Wissen und Tipps

Autor: Ann-Kathrin Fett

Reader's Digest im Wandel der Zeit

Die meistgelesene Zeitschrift der Welt erscheint vor 75 Jahren zum ersten Mal auf Deutsch.

Reader's Digest im Wandel der Zeit

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©Reader's Digest

September 1948: An den Zeitungskiosken in Deutschland und der Schweiz ist zum ersten Mal ein ganz besonderes Heft zu sehen. Es hebt sich bereits durch sein handliches Taschenbuchformat von anderen Magazinen ab – die erste Ausgabe von Das Beste aus Reader’s Digest. Für den Preis von einer Mark beziehungsweise 1,25 Franken erhalten die Leserinnen und Leser auf 136 Seiten eine Mischung aus informativen und spannenden Artikeln, medizinischen Tipps, nachdenklichen und lustigen Beiträgen. Der Artikel „Der Wendepunkt meines Lebens“, in dem der Autor beschreibt, wie er sich durch sein Durchhalte­vermögen einen langgehegten Wunsch erfüllt, spiegelt die positive Grundhaltung der ersten Ausgabe perfekt wider.

Offenbar trifft Das Beste damit einen Nerv in der Nachkriegsgesellschaft:

Nach einer Anfangsauflage von rund 200.000 Heften steigt ab Ende des Jahres die Auflage um monatlich 20.000 Exemplare. Auch die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des in Stuttgart angesiedelten Verlags wächst durch die Erweiterung der Produktpalette um Sachbücher und Musikkollektionen: von 28 im Gründungsjahr auf einen Höchstwert von rund 550 im Jahr 1979. Die Einführung neuer Technologien und die Verlagerung von Tätigkeiten an externe Partner wird später dafür sorgen, dass die Zahl der Mitarbeitenden mit den Jahren dann wieder sinkt.

Der Aufschwung der 1950er-Jahre spiegelt sich auch in der Themenauswahl, die stark in die Zukunft gerichtet ist: Es geht um Weltraumerkundung („Gibt es Leben auf dem Mars?“), die ersten Computer und immer wieder um die Frage, wie eine gute Zukunft für alle gelingen kann. Zum zehnjährigen Bestehen des Magazins im September 1958 lobt Bundeskanzler Konrad Adenauer das Bemühen von Reader’s Digest, inmitten des Kalten Krieges völkerverbindende Gedanken zu verbreiten. Für seinen Nachfolger Ludwig Erhard ist Reader’s Digest sogar die „Zeitschrift des gesunden Menschenverstandes“. Neben politischen Artikeln sind vor allem Beiträge beliebt, welche die Kunst des guten Lebens behandeln und den Menschen zu mehr Selbstbewusstsein, Optimismus oder gelungenen Beziehungen verhelfen.

Brisante Themen und gute Lösungsansätze

Wie groß die gesellschaftliche Relevanz von Reader’s Digest ist, wird spätestens im März 1968 klar: Der Artikel „Was die Zigarettenreklame nicht zeigt“ klärt darüber auf, dass Rauchen zu Krebs führen kann. Die Folge: Viele Menschen hören über Nacht mit dem Rauchen auf, überzeugen Freunde und Familie, es ihnen gleichzutun. Schon früh ist der Austausch mit den Menschen wichtig für das Magazin: Ab 1966 sind die Leserinnen und Leser aufgefordert, persönliche Anekdoten für die Rubrik „Menschen wie du und ich“ einzusenden. Das lassen sie sich nicht zweimal sagen: Rund 2000 Zuschriften erreichen jeden Monat die Redaktion.

Zugleich scheut Das Beste keine brisanten Themen. Bereits in den 1960er- und 1970er-Jahren geht es um Umweltverschmutzung, ein Jahrzehnt später um das Waldsterben, Trinkwasserknappheit und die Aids-Epidemie. Nach dem Reaktor­unglück von Tschernobyl 1986 wird über Kernenergie diskutiert, und bereits 1989 weist das Magazin auf eine drohende Klimakatas­trophe hin. Dabei prangert Reader’s Digest nicht nur Missstände an, sondern zeigt immer auch Lösungen auf.

Seiner Zeit schon immer weit voraus

Mitunter zeigt sich Das Beste regelrecht visionär: In der Januar-Ausgabe 1979 wird der Mauerfall vorhergesagt – sogar das Jahr bewahrheitet sich: „Neulich träumte ich vom Ende der Berliner Mauer“, schreibt der Autor. „Es war im Jahr 1989. Überall erschienen Ost- und Westberliner in hellen Scharen und rissen sie nieder.“ Nachdem die Mauer im November 1989 tatsächlich fällt, verteilen Mit­arbeiterinnen und Mitarbeiter des Verlags kostenlos mehr als eine Million Magazine in ostdeutschen Städten. Und Das Beste kommt an: Mitte der 1990er-Jahre stammt bereits rund ein Viertel der Leserinnen und Leser aus den neuen Bundesländern.

Auch im neuen Jahrtausend nimmt sich Reader’s Digest weiterhin der drängenden Fragen der Zeit an, wie etwa der zunehmenden Digitalisierung des Alltags oder ökologischen Problemen. Dabei können sich die Leserinnen und Leser stets darauf ver­lassen, dass stimmt, was drin steht: Bevor ein Artikel in Druck gehen kann, wird er einem sorgfältigen Faktencheck unterzogen – jedes Detail wird mithilfe verlässlicher Quellen geprüft.

Dies ist nicht nur bei wissenschaft­lichen Themen wichtig, sondern auch bei Beiträgen, in denen es um Schicksale geht. Monat für Monat kommen in Rubriken wie „Helden“ und „Gute Nachrichten“ Menschen aus aller Welt zu Wort, die durch ihr außergewöhn­liches gesellschaftliches Engagement auffallen: Sie üben Ehrenämter aus, haben andere aus großer Gefahr gerettet oder setzen sich für die Umwelt und ihre Mitmenschen ein.

Auch nach 75 Jahren gelingt es Reader’s Digest, seine optimistische Grundhaltung zu bewahren. Und voller Zuversicht nach vorn zu blicken.

 

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