Norddeutsche Perle: das Osnabrücker Land
Unterwegs im Osnabrücker Land zu prächtigen Gärten, bildschönen Bauernpalästen, einer historischen Schlacht und einem wegweisenden Friedensschluss.

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Ein Brustpanzer aus Metallschienen über einem knielangen weißen Gewand, ein Helm mit Kinn- und Wangenschutz, die bloßen Füße in Ledersandalen und in der Hand ein Kurzschwert. Richtig, das ist ein römischer Legionär. Was hat der aber auf einer Parkwiese in Bramsche, einem kleinen Ort in Niedersachsen zu suchen?
Wenige Kilometer nördlich von Osnabrück, in Kalkriese bei Bramsche, soll sich einst Legendäres abgespielt haben: die große Schlacht zwischen dem römischen Heerführer Varus und dem Germanenführer Arminius – jenes Gefecht, welches die Römer endgültig davon überzeugte, dass der Norden Europas ihre Herrschaft nie akzeptieren würde. Drei römische Legionen sowie sechs Hilfstruppen sollen hier geschlagen worden sein. So vernichtend, dass die Nummern der bezwungenen Legionen – XVII, XVIII und XIX – nie wieder vergeben wurden.
Die Region Osnabrücker Land erstreckt sich von der Westfälischen Bucht über den Teutoburger Wald bis ins Artland im Norden und besticht durch ihre große Landschaftsvielfalt. Neben Höhenzügen lassen sich dort Moränenlandschaften, Flussauen und einzigartige Moore erwandern und erradeln. Wirtschaftliches Zentrum ist Osnabrück.
War die Varusschlacht nicht doch im Teutoburger Wald?
Aber fand die berühmte Varusschlacht denn in Bramsche statt und nicht im Teutoburger Wald? Dort, wo heute das Hermannsdenkmal steht? Stefan Burmeister, Geschäftsführer des Museums Kalkriese, lacht. „Natürlich führen wir in Kalkriese nur einen Indizienprozess, weil der endgültige Beweis noch fehlt. Aber während wir hier viele römische Hinterlassenschaften gefunden haben, wurde in der Nähe des Hermannsdenkmals bislang gar nichts entdeckt, was mit der Schlacht in Verbindung stehen könnte“, sagt der Archäologe. Er weiß aber noch einen anderen Grund, warum Varus seine Legionen vermutlich in Kalkriese verlor: „Unsere Knochenfunde zeigen, dass hier Menschen gewaltsam ums Leben kamen und einige Jahre unbestattet auf der Erde lagen.“ Erst Germanicus mit seinen Legionen habe später die Toten beerdigt.
Wegweisend: der Westfälische Friedensschluss
Im Museum und Park Kalkriese kann man nicht nur als Germanen und Römer verkleidete Besucher antreffen. Zahlreiche römische Münzen aus der Zeit vor der Varusschlacht sowie Fragmente von Waffen und Rüstungen sind dort ausgestellt. 15 Kilogramm Ausrüstung schleppte ein römischer Elitesoldat damals mit sich herum: Helm, Brustpanzer, Dolch, Schild, zwei Wurflanzen, Kurzschwert.
2018 vermeldeten Archäologen einen Sensationsfund: den weltweit einzigen, fast komplett erhaltenen Schienenpanzer eines römischen Legionärs. Seitdem hat das Museum in Kalkriese eine Sonderausstellung mehr: „Cold Case – Tod eines Legionärs“. Warum solche Funde im Norden Europas eher selten sind, erklärt Caroline Flöring auf ihrer Tour durch das Museum: „Die Römer besaßen viele Rohstoffe, die Germanen dagegen nicht. Also wurde nach den Kämpfen alles geplündert, was verwertbar schien.“
Wer genug hat von Kriegen und Schlachten, findet in Osnabrück Frieden. Berühmtheit erlangte das Alte Rathaus aus dem 15. Jahrhundert. Hier tagte zwischen 1643 und 1648 ein Teil jener Delegationen, mit deren Vertragsabschluss der Dreißigjährige Krieg sein Ende fand. Der „Westfälische Friede von Osnabrück und Münster“ war wegweisend, weil sich das christliche Abendland damit eine neue Ordnung gab, die auf Verträgen und dem Völkerrecht beruhte – ausgehandelt von mehr oder weniger gleichberechtigten Staaten.
