Lachen

Autor: Richard Glover

Herrscher im Reich des Mülls

Das strategische Füllen der Abfalleimer ist zu meiner Leidenschaft geworden. Meine Frau nennt es eine Krankheit.

Herrscher im Reich des Mülls

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©Illustration: Nils Fliegner

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Man sagt, dass Männer alle zwölf Sekunden an Sex denken – in wachem Zustand sogar noch öfter. Zumindest der australische Mann ist vom Thema Müll nicht minder fasziniert. Der Nervenkitzel, den es bereitet, ihn loszuwerden, ohne eine zusätzliche Tonne bestellen oder zur Deponie fahren zu müssen! Dies erfordert Planung, Geduld, Einfallsreichtum – und die gelegentliche Nutzung des Mülleimers der Nachbarn. 
In unserer Straße findet die Müll­abholung freitags statt. Dies bestimmt meine komplette Wochenplanung. 

Bereits am Montagmorgen habe ich die Garnelenköpfe vom Abendessen des Vortags in den Gefrierschrank gelegt. Am Donnerstagabend werde ich sie wieder herausholen. Eine Styroporbox, die mit dem Wochenendeinkauf ins Haus kam, habe ich in Stücke gebrochen, die nun ihres Schicksals harren.

Am Dienstag lege ich drei Orangen in den Biomüll, die für mich verdorben aussehen. Dabei gehe ich meiner Frau Jocasta aus dem Weg, die behauptet, die Früchte seien noch einwandfrei. Vielleicht hat sie recht, aber ich habe gelernt, bei den ersten Anzeichen von Problemen mit Obst streng zu sein. 

Know-How: Bauschutt in Portionen à 500 Gramm entsorgen und Identitätsdiebstahl vermeiden

Mittwoch: Ich werfe ein kleines Stück Betonschutt ganz unten in den Restmüllbehälter. Bauschutt ist eigentlich nicht erlaubt. Aber da ich meine alte Einfahrt in wöchentlichen Tranchen von 500 Gramm, verteilt über dreieinhalb Jahre, entsorge, glaube ich nicht, dass es jemandem auffallen wird. 
Am Donnerstagmorgen nimmt die Woche dann richtig Fahrt auf. Alle Gemüsereste entsorge ich auf dem Komposthaufen, zusammen mit dem Gemüse aus dem Kühlschrank. Ich finde es sieht ziemlich welk aus. Wieder muss ich Jocasta ignorieren, die mir zum Kompost folgt und ruft: „Das ist eine Krankheit. Mit diesen Zucchini ist alles in Ordnung. Du solltest dir wirklich Hilfe holen.“ 

Und dann folgt der Höhepunkt: Donnerstagabend, zehn Uhr. Ich leere den Papierkorb und vergrabe den Inhalt im Kompost. Auf diese Art verhindere ich Identitätsdiebstahl, obwohl sich in dem Korb lediglich Jocastas mangelhaft gelöste Zeitungskreuzworträtsel befinden. Dann entnehme ich den Müllbeutel aus dem Küchenabfalleimer. Zack, landet er in der roten Restmülltonne. Und in dieser ist noch jede Menge Platz! Ich bin wirklich der Herrscher des Mülls.

Plötzlich spüre ich ein nervöses Flattern im Magen. Richtig, ich habe die Garnelenköpfe vergessen. Zurück in die Küche, dann mit dem gefrorenen Klumpen auf die Straße, bevor ich die beiden Mülltonnen auf die Straße schleppe, gelb und rot, groß und klein, Seite an Seite wie ungleiche Soldaten. Was für ein herrlicher Anblick. Ist noch Müll im Haus? Nicht ein Fitzelchen. Einige Religionen haben Reinigungs­rituale. Dieses ist das meinige. Ich fühle mich gut. 
Mein einziges Problem ist, dass der Mülleimer zu leer scheint. War ich bei der Müllentsorgung nicht gewissenhaft genug? Werde ich mich am Samstag ärgern, wenn ich feststelle, dass ich den kaputten Wasserkocher oder den von Motten zerfressenen Teppich vergessen habe? Es ist jetzt 22.30 Uhr. Ich bin ein Mann mit einem halb leeren Mülleimer vor seinem Haus. Ich starte einen Streifzug durch das Büro meiner Frau. 
„Brauchst du das wirklich?“, frage ich Jocasta und zeige auf Gegenstände auf ihrem Schreibtisch. Sie hat für jeden eine fadenscheinige Ausrede parat: „Das ist die Armbanduhr meines verstorbenen Vaters.“ Oder: „Das hat mir meine Mutter zur Geburt unseres ersten Kindes geschenkt.“ 

Ich bin gezwungen, mich anderweitig umzusehen. Eigentlich bin ich ja froh, wenn die Tonnen halb leer sind, aber nur, wenn unser Haus wirklich müllfrei ist. Was für eine Tragödie, wenn man die Behälter auf die Straße stellt, sich dann an ein letztes bisschen Abfall erinnert und feststellen muss, dass ein Nachbar die freie Kapazität genutzt hat. Es ist besser, denke ich, auf der Hut zu sein. Ich lehne mich lässig an einen Laternenpfahl in der Nähe der Tonnen. Jocasta steht an der Eingangs­tür und zieht ihren Mantel fest, um sich gegen die Kälte zu schützen. 
„Es ist elf“, sagt sie. „Ich denke, du solltest reinkommen.“
„Bald“, entgegne ich. „Um Mitternacht ist die Gefahr vorbei.“ 
Sie schaut mich an, ihr Gesicht wird weicher. „Wie wäre es, wenn ich noch mehr Müll für dich finden würde? Dann könntest du deine Tonnen füllen und wir könnten ins Bett gehen.“ Jocasta wühlt im Haus herum und kommt mit einer Handvoll Styroporverpackungen, einer zerbrochenen Vase und einigen rostigen Büroklammern wieder. Ich werfe sie in den Mülleimer. Sie fallen locker hinein und füllen ihn gut aus. 

Mit einem kleinen zufriedenen Lächeln gehe ich ins Bett. Endlich beginnt Jocasta zu verstehen, dass Müll im Mittelpunkt des Lebens steht. Nun, zumindest meines Leben.