Der andere Enkeltrick
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Großelternschaft ist eine Zeitmaschine. Plötzlich wird man aus seinem gewohnten Leben gerissen und in die Vergangenheit zurückgeschleudert. Man findet sich in Szenen wieder, die man zuletzt 30 Jahre zuvor erlebt hat. „Ah, stimmt ja“, fiel mir letzte Woche zunächst „der alte Zwei-Tücher-Trick“ wieder ein: Wie alle Eltern wissen – und alle Großeltern sich erinnern müssen –, trägt man quasi unentwegt ein Taschentuch für die Nase des Kleinkindes in der einen und eines für die eigene in der anderen Tasche. Kleinkinder sind nämlich eine wandelnde Petrischale, sie ziehen Keime an wie ein Hund Flöhe und geben diese an Sie weiter. Der Nachwuchs hat ständig eine laufende Nase – und so haben Sie diese auch! Ich frage mich, wie Menschen mit Drillingen damit umgehen. Vermutlich beschriften sie ihre Taschen: Kind eins, Kind zwei, Kind drei, ich.
Als Nächstes lauert die alte Verlockungsfalle: Sie haben Ihr Mittagessen gegessen, während das Enkelkind lediglich von seinem Teller nascht. Nach dem Essen räumen Sie dann „auf“, indem Sie alles essen, was auf dem Kinderteller übrig ist. Wer hätte gedacht, dass das Großvaterdasein zu einer so deutlichen Gewichtszunahme führen würde?
Und schließlich wäre da noch das Thema Ausrüstung: Ich hatte vergessen, wie viel Zeugs man für den kürzesten Ausflug braucht. Es gibt Exkursionen zum Everest, die mit weniger Equipment auskommen. Wir beladen den Kinderwagen mit Vorräten, Milchflaschen und Feuchttüchern, Wasserbechern und Wechselkleidung. Es gibt Pullover, falls es kalt wird, und Kappen, falls es heiß wird und die Sonne scheint.
All diese Gegenstände werden aus der viel größeren Sammlung im Basislager ausgewählt, die nur eine Wanderausstellung der größeren Präsentation von Artefakten im Zuhause des Enkels ist. Irgendwann – nachdem man den Kinderwagen, den Hochstuhl, den Autositz, die Wickelauflage, die Spielzeugkiste, das Laufrad, das Reisebett und Duplo-Steine im Ausmaß des eigenen Körpergewichts eingepackt hat – macht man sich eine mentale Notiz, Aktien dieses Babyausstatters zu kaufen.
Viele Menschen träumen davon, ihre späten Zwanziger noch einmal zu erleben, stellen sich ausschweifende Nächte vor, in denen sie mit anderen in pulsierenden Nachtclubs flirten. Sie sehnen sich nach der Zeit, als jugendliche Vitalität durch jede Zelle ihres Körpers strömte. Doch das wird nie passieren. Man kann nicht wieder dorthin zurückkehren.
Aber als Großeltern können Sie zumindest Ihre frühen Dreißigerjahre noch einmal erleben: Erstaunlich ist, dass die Szenen originalgetreu nachgespielt werden! Neulich nahm mein Enkel einen Buntstift und malte ein Kunstwerk an die Wohnzimmerwand – genau dasselbe Motiv wie das, das sein Vater 30 Jahre zuvor an eine andere Wand gekritzelt hatte. Es war genauso schwierig, es abzuschrubben. Warum ist es über Generationen hinweg immer ein Hase und immer an so prominenter Stelle?





