Welche Bräuche zum Geburtstag gibt es auf der Welt?
Rund um die Welt feiert man Geburtstage mit ganz unterschiedlichen Traditionen.

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Ein gemeinsam angestimmtes Happy Birthday, das Ausblasen von Kerzen und das Überreichen von Geschenken sind in vielen Ländern der Welt üblich – von China bis Spanien und von Frankreich bis Australien. Aber in einigen Ländern feiert man seine Liebsten auf besondere Weise. Redakteurinnen und Redakteure unserer internationalen Ausgaben verraten originelle Geburtstags-Traditionen aus ihren Heimatländern.
Kanada
Je nachdem, wie nachtragend Familie und Freunde sind, können die traditionellen birthday bumps (Geburtstagsstöße) ein gefürchtetes Ritual oder ein netter Scherz sein. Das Geburtstagskind legt sich auf den Rücken, und die Partygäste fassen es an Armen und Beinen. Dann heben sie es hoch, bevor sie es wieder hinunterlassen, bis es mit dem Hintern den Boden berührt. Alternativ fasst ein Gast den Jubilar an den Schultern und „stößt“ ihm mit dem Knie so oft in den Rücken, wie das Geburtstagskind Jahre alt wird – plus einem Stoß, der Glück bringen soll.
In manchen Gegenden werden Kinder von jemandem überrascht, der ihnen Butter auf die Nase schmiert – eine Tradition, die helfen soll, Unglück zu verhindern. Und in der französischsprachigen Provinz Québec, so Sélection-Redakteur Hervé Juste, singen die Gäste den Refrain von Gens du Pays (Leute des Landes) – einem Lied, das der Sänger Gilles Vigneault als Alternative zu Happy Birthday schrieb. Es wurde auch von der Bewegung für die Unabhängigkeit Québecs übernommen und ist zur inoffiziellen Hymne der Provinz geworden.
Mexiko
Eine Partytradition, die sich über den ganzen Globus verbreitet hat, ist das Zerschlagen einer Piñata. Mit verbundenen Augen schlagen Geburtstagskinder mit einem Stock auf einen bunten, an einer Schnur hängenden Behälter ein, bis er aufplatzt und Süßigkeiten herausfallen. Piñatas bestehen heute meist aus Pappmaché und sind in verschiedenen Formen erhältlich. Traditionell bestanden sie aus Ton und waren kugelförmig. Statt Happy Birthday singt man in Mexiko Las Mañanitas (die kleinen Morgen), ein Lied, das vermutlich aus dem 16. oder 17. Jahrhundert stammt. „Manchmal wird es morgens gesungen, um die Person, die Geburtstag hat, zu wecken“, berichtet Carlos Díaz Reyes, Redakteur der mexikanischen Ausgabe von Reader’s Digest. „Aber meistens singen wir es, bevor die Kerzen ausgeblasen werden.“
Brasilien
Im größten Land Südamerikas schneidet das Geburtstagskind nach dem Ausblasen der Kerzen und dem Aussprechen eines Wunsches ein Stück Kuchen ab und gibt es jemandem, der ihm wichtig ist – bei Kindern sind das oft die Eltern. Erwachsene kann diese Tradition vor knifflige Entscheidungen stellen. „Es ist oft unangenehm, weil man sich für eine Person entscheiden muss und die anderen enttäuscht sind“, erklärt Raquel Zampil, Chefredakteurin bei Seleçoes Reader’s Digest. Wenn das Geburtstagskind Single ist, gibt es eine weitere lustige – oder, je nachdem, wen man fragt, unangenehme – Tradition. Bevor die Kerzen auf der Torte ausgepustet werden, singen die Gäste ein Lied, in dem sie über den zukünftigen Familienstand spekulieren. „Wen wird Maria heiraten?“, singen sie beispielsweise, gefolgt von „Das hängt davon ab, ob [Name von Marias Schwarm] es will.“
Australien und Neuseeland
In Down Under werden Geburtstage in der Regel mit dem Anfeuern des Grills und dem Einladen von Familie und Freunden zum „Barbie“ (kurz für Barbecue) begangen. „Der erste Geburtstag eines Kindes wird oft mit dem sogenannten fairy bread gefeiert – mit Butter bestrichenen und mit bunten Zuckerstreuseln bestreuten Weißbrotscheiben“, sagt Reader’s Digest-Redakteurin Diane Godley. Da man früher erst mit 21 Jahren offiziell als erwachsen galt, feiern einige Familien in Neuseeland und Australien diesen Geburtstag ihrer Kinder mit einem „Schlüssel zur Tür“ – einem Symbol dafür, dass diese nun nach Belieben ein und aus gehen können.
China, Singapur & Taiwan
Die Geburtstagstraditionen sind in den Ländern mit großem chinesischen Bevölkerungsanteil sehr unterschiedlich. In der südchinesischen Provinz Fujian und in Teilen Taiwans beispielsweise markiert der 16. Geburtstag den Übergang ins Erwachsenenalter. Diese Tradition begann in der Qing-Dynastie, als junge Arbeiter nur einen halben Lohn bekamen und erst ab 16 Jahren einen ganzen.
