Was für ein Glück!
Lesen Sie hier die Geschichte von sechs schicksalshaften Fügungen, die Leben komplett verändert haben.

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Perfektes Timing
Tuan Pham war stolz auf sich, als er den letzten Abschnitt des Long Beach Halbmarathons in Südkalifornien, USA, vor sich sah. An diesem 15. Oktober 2023 nahm der 47-Jährige bereits zum siebten Mal an dem Lauf teil, und konnte es kaum erwarten, an der Ziellinie mit seinem Sohn zu feiern – der Teenager war schon vorgeprescht. Pham machte noch ein oder zwei Schritte. Das ist das Letzte, woran er sich erinnert.
Er weiß nicht mehr, dass er taumelte und mit dem Gesicht voran auf der Piste aufschlug, wo er regungslos liegen blieb, während die anderen Läufer um ihn herumliefen. Herzschlag und Atmung hatten ausgesetzt. Er war klinisch tot. Drei verstopfte Arterien hatten sich verschworen und wollten ihm den Garaus machen. Wenn nicht bald Hilfe kam, wäre es das Ende.
Laut American Heart Association, einer US-amerikanischen Organisation, die sich mit der Vorbeugung und Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen beschäftigt, liegt die Wahrscheinlichkeit, einen Herzinfarkt außerhalb eines Krankenhauses zu überleben, bei unter 12 Prozent. Pham hatte nur eine Chance: Jemand, der sich auskannte, müsste in der Nähe sein.
Wie es der Zufall wollte, verließ Ryan Chiu, Herzchirurg, ein paar Meter entfernt ein Restaurant – genau in dem Moment, in dem Pham zu Boden ging. Chiu erkannte sofort den Ernst der Lage. Er rannte zu dem Sportler und begann mit der Herzdruckmassage und bat einen Umstehenden damit fortzufahren, während er im Krankenhaus anrief: Sie sollten umgehend einen Operationssaal vorbereiten und ein OP-Team zusammenstellen. Es war ein Notfall!
Wenige Minuten später brachte man Pham ins Krankenhaus, wo Chiu erfolgreich eine dreifache Bypass-Operation durchführte. Pham geht es wieder gut – so gut, dass er zur Strecke des Halbmarathons zurückkehrte und dort weitermachte, wo er aufgehört hatte. Diese Chance hat Pham bekommen, weil das Schicksal eingriff: Chius Freund forderte ihn nach dem Brunch auf, noch ein paar Minuten den Blick aufs Meer zu genießen. Hätte der Arzt das Restaurant wie geplant direkt nach dem Essen verlassen, wäre er nicht Zeuge des Sturzes geworden. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass der erste, der mich hinfallen sah und mir zu Hilfe eilte, ein Herzchirurg war“, sagt Pham erstaunt. „Das ist wie ein Sechser im Lotto.“
Falsche Nummer, richtiger Mann
Brenda Rivera aus Augusta im US-Bundesstaat Georgia stieß beim Lesen der Bibel auf den Brief an die Philipper 2,3. Der Vers war mehr als nur ein schöner Gedanke: Er war ein Leitfaden fürs Leben, der sie sofort ansprach. Sie griff nach ihrem Handy und gab den Text ein, um ihn mit einer Freundin zu teilen. Doch bevor sie ihn abschicken konnte, kam Arbeit dazwischen, und sie legte ihr Handy beiseite. Sie würde erst später am Abend dazu kommen, die Nachricht zu senden.
Im mehr als 1000 Kilometer entfernten Dayton, Ohio, starrte Isaiah Stearns frustriert auf sein Handy. Er hatte gerade ein Mobiltelefon gekauft und zuhause festgestellt, dass die Nummer nicht funktionierte. Er fuhr zurück zum Laden und tauschte es gegen ein anderes Telefon mit funktionierender Nummer. Eine halbe Stunde später erhielt er seine erste Textnachricht. Sie lautete: „Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut achte einer den andern höher als sich selbst.“
Stearns lächelte und schrieb zurück: „Amen.“ Dann fügte er noch hinzu: „Wer ist da?“
Die Nachricht, die ursprünglich für Riveras Freundin gedacht war, landete irrtümlich bei Stearns. Ein Fehler, der ihre beiden Leben für immer verändern sollte.