Noch älter als das geschichtsträchtige Rathaus ist der Dom St. Petrus aus dem 13. Jahrhundert. Der benachbarte Marktplatz mit seinen alten Patrizierhäusern und dem Kopfsteinpflaster lädt zum Bummeln und Einkehren ein. Die Altstadt schmücken sowohl Häuser mit Barock- und Jugendstil-Elementen als auch Gebäude im Stil der Weserrenaissance mit ihren offenen Arkadengängen und reich verzierten Treppengiebeln.
Wunderbar: die Gartenvielfalt von Schloss Ippenburg
Neugotisch präsentiert sich Schloss Ippenburg unweit des beschaulichen Kurstädtchens Bad Essen. Für Besucher öffnet die seit 600 Jahren hier ansässige Familie gerne die Tore zu ihren prächtigen, 60 000 Quadratmeter großen Gärten. Im Frühjahr blüht dort ein Meer aus Narzissen und Tulpen, im Sommer lassen sich ein Mundraubgarten, ein Küchengarten, das Rosarium und ein Wildnisareal bewundern.
Rund 40 Kilometer weiter südwestlich liegt Schloss Iburg, das man auch von innen besichtigen kann. Im barock gestalteten Rittersaal staunen Besucher über das Deckengemälde mit seiner perspektivischen Scheinarchitektur. Es erzeugt die Illusion, in einem antiken Tempel zu stehen – behütet vom Göttervater Zeus persönlich.
Wie gemalt wirken auch viele der kleinen Siedlungen in der Region Artland bei Quakenbrück, etwa eine Autostunde nördlich von Osnabrück. Wiesen, Weiden, Äcker, Wäldchen und die Flussauen der Hase bilden hier eine faszinierend schöne, weithin ebene Parklandschaft, die sich wunderbar für eine Entdeckungsreise per Fahrrad eignet. Etwa auf der Giebeltour, der Ackerschnacker-Tour oder der Artland-Tour. Das Besondere am Artland aber sind die alten, prachtvollen Bauernhäuser.
In Badbergen lebt das Ehepaar Elting-Bußmeyer auf einem solchen Hof. Charakteristisch für diese Fachwerkhäuser sind die Giebelseiten, die mehrfach über die Grundmauern vorspringen. Zur Hofanlage gehören unter anderem ein Backhaus mit einem uralten Lehmofen, ein Torhaus sowie ein Heuerhaus, in dem früher die Knechte und Mägde wohnten.
Das Ehepaar hat die Landwirtschaft aufgegeben. Heute konzentriert es sich mit der Tochter auf die Gastronomie in ihrem liebevoll eingerichteten Café-Restaurant im Backhaus und auf der Festdiele, die von mehr als 200 Jahre alten Eichen, Buchen, Linden, Goldulmen und Kastanien umgeben sind.
In ihren Wohn- und Gasträumen stehen Holztruhen aus dem 16. Jahrhundert, an der Feuerstelle prangen original Delfter Kacheln mit ihren typischen blauen Ornamenten. Im ehemaligen Stall spenden Lampen auf Wagenrädern Licht, und das Buffet für die Gäste wird auf uralten Backtischen serviert.
Wasserreich: das malerische, bäuerliche Artland
Woran aber liegt es, dass die Bauernhäuser im Artland eher herrschaftlich reich als als bäuerlich arm anmuten? Albrecht Bußmeyer erklärt: „Das Artland ist sehr wasserreich, und der Plaggenesch, ein besonderer Bodentyp, der fast nur in Nordwestdeutschland vorkommt, bringt üppige Kornernten hervor.“ Er entstand durch Plaggendüngung. Dabei wurde der nährstoffarme Sandboden als Einstreu in den Ställen genutzt und anschließend mit Mist, Asche und Küchenabfällen auf die Felder gebracht. Auf diesem Land konnten Bauern reich werden.
