Deutsch-französische Straße der Freundschaft
Auf einer deutsch-französischen Ferienroute kann man Baden, den westlichen Teil des deutschen Bundeslandes Baden-Württemberg, in seiner ganzen Vielfalt erleben.

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Längst ist Gras über die Sache gewachsen. Über alte Feindschaften wie über die sternförmig angelegten Wallanlagen von Neuf-Brisach. Ludwig XIV. ließ die elsässische Stadt an der deutsch-französischen Grenze als Verteidigungsanlage errichten. Heute kann man auf den mächtigen, 2400 Meter langen Wehrmauern einmal um die Stadt spazieren und den Blick über die riesige Bastion schweifen lassen, in deren verzweigten, breiten Gräben nun Jogger friedlich ihre Runden drehen. Neuf-Brisach ist eine eindrucksvolle Station auf einer Ferienstraße, die von den Vogesen quer durchs Elsass und das südliche Baden bis nach Donaueschingen verläuft: die Route Verte oder Grüne Straße. Seit sie 1960 angelegt wurde, ist sie ein Band der deutsch-französischen Freundschaft. Die Landschaften rechts und links dieses Bands könnten abwechslungsreicher kaum sein. Weinberge, Wasser und Wälder, Städte und Schluchten, selbst Himmel und Hölle warten darauf, entdeckt zu werden. Auf dem deutschen Teil der Route kann man Baden in seiner ganzen Vielfalt erleben.
Von Neuf-Brisach nach Breisach in Deutschland ist es nur ein Katzensprung über den Rhein. Warme Mittelmeerluft, die aus dem Süden bis in sein Tal strömt, schafft hier ein optimales Klima für das angrenzende Weinanbaugebiet auf Hügeln vulkanischen Ursprungs: den Kaiserstuhl – das badische Rebengebirge für Burgunderweine. Das Grenzstädtchen Breisach, über dem das Münster thront, ist ein perfekter Ausgangspunkt für Erkundungen dieser sonnenverwöhnten Kulturlandschaft. Stimmungsvolles Licht liegt über den Weinterrassen, über deren Mauern schillernde Smaragdeidechsen huschen.
Die ganze badische Weinvielfalt an einem Ort
Jedes Dorf ein Winzerdorf, jeder Winzer ein Sonnenfänger, der seine Weine zum Verkosten anbietet. Einige Weinbauern betreiben Straußenwirtschaften, wo Elsässer Flammkuchen natürlich neben badischen Brägele (Bratkartoffeln) auf der Karte stehen. Wem es zu mühsam ist, von Weingut zu Weingut zu tingeln, der kann sich bei den Sonnenwinzern im Badischen Winzerkeller durch die badische Weinvielfalt trinken – von Tauberfranken bis zum Bodensee. „Wir bilden ein Drittel der badischen Weinlandschaft ab“, sagt Henning Johanßen vom größten Erzeugerverband Deutschlands, während er die Stahltanks im Keller passiert. „Mit jedem meiner Schritte reifen hier rund eine Million Liter Wein.“
Dort kann man in Gesellschaft von Martin Schongauer auf der Terrasse sitzen und genussvoll in die Frühsommersonne blinzeln. Gemeint ist nicht der Maler, dessen Fresken das Breisacher Münster schmücken, sondern ein nach ihm benannter Grauburgunder, eine der Premiummarken der Sonnenwinzer. Oder man tuckert mit einem Bähnchen durch den riesigen Holzfasskeller. Dabei erfahren die Besucher, dass neben dem Vulkangestein der fruchtbare Lössboden beste Voraussetzungen bietet für charaktervolle Weiß- und vollmundige Rotweine. Wer nicht älter als 70 ist, kann sogar seinen Jahrgangswein aus dem Archiv erwerben.
Die Grüne Straße ist weitgehend identisch mit der B 31, sodass man nach etwa einer halben Stunde Fahrt Freiburg erreicht. Für viele ist Deutschlands südlichste Großstadt Liebe auf den ersten Blick. Wegen ihrer Kneipen und Cafés, in denen man von morgens bis abends das Dolce Vita zelebrieren kann; ihrer Lässigkeit als Studentenstadt; der einmaligen Lage zwischen Schwarzwald, Vogesen und Jura; ihrem Münster, dessen durchbrochene Turmspitze den Himmel berührt. Das Gotteshaus wacht über die Gläubigen wie über das irdische Markttreiben rund um seine wuchtigen Mauern. Und nicht zuletzt besticht Freiburg durch seine liebenswerten Bächle – offene Wasserläufe, die seit dem Mittelalter durch die Gassen fließen. Im Sommer kühlen sie nicht nur die Stadt, sondern auch heiße Füße. Während man dabei an einem Glas badischen Wein nippt oder ein Eis schleckt, schwimmt hin und wieder ein kleines Boot vorbei, das ein Kind auf Reisen geschickt hat.
