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Autor: Annemarie Schäfer

Tierische Redensarten und ihr Ursprung

Man kauft die Katze im Sack, schießt einen Bock und hat Schmetterlinge im Bauch. Woher kommen diese Redensarten?

© Illustration: Jan Bazing

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©© Illustration: Jan Bazing

Rund 300.000 Redewendungen kennt die deutsche Sprache. Sie beschreiben Gefühle, Situationen und Sachverhalte anschaulich. Dass viele Tiere in Redensarten auftauchen, ist kein Zufall, schließlich leben Mensch und Tier seit Tausenden von Jahren eng zusammen. Manche Wendungen erklären sich (fast) von selbst. Wer Augen wie ein Adler hat, erfreut sich einer ausgezeichneten Sehkraft – auch wenn er nicht wie der Greifvogel eine Maus aus 1000 Meter Entfernung erkennt. Schläft jemand wie ein Murmeltier, ruht er zwar nicht mehrere Monate am Stück, schlummert aber tief und fest. Und wer flink ist wie ein Wiesel, teilt mit dem kleinen Raubtier Schnelligkeit und Wendigkeit.

Tierisches Verhalten

Andere Redewendungen lassen sich nicht so einfach herleiten. Warum vergießt zum Beispiel jemand, der Mitgefühl oder Trauer vortäuscht, ausgerechnet Krokodilstränen? Das erschließt sich nur, wenn man weiß, dass Krokodile beim Verschlingen ihrer Beute „weinen“. Das tun sie allerdings nicht aus Mitleid oder Schmerz. Beim Öffnen des Mauls drückt ihr Kiefer auf die Tränendrüsen und sorgt so für den Tränenfluss. Legt man einem anderen ein Kuckucksei ins Nest, schiebt man ihm etwas unter, was sich später als Nachteil für ihn erweist. Dieses Verhalten zeigt der Kuckuck. Er brütet nicht selbst, sondern legt seine Eier ins Nest anderer, oft kleiner Vögel, die es ausbrüten und das Junge großziehen. Zum Dank wirft das Kuckuckskind die Stiefgeschwister aus dem Nest. „Jemanden zur Schnecke machen“ hat nichts mit dem Äußeren des schleimigen Weichtiers zu tun, sondern bezieht sich auf dessen Verhalten bei Gefahr: Es zieht seine Fühler ein und verkriecht sich in sein schützendes Haus. So verhalten sich auch viele Menschen, wenn sie scharf kritisiert werden.

Aus der Geschichte

Manche Redensarten gehen auf die Lebensumstände oder Bräuche vergangener Jahrhunderte zurück, die uns heute fremd sind, wie etwa „die Katze im Sack kaufen“. Im Mittelalter boten Händler auf Märkten Ferkel oder Kaninchen feil. Unachtsamen Käufern steckten sie anstelle dieser kleinen Nutztiere eine damals als wertlos geltende Katze in den Sack. Daheim wurde den Käufern klar: Sie hatten etwas gekauft, ohne es vorher genau geprüft zu haben – so auch die heutige Bedeutung der Redensart.
Das geht auf keine Kuhhaut“ meint, dass etwas unerhört ist und jegliches Maß übersteigt. Diese Wendung hat ihre Wurzeln ebenfalls im Mittelalter. Damals herrschte die Vorstellung, dass der Teufel einem Sterbenden dessen Sündenregister auf einem aus Kuhhaut gefertigten Pergament vorhält. Es zeugte von ganz besonderer Lasterhaftigkeit, wenn die Missetaten nicht einmal auf einer ganzen Kuhhaut Platz fanden. Vermutlich aus derselben Zeit stammt „Die Sau rauslassen“, sprich, sich mal so richtig gehen zu lassen. Bei einem Kartenspiel hieß die höchste Karte damals „Daus“ oder „Sau“. Wer seine hohe Karte ausspielte, ließ die Sau raus. Eine andere Deutung der Redensart ist, dass Schweine vor ein paar Hundert Jahren als Müllbeseitiger fungierten. Man warf den Müll einfach auf die Straße, nahm der Unrat überhand, ließ man das Borstenvieh raus.
Klappe zu, Affe tot!“ – sprich, eine Sache ist erledigt und abgeschlossen – stammt aus Tagen, als Zirkusse Schaulustige mit einem kleinen Äffchen in ihre Vorstellungen lockten. Das saß in einer Holzkiste am Kassenhäuschen. Starb dieser Affe irgendwann, blieb die Klappe zu. Der „Pechvogel“ geht hingegen auf eine früher oft praktizierte, grausame Jagdmethode zurück. Vogeljäger bestrichen Äste mit Leim oder Pech, sodass die Tiere mit ihren Krallen hängen blieben. Die Verbindung von Pech und Vogel bezog man bald auch auf Menschen, die vom Unglück verfolgt schienen. Die Redensart „einen Bock schießen“ hat dagegen mit der Jagd nichts zu tun. Auf Schützenfesten war es früher Brauch, dem schlechtesten Schützen einen Ziegenbock als Trostpreis zu schenken. Die Gleichsetzung von Bock mit Fehler findet sich zudem bei „etwas verbocken“ und „Bockmist bauen“.