Sie schickte ihm eine Entschuldigung. Er antwortete: „Wir kennen uns nicht, aber der Text sagt mir, dass Sie an Gott glauben. Das finde ich toll.“ Dann fragte er, ob sie Lust hätte, mit ihm zu telefonieren.
Schon bald redeten die beiden jeden Tag miteinander, und aus der jungen Freundschaft wurde Liebe. Doch die zwei hatten sich noch nicht persönlich kennengelernt. Riveras Mutter lebte zufällig in der Nähe von Stearns in Ohio. Sie bot ihrer Tochter an, sich mit ihm zu verabreden, um ihr von ihrem Eindruck zu berichten. Im Restaurant unterhielt sie sich lebhaft mit Stearns. Er erzählte von sich, und Riveras Mutter beantwortete ihm seine Fragen über ihre Tochter.
„Auf einer Skala von 1 bis 10, was gibst du ihm?“ fragte Rivera ihre Mutter anschließend am Telefon. „Eine 11!“, rief diese begeistert. „Du wirst diesen Mann heiraten.“ Und das tat Rivera. Vier Monate nach der fehlgeleiteten Textnachricht im Jahr 2009 verlobten sie sich mit Stearns, 2010 heirateten die beiden. Inzwischen haben sie sechs Kinder. Wenn Rivera also nicht plötzlich mit Arbeit überhäuft worden wäre, der Telefonanbieter keinen Fehler gemacht hätte und Stearns sein Handy nicht sofort umgetauscht hätte, hätten sie nie voneinander erfahren.
Bester Sitzplatz in der Arena
Mehr als 18.000 Eishockeyfans strömten im Oktober 2022 zum ersten Heimspiel der Seattle Kraken in die Climate Pledge Arena in Washington, USA. Währenddessen legte Brian Hamilton, stellvertretender Ausrüstungsmanager der gastierenden Vancouver Canucks, die Eishockeyschläger, Masken und Wasserflaschen für das Team bereit. Bei seiner Arbeit nahm Hamilton keine Notiz von Nadia Popovici, die sich auf den Platz hinter ihm im Zuschauerbereich setzte. Auch sie schenkte dem Mann auf der anderen Seite der Plexiglas-Scheibe keine große Aufmerksamkeit. Doch das sollte sich bald ändern.
Nach der Hälfte des Spiels fiel Popovici etwas an Hamilton auf: Sie erkannte an seinem Nacken ein dickes rötliches Muttermal mit unregelmäßigen Rändern. Als freiwillige Helferin im Krankenhaus und angehende Medizinstudentin hatte sie solche Male schon oft gesehen: Es handelte sich um schwarzen Hautkrebs. Da war sie sich sicher.
Sie wusste zunächst nur nicht, wie sie Hamilton ansprechen sollte. Als sich dieser in einer Pause in der Nähe des Spielfeldes aufhielt, klopfte Popovici in ihrem Kraken-Outfit schließlich an die Verglasung, schrieb eine Nachricht in ihr Handy und hielt es an die Barriere: „Der Leberfleck an Ihrem Nacken könnte bösartig sein. Es wäre gut, ihn einem Arzt zu zeigen!“ Hamilton blickte nur kurz auf die hell erleuchtete Nachricht. Seltsam, dachte er. Dann ging er weiter, wobei er sich mit einem unguten Gefühl über den Nacken rieb.