Das weite Tal des Flüsschens Dreisam wird immer enger, je weiter die Reisenden Freiburg Richtung Osten hinter sich lassen. Vor ihnen liegen nun die Schwarzwaldhöhen. Vorbei am Weiler Himmelreich rauscht man direkt hinein ins Höllental. Dunkelgrüner Nadelwald übernimmt nun das Regiment. Französische Truppen quälten sich einst ebenso durch dieses Tal mit seinen bis zu 600 Meter hohen Steilhängen und klammartigen Engstellen wie Postkutschen und die Wiener Kaisertochter Marie Antoinette auf ihrer Brautreise nach Paris. Fast alle Durchzügler machten Station beim Hofgut Sternen – heute fast ein kleines Schwarzwalddorf aus historischen und neuen Gebäuden. Auch Goethe bettete hier, am Fuß der Ravennaschlucht, sein Haupt.
„Höchste Zeit für eine Schwarzwälder Kirschtorte, aber nur für die Erwachsenen“, scherzt ein Familienvater, worauf die Kinder lautstark protestieren. Die Mutter möchte vorher noch einen Abstecher in die Manufaktur machen, wo man Glasbläsern bei dem alten Handwerk aus dem Schwarzwald zuschauen kann.
Wer gerne die Wanderstiefel schnürt, kommt auf dieser Etappe auf seine Kosten – hinein in die wildromantische Ravennaschlucht mit ihren Wasserfällen oder hinauf auf den fast 1500 Meter hohen Feldberg. Die Grüne Straße windet sich unterdessen in Kehren immer höher bis nach Hinterzarten. Am Waldrand zeichnen sich die hellen Bänder der Skisprungschanzen ab. Alles an diesem Schwarzwaldort ist Wintersport, selbst im Sommer – von Skimuseum bis Sommerspringen. Ende Juli, Anfang August kann man diese etwas surreal anmutende Veranstaltung miterleben.
Zurück in den Frühsommer dauert es keine zehn Minuten. Tiefblau und glasklar liegt der von Wald gesäumte Titisee unter der Sonne und lockt mit einem Badestopp. Herrlich erfrischend ist das Wasser auf 850 Metern, alternativ mietet man sich ein Tretboot und strampelt damit über den See. Und wer noch nach Souvenirs Ausschau halten will: Titisee ist geballter Schwarzwald, die Auswahl an Kuckucksuhren und Schwarzwälder Schinken enorm.
Am Urspung des längsten Flusses Mitteleuropas
Hinter Titisee verlässt die Grüne Straße das dunkle Waldreich und führt auf eine Hochebene. Nichts deutet hier darauf hin, dass sich wenige Kilometer südlich die Wutachschlucht, Deutschlands größter Canyon, durch hohe Felswände und eine urwaldähnliche Kulisse gräbt. Trittsicheren Wanderern bietet sie ein unvergessliches Naturerlebnis. Die Grüne Straße endet in Donaueschingen. In jener Stadt, in der mit perlenden Wasserbläschen die Donau geboren wird. Ihre Quelle neben dem Fürstlich Fürstenbergischen Schloss ist von einem Ziergitter und einer Balustrade gefasst wie ein kostbarer Edelstein. Am Ursprung des längsten Flusses Mitteleuropas zu stehen, ist bewegend. Viele Besucher werfen Münzen in den Quelltopf, in der Hoffnung, dass Wünsche in Erfüllung gehen.
Regenwasser aus dem Schwarzwald sprudelt aus dieser Quelle, die nur eine von mehreren ist. Der Donauquellbach fließt in die Brigach, die sich am Donau-Ursprung, einer renaturierten Flussaue, mit der Breg zur eigentlichen Donau vereint. Von dort macht sich der Fluss auf seine lange Reise durch zehn Länder – vom Schwarzwald zum Schwarzen Meer – im besten Fall als blaues Band der Freundschaft zwischen Nationen.