In Singapur feiern jüngere Chinesinnen und Chinesen ihren großen Tag nach dem westlichen Kalender, während die älteren Generationen ihn eher nach dem Mondkalender begehen. In einem Punkt sind sich jedoch alle einig: eine Schüssel „Langlebigkeitsnudeln“ gehört dazu. Diese Nudeln, die manchmal in einem einzigen Strang zubereitet werden, sind ein gängiges Geburtstagsessen, sagt Simon Li, Chefredakteur der chinesischsprachigen Ausgabe von Reader’s Digest. „Nudeln sollen Gesundheit und ein langes Leben bringen, deshalb ist es ratsam, sie an seinem Geburtstag so vorsichtig wie möglich mit den Essstäbchen zu greifen, damit sie nicht zerfallen“, erklärt Li. Die chinesische Kultur legt viel Wert auf Verbindung und Harmonie, es ist deshalb nicht üblich, die Geburtstagstorte beim Anschneiden in zwei Hälften zu teilen. Stattdessen wird jedes Stück einzeln aus dem Kuchen herausgeschnitten.
Indien
Für viele Hindus ist der Geburtstag mit religiösen Ritualen verbunden. Der Tag beginnt in der Regel mit einem Tempelbesuch, bei dem Gebete gesprochen werden. Das Geburtstagskind bittet die Ältesten seiner Familie um ihren Segen, indem er sich vor ihnen verbeugt und ihre Füße berührt. „Manche Menschen tun auch etwas für wohltätige Zwecke oder spenden, um denjenigen zu helfen, die weniger Glück haben als sie selbst“, erklärt Ishani Nandi, Redakteurin bei Reader’s Digest India. Der Geburtstag ist auch ein Anlass, neue Kleidung zu tragen und seine Lieblingsgerichte zu genießen, die von Familienmitgliedern zubereitet werden. Im Gegenzug gibt das Geburtstagskind das erste Stück seines Kuchens an die älteste Person in seiner Familie weiter. Schulkinder verteilen oft Süßigkeiten an ihre Klassenkameraden.
Japan
Den Geburtstag an dem Datum zu feiern, an dem man geboren wurde, hat in Japan noch keine lange Tradition – bis vor rund 100 Jahren feierten immer alle am Neujahrstag. Wenn ein Kind in Japan ein Jahr alt wird, nimmt es an einem Ritual namens erabitori teil, bei dem es aus den Gegenständen, die um es herum verteilt sind, etwas auswählt, das seine mögliche Zukunft repräsentiert. Entscheidet sich das Kind beispielsweise für einen Taschenrechner, könnte es im Geschäftsleben erfolgreich sein; nimmt es einen Stift, könnte es ein Schriftsteller werden.
Am 15. November des Jahres, in dem Kinder drei, fünf oder sieben Jahre alt werden, kleiden ihre Eltern sie in traditionelle Kleidung und bringen sie zu einem religiösen Schrein. Diese Tradition heißt shichi-go-san, was übersetzt 7-5-3 bedeutet – Glückszahlen in der japanischen Kultur. Eltern wünschen ihren Kindern Gesundheit und ein langes Leben, indem sie ihnen eine lange Schnur weicher chitose-ame (Tausend-Jahres-Bonbons) in einer Tüte schenken, die mit Bildern von Glückssymbolen verziert ist: einer Schildkröte, einem Kranich und Bambus. Japaner werden mit 20 Jahren offiziell volljährig, die Feier dazu findet am zweiten Montag im Januar statt.
Der 60. Geburtstag markiert den Abschluss des Tierkreiszyklus (der alle 60 Jahre neu beginnt) und ist ein starkes Symbol der Wiedergeburt. Diese als kanreki bekannte Feier wird von der Familie ausgerichtet; ein spezielles Kissen, eine rote ärmellose Weste und ein Fächer können Teil der Kleidung des Geburtstagskindes sein.
Malaysia
Etwa 60 Prozent der Malaysier sind Muslime und feiern ihre Geburtstage im Allgemeinen nicht. Einige tun es jedoch mit einem Familientreffen beim Mittag- oder Abendessen vor dem großen Tag und schließen die Feier mit einer Bestandsaufnahme ihrer Segenswünsche und dem Dank an Allah für das Leben und die Gesundheit ab.
Philipinen
Für Philippiner geht es bei Geburtstagen nicht nur darum, sich selbst zu feiern, sondern auch darum, Zeit mit der Familie zu verbringen. Traditionell muss jeder, der im Umkreis von einer Tagesreise lebt, eingeladen oder in die Planung der Feier einbezogen werden, und jeder Gast muss ein Gericht mitbringen.
Im Mittelpunkt der Feierlichkeiten stehen „Langlebigkeitsnudeln“ als Symbol für ein langes, gesundes Leben, dazu ein Kuchen, der aus Taro oder Jamwurzel hergestellt wird, und Karaoke. Der siebte Geburtstag eines Kindes markiert den Zeitpunkt, ab dem es mehr Verantwortung für seine Handlungen übernehmen kann. Frauen werden übrigens an ihrem 18. und Männer erst an ihrem 21. Geburtstag volljährig.
