen sicher, worauf ich hinauswill.)

Christine Northam arbeitet bei der britischen Beziehungsberatung "Relate". Sie kann Schwiegereltern viel Positives abgewinnen. "Es sind Menschen mit anderem Hintergrund, sie erlauben einem also, neue Beziehungen aufzubauen", erläutert sie. "Zu Beginn sollte man am besten etwas Vorsicht walten lassen. Lernen Sie aus den Fehlern, die Sie bei Ihrer eigenen Familie gemacht haben. Und seien Sie offen, wenn es zu heiklen Situationen kommt – reagieren Sie nicht emotional", warnt Northam zugleich. Aber auch die Schwiegereltern müssen ihre Rolle erfüllen, sagt Susan Quilliam: "Es ist wichtig, dass sie Sie als neues Familienmitglied empfangen, und nicht das Gefühl haben, sie würden ihren Sohn oder ihre Tochter an jemanden verlieren, der nicht dazugehört."

Freunde kann man sich aussuchen, Familie nicht

Das Schöne an Freunden ist, dass man sie sich im Gegensatz zur Familie aussuchen kann, lautet ein alter Spruch. Die Schwiegerfamilie ist eine Familie, die man sich aussucht. Wenn Sie eine Partnerschaft eingehen, beschließen Sie damit auch, sich dieser Familie anzuschließen. Sie können ja für sich bestimmen, wie eng oder wie lose die Bande sein sollen.

Vor Kurzem haben mein langjähriger Partner Nick und ich uns getrennt. Zu seinem verwitweten Vater hatte ich ein herzliches Verhältnis. Er war deshalb sehr traurig über die Trennung und sagte, Nick sei "bekloppt", sich von mir zu trennen. Auch Nicks Schwester äußerte sich ähnlich. Von den Freunden und der eigenen Familie kann ich ja erwarten, dass sie "auf meiner Seite" stehen, wenn eine Beziehung in die Brüche geht. Aber die Schwiegerfamilie? Wenn auch die sich auf meine Seite schlägt, ist es umso tröstlicher.

Haben Sie eine gute Beziehung zu Ihrer Schwiegerfamilie? Schreiben Sie an meinung@readersdigest.de