Aus der Literatur

Andere tierische Redensarten haben ihren Ursprung in der Literatur. Der Ausdruck „Es regnet Hunde und Katzen“ stammt aus Großbritannien, aber er hat sich auch hier eingebürgert und geht wohl zurück auf den Schriftsteller Jonathan Swift. In seinem Gedicht "Beschreibung eines Stadtregens" von 1710 schildert Swift, wie angesichts miserabler hygienischer Verhältnisse ohne Kanalisation und Müllabfuhr bei starkem Regen neben Unrat Hunde und Katzen durch die Straßen gespült werden.

Der griechische Dichter Äsop, der im 6. Jahrhundert vor Christus lebte, prägte mit seinen Fabeln gleich mehrere Redewendungen. Wer sich in die „Höhle des Löwen“ traut, ist mutig und sucht mächtige oder gefährliche Menschen auf. In "Der alte Löwe und der Fuchs" durchschaut Meister Reineke die List des alten Löwen, der sich krank stellt und die Tiere bittet, ihn in seiner Höhle zu besuchen. Der Fuchs folgt der Bitte allerdings nicht. Er hat bemerkt, dass in die Höhle viele Spuren hinein-, jedoch keine herausführen. Ebenfalls von Äsop stammt „Die Schlange am Busen nähren“, also jemanden in seine Obhut nehmen, der einem später schadet. In "Der Wanderer und die Schlange" findet ein Wanderer ein vor Kälte starres Reptil. Er hat Mitleid und steckt es unter sein Gewand. Die Wärme macht die Schlange munter, und sie revanchiert sich bei ihrem Retter mit einem tödlichen Biss.

Sehr viel angenehmer sind die „Schmetterlinge im Bauch“, die die US-amerikanische Schriftstellerin Florence Converse in ihrem 1908 erschienenen Roman "House of Prayer" erstmals verwendet und damit das kribbelnde Gefühl bei Verliebten beschreibt. In unseren Sprachraum gelangte die poetische Schöpfung erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Das „hässliche Entlein“ als Beschreibung eines nicht unbedingt schönen Menschen – aber durchaus mit Potenzial, sich noch zu seinem Vorteil zu verändern –, stammt aus einem Märchen des dänischen Schriftstellers Hans Christian Andersen: Ein hässliches Entlein entpuppt sich nach dem Wechsel des Federkleids als wunderschöner Schwan. Letzterer taucht auch in dem Ausruf des Erstaunens und der Überraschung „Mein lieber Schwan!“ auf, der auf Richard Wagners Oper Lohengrin zurückgeht. Darin wird der gleichnamige Ritter von einem Schwan übers Wasser gezogen. Wohl freudig überrascht über die sichere Bootsfahrt stimmt er nach der Ankunft die Arie „Nun sei bedankt, mein lieber Schwan!“ an.

Aus der Medizin

Das eine oder andere Sprachbild verdanken wir der Medizin. So zum Beispiel den „Kater“ nach einer durchzechten Nacht. Mit einer männlichen Katze hat dieser aber wohl nichts zu tun, sondern mit Katarrh. Die Schleimhautentzündung ruft ähnliche Beschwerden hervor wie der Alkoholrausch. Im 19. Jahrhundert verwendeten Studenten aus Leipzig den Ausdruck „Katarrh“ häufig. Durch die sächsische Dialektfärbung wurde daraus der „Kater“.
Eine Entzündung ist auch die Ursache für den sogenannten „Frosch im Hals“, der beim Sprechen Probleme bereitet. Der Ausdruck rührt vom medizinischen Fachbegriff „Ranula“ her und bedeutet „kleiner Frosch“. Die Ranula ist eine Zyste, die sich bilden kann, wenn sich die Speicheldrüse unter der Zunge entzündet. Im Aussehen ähnelt sie einem Frosch. Übrigens trifft es unsere französischen Nachbarn bei dieser Erkrankung noch viel härter. Sie haben gleich eine ganze Katze im Hals. "Avoir un chat dans la gorge" lautet die Redewendung in Frankreich.

Auf die mittelalterliche Volksmedizin zurückzuführen ist die Redewendung „jemandem die Würmer aus der Nase ziehen“, sprich, einer Person mühsam nach und nach Informationen zu entlocken. Damals glaubte man, dass wurmförmige Dämonen Krankheiten verursachen. Im 17. Jahrhundert behaupteten Jahrmarktsquacksalber, sie könnten depressive Menschen heilen, indem sie ihnen den Gehirnwurm aus der Nase ziehen. Zu guter Letzt noch eine Redewendung, die so ziemlich jedem geläufig sein dürfte: „einen Vogel haben“. Sie meint, dass jemand nicht ganz klar bei Verstand ist, wirres Zeug redet oder merkwürdige Dinge tut. Tatsächlich war man früher davon überzeugt, dass Geisteskrankheiten durch Vögel verursacht werden, die im Gehirn des Menschen nisten. Auch die „Meise unterm Pony“ oder die Feststellung „Bei dir piept’s wohl!“ stammen daher.