Ein paar Tage später konsultierte er einen Arzt. Dieser hielt den Leberfleck ebenfalls für bedenklich und ordnete eine Biopsie an. Das Ergebnis war positiv: ein malignes Melanom im Stadium II. Es war lebensbedrohlich, wenn es nicht behandelt würde. Hamilton ließ den Tumor entfernen, und seine Prognose ist ausgezeichnet. „Sie hat mich rechtzeitig gewarnt“, weiß Hamilton. „Wenn ich das noch vier bis fünf Jahre ignoriert hätte, wäre ich laut Arzt heute nicht mehr hier.“
Beim nächsten Spiel der Canucks gegen die Kraken konnte Hamilton seinem Schutzengel persönlich danken. Er sagte Popovici auch, wie froh seine Mutter sei, dass die junge Frau die Initiative ergriffen hätte. „Ich erwarte keinen Dank“, so Popovici. „Unsere Wege haben sich einfach zum richtigen Zeitpunkt gekreuzt.“
Mutter gefunden
Sue Cleaver hätte nie geglaubt, einmal ihre leibliche Mutter kennenzulernen. Cleaver ist Schauspielerin und für ihre Rolle in der britischen Fernsehserie Coronation Street bekannt. Direkt nach ihrer Geburt wurde die heute 61-Jährige von einer Familie adoptiert, die sie liebevoll aufnahm und in der sie sich geborgen fühlte. Alles, was sie über ihre Herkunft wusste, war, dass sie im Norden Londons geboren wurde und ihre leibliche Mutter Lesley Sizer Grieve hieß. Sie spürte nicht den Drang, mehr über ihre Herkunft zu erfahren, aber sie hatte manchmal noch Schwierigkeiten mit ihrer Identität.
„Es machte mir zu schaffen, mich nie in einer anderen Person wieder zu erkennen“, schreibt Cleaver in ihren Memoiren.
Das sollte sich mit Anfang 20 ändern. Als Cleaver eine Rolle in einer Inszenierung von Ödipus Rex bekam. Ein Schauspielkollege, Michael N. Harbour, traute seinen Augen nicht, als er sie zum ersten Mal sah. „Mein Gott“, sagte er zu einem Bühnenmanager, „sie ist das Ebenbild meiner Frau, als ich sie kennenlernte.“ Auf einer Party nach einem Drehtag kamen die beiden Schauspieler ins Gespräch und verstanden sich auf Anhieb.
„Ich war regelrecht besessen von ihm und seiner Familie, ohne zu wissen, warum“, schildert Cleaver die Begegnung. Harbour fragte Cleaver, woher sie komme. „Aus dem Norden Londons“, sagte sie, „aus Barnet“. Überrascht zog er die Augenbrauen hoch und fragte sie nach ihrem Geburtstag.
„2. September 1963.“
Harbour atmete tief durch. Cleavers Geschichte passte exakt zu der seiner Frau Lesley Sizer Grieve. Als Teenager hatte Grieve eine Tochter geboren, die sie Claire nannte, und zur Adoption freigab. Fünf Jahre später hatte sie Harbour geheiratet, und mit ihm zwei Töchter bekommen. Nachdem Harbour mit seiner Frau geredet hatte, sprach er Cleaver darauf an. Sie war zunächst skeptisch. Aber da sie den ungewöhnlichen zweiten Vornamen ihrer Mutter kannte, fragte sie ihn danach.
„Ihre Mutter heißt Lesley Sizer Grieve“, gab er zur Antwort. Cleaver war überwältigt. Und außer sich vor Freude. Sie nahm Harbours Angebot an, ein Treffen mit ihrer Mutter in einem Hotel zu arrangieren. Als sich die beiden sahen, fielen sie sich wortlos in die Arme. „Wir wussten nicht so recht, wie wir uns verhalten sollten – es war, wie wenn man sich verliebt“, beschreibt Cleaver den Moment.
Flut überlebt, Liebe gefunden
August 2004: Jessica, damals Studentin an der Virginia Commonwealth University, USA, wartete vor der Campus-Sporthalle auf ihre Mitfahrgelegenheit, die nirgends zu sehen war. Justin kam aus der Halle und bot ihr an, sie mitzunehmen, da es wie aus Eimern schüttete – ein Ausläufer des Tropensturms Gaston, der in Richmond, Virginia, verheerende Schäden anrichtete. Jessica hatte Justin vor ein paar Tagen auf der Orientierungsveranstaltung zum ersten Mal gesehen.