Deutschland
Für unseren Chefredakteur Michael Kallinger ist das sogenannte Treppenfegen eine besonders bemerkenswerte Geburtstagstradition. „In Bremen ist es üblich, dass unverheiratete Männer, die 30 Jahre alt werden, die Treppe der Kirche oder des Rathauses fegen“, sagt er. „Frauen müssen dagegen die Türklinke putzen.“ Dieser öffentliche Akt soll die jeweilige Person in Verlegenheit bringen und sie dazu motivieren, „endlich“ zu heiraten.
In anderen Regionen im Norden des Landes wird die Haustür eines Mannes, der an seinem 25. Geburtstag noch ledig ist, mit einer Girlande aus Socken geschmückt, um ihn – etwas despektierlich – als „alte Socke“ zu kennzeichnen. Eine unverheiratete Frau, die 25 Jahre alt wird, erhält eine Girlande aus Schachteln, weil sie nun als „alte Schachtel“ gilt. Übrigens: Zu ihrem 100. Geburtstag erhalten Jubilare ein Glückwunschschreiben des Bundespräsidenten.
Finnland
„Wenn Finnen 18 Jahre alt werden, können sie den Führerschein machen und dürfen ohne Begleitung in Restaurants gehen“, sagt Chefredakteur Ilkka Virtanen. Es ist daher üblich, dass 18-Jährige ihren Eintritt ins Erwachsenenalter mit einem Restaurantbesuch mit Freunden und einer großen, feuchtfröhlichen Party zu Hause feiern. Dies ist übrigens der einzige Geburtstag, bei dem die Gäste selbst für ihre Kosten aufkommen müssen, sonst übernimmt das Geburtstagskind sie. Ein weiterer großer Meilenstein für Finnen ist der 50. Geburtstag, zu dem das Geburtstagskind in der Regel einen Empfang mit Kaffee, Kuchen und Sekt ausrichtet. Die Gäste schenken Gutscheine für ein Spa, für einen Restaurantbesuch oder – nur für besonders mutige Jubilare – für einen Tandem-Fallschirmsprung.
Großbritannien
Wenn Kinder dabei sind, wird fast immer Pass the parcel gespielt. Ein mehrfach eingepacktes Geschenk wird im Kreis von Kind zu Kind weitergegeben, bis die Musik stoppt. Dann muss derjenige, der das Päckchen gerade in der Hand hat, eine Lage auspacken und die Aufgabe erfüllen, die auf einem Zettel im Päckchen steht. „Die Aufgaben reichen von ‚zeige deine besten Tanzbewegungen‘ bis hin zu ‚mach das Geburtstagskind so gut wie möglich nach‘“, erläutert Reader’s Digest-Redakteurin Anna Walker. Das Kind, das die letzte Schicht des Pakets erreicht, das normalerweise Süßigkeiten oder Spielzeug enthält, darf das Geschenk behalten. Ähnlich wie in Deutschland erhalten Briten, die 100 Jahre alt werden, einen Glückwunschbrief vom Staatsoberhaupt – in diesem Fall also vom regierenden Monarchen.
Litauen
„In meinem Heimatland ist es Brauch, dass die Person, die Geburtstag hat, auf einem geschmückten Stuhl sitzt, der dann von den Partygästen hochgehoben wird“, sagt Redakteurin Eva Mackevic. „Wie oft das geschieht, richtet sich nach dem Alter des Geburtstagskindes.“ Traditionell übernimmt der oder die Gefeierte die Kosten für Getränke, Abendessen oder Party.
Niederlande
Die Großfamilie versammelt sich in einem Stuhlkreis. Man unterhält sich und isst Kuchen, zum Abendessen gibt’s später ein Büfett. Ungewöhnlich ist, dass am Verjaardag nicht nur dem Geburtstagskind gratuliert wird. „Die Gäste gratulieren allen Anwesenden, indem sie im Kreis herumgehen und jedem die Hand schütteln“, erklärt Paul Robert, Chefredakteur unserer niederländischen Ausgabe. „Die schnellste, aber unhöflichste Methode ist es, dem ganzen Kreis zuzuwinken und zu rufen: ‚Herzlichen Glückwunsch, ihr alle!‘“
Wenn jemand 50 Jahre alt wird, stellen Freunde oder Verwandte eine große Puppe in den Garten des Geburtstagskindes oder vor die Haustür: Männer erhalten einen „Abraham“, Frauen eine „Sarah“. Die Puppen stellen einen Bezug zu einer Bibelstelle im Johannesevangelium her, in der Jesus gefragt wird, wie er Abraham gesehen haben kann, wenn er noch keine 50 Jahre alt ist. Auch das fortgeschrittene Alter, in dem Abrahams Frau Sarah ihr Kind Isaak bekam, spielt bei dieser Tradition eine Rolle.