Ebenso wie gut 1000 weitere Hofanlagen im Artland steht auch der Elting-Bußmeyer-Hof unter Denkmalschutz. „Bedauerlich ist nur, dass man in den 1970er-Jahren bei Straßen- und Stadtsanierungsmaßnahmen einige dieser Häuser einfach abgerissen hat“, klagt Marianne Bußmeyer kopfschüttelnd. Sie und ihr Mann können sich jedenfalls kein schöneres Zuhause vorstellen als ihr fast 300 Jahre altes Refugium im Artland des Osnabrücker Lands.
Tipps fürs Osnabrücker Land
Quakenbrück
Die kleine, mittelalterlich geprägte Stadt mit etwa 100 Fachwerkhäusern und romantischen Altstadtwinkeln ist einen Besuch wert. Die Sehenswürdigkeiten, darunter drei mittelalterliche Burgmannenhäuser, sind durch einen „Froschpfad“ verbunden.
Tel. 0 54 31/18 20
www.artland.de
Burg Dinklage
In der ältesten Wasserburg Norddeutschlands wohnen Benediktinerinnen. Sie haben gerne Gäste und können Wissenswertes nicht nur über ihr Leben als Nonnen erzählen.
Tel. 0 44 43/51 30
www.abteiburgdinklage.eu
Dörenther Klippen
Die Klippen gehören zu den schönsten Wanderzielen im Teutoburger Wald. Hauptattraktion unter den steinernen Kuppen ist ein als hockendes Weib bezeichneter Felsen. Wanderer können geführte Touren buchen.
Tel. 0 54 82/92 91 82
www.tecklenburger-land-tourismus.de
Schloss Ippenburg
Der Schlossgarten gilt als kleines Stück England und ist einer der vielfältigsten und größten Privatgärten Deutschlands. Besucher können ihn von Mai bis Mitte August an allen Sonn- und Feiertagen bewundern.
Tel. 0 54 72/18 93
www.ippenburg.de
Museum Vechta
Das „Castrum Vechtense“ ist eine mittelalterliche 3-Insel-Burganlage aus dem 11. Jahrhundert. Besichtigt werden können der Zitadellenpark sowie das Museum im Zeughaus mit seinen jahrhundertealten Geschichten und Artefakten. Barrierefrei.
Tel. 0 44 41/9 30 90
www.museum-vechta.de
Römische Badekultur
In der carpesol Spa Therme in Bad Rothenfelde lässt es sich auf mehr als 8000 Quadratmetern wunderbar entspannen. Es gibt dort römische Bäder sowie irische Heißluftbäder.
Tel. 0 54 24/2 21 46 00
www.carpesol.de
Germanenland
In dem Ferien- und Themenpark am Alfsee in Rieste wohnt man bei Schiffsbauer Haki oder Knochenschnitzer Bernward in rustikalen, individuell eingerichteten Häusern im germanischen Baustil. Sie besitzen ein Reetdach und massive Holzwände, bieten innen aber zeitgemäßen Komfort.
Tel. 0 54 64/9 21 20
www.alfsee.de
Töpferei Niehenke
Seit 1799 existiert diese Werkstatt in Familienbesitz. Es gibt eine Ausstellung, und Besucher dürfen auch selbst kneten und modellieren. Nach getaner Arbeit wird Kaffee und Kuchen vor dem Kamin serviert, manchmal sogar mit Musik.
Tel. 0 54 05/33 13
www.niehenke.eu
Maiwoche
Das beliebte Osnabrücker Stadtfest bietet ein vielfältiges Musikprogramm unter freiem Himmel. Die Maiwoche-Meile verläuft fast zwei Kilometer durch die Altstadt und bietet neben Musik viele kulinarische Köstlichkeiten. 2024 findet das Fest vom 8. bis 20. Mai statt und wird zum 50. Mal begangen.