Aus den Eimern wurden Fässer, und Justin, der neu in der Stadt war, bog falsch ab. Die beiden landeten im Zentrum mitten im Berufsverkehr. Durch das steigende Hochwasser und stehengelassene Autos kamen sie kaum voran. Als sie dachten, es könnte nicht schlimmer werden, schwappte eine Welle über Justins Auto, drang in den Motor ein und presste Regenwasser durch die Lüftungsschlitze. Plötzlich saßen sie hüfthoch im Wasser, das weiter anstieg. Sie mussten raus aus dem Wagen. Mit einem Ruck öffnete Justin die Beifahrertür und schob Jessica hinaus.
Sie kämpften sich durch das reißende Wasser und Treibgut bis zu den Stufen eines nahegelegenen Bahnhofs. In den nächsten Stunden halfen sie, dort andere Menschen in Sicherheit zu bringen, bis ein Zug die Gestrandeten in höher gelegene Gebiete brachte. Als sich Justin und Jessica durchnässt und vor Kälte zitternd ein Sandwich und ein Bier teilten, knisterte es zwischen ihnen.
„Ich gehöre zu den Menschen, die ein Zeichen brauchen, und ich dachte: ‚Verdammt, wenn das jetzt nicht ein Zeichen Gottes ist, bin ich eine Närrin‘“, sagt Jessica. Wäre Justin nicht falsch abgebogen, wären die beiden wohl nicht ins Hochwasser geraten und hätten vielleicht nie wieder miteinander gesprochen. Stattdessen waren sie vier Jahre später verheiratet. „Ich habe ein Auto verloren, aber eine Frau gewonnen“, fasst Justin zusammen.
Die Lotterie
Bei Glücksspielen dreht sich naturgemäß alles ums Glück. Die nächsten beiden Geschichten zeigen, dass eine Extraportion davon manchmal nicht schadet.
Vor ein paar Jahren zahlte LaQuedra Edwards in einem Supermarkt in Tarzana im US-Bundesstaat Kalifornien 40 US-Dollar in einen Lotterieautomaten ein, um vier Lose für je zehn Dollar zu kaufen. Als sie auf den Knopf drücken wollte, stieß ihr ein vorbeigehender Mann gegen den Arm, sodass sie versehentlich den falschen Knopf erwischte und ein 30-Dollar-Rubbellos kaufte – viel teurer als das, welches sie sonst nahm.
Frustriert verließ sie den Laden, stieg in ihr Auto und musterte den Schein. Er hatte zehn Zahlen und 35 Quadrate zum Rubbeln. Mit jeder Zahl, die mit einem Feld übereinstimmte, würde sie zwischen zehn Dollar und zehn Millionen Dollar gewinnen. Sie zog eine Münze aus ihrem Portemonnaie und rubbelte das erste Feld frei. Keine Übereinstimmung. Das nächste Feld. Nichts. Sie rubbelte weiter, und ihre Hoffnung sank mit jeder weiteren Niete.
Endlich hatte sie einen Treffer. Sie hörte auf zu rubbeln und holte tief Luft. Dann legte sie sich den Schein auf den Schoß und fuhr nach Hause, wobei sie immer wieder einen Blick darauf warf.
Der zufällige Stoß durch den unhöflichen Kerl war vielleicht der profitabelste Zusammenprall aller Zeiten. Der Schein, den sie nicht wollte, war ein Gewinn. Ein großer Gewinn: zehn Millionen US-Dollar.
Auch Jerry Hicks erlebte beim Lottospiel eine Fügung des Schicksals: Im Oktober 2024 fand der Schreinermeister auf dem Parkplatz eines Geschäfts in Banner Elk, North Carolina, USA, einen 20-Dollar-Schein. Das Pech des einen wurde für Hicks zum Glücksfall. Er beschloss, das unverhoffte Geld in ein Los zu investieren und kaufte ein 25-Dollar-Rubbellos. Im Handumdrehen verwandelte sich der gefundene 20-Dollar-Schein in eine Million.
Jerry Hicks will seinen Gewinn nutzen, um sich zur Ruhe zu setzen und seinen Kindern unter die Arme zu greifen. „Aber zuerst“, so erzählte er lachend, „gehen wir ins Restaurant und essen alles, was sie haben“.