Dossier Urlaub

Autor: Cornelia Krappel

Reif für die Insel? Auf nach Usedom!

Strand, Sonne und Meer: Auf Usedom werden die großen Versprechen des Sommers eingelöst.
Seebrücke und Strand in Ahlbeck auf der Insel Usedom, Deutschland

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©istockfoto.com / RicoK69

Der vielleicht schönste Moment des Tages kommt früh: Um Mitt­sommer, also den 21. Juni herum, geht die Sonne auf Usedom schon um 4.30 Uhr über dem Meer auf. Ganz im Norden der Insel, am Strand von Trassenheide, sind nur ein einsamer Spaziergänger mit Hund und ein paar Möwen unterwegs. Der glühend rote Ball taucht aus dem Wasser auf, färbt die Wolken in seiner Umgebung feurig rot und steigt langsam höher. Die Hitze des angehenden Tages lässt sich bereits erahnen. Der Eisverkäufer schläft vermutlich noch, die Feriengäste, die sich getrennt nach Textil, FKK und Badende in Begleitung von Hunden in ein paar Stunden im weißen Sand niederlassen werden, sitzen noch nicht einmal an den Frühstückstischen in ihren Unterkünften. Es ist der perfekte Zeitpunkt für einen Sprung in die Brandungswellen – ganz allein am Strand.

Alle Zutaten für einen Bilderbuchsommer 

Usedom hat alles, was zu einem Bilderbuchsommer dazugehört. Die Insel zählt zu den sonnenreichsten Orten Deutschlands, und der 42 Kilometer lange Strand ist der längste im Land. Darum wollen alle nach Usedom. Mehr als 1,2 Millionen Besucher innerhalb eines Jahres hat man hier schon gezählt.

Am Strand von Trassenheide lädt Andreas Schmidt noch vor dem ersten Urlauberansturm Getränke aus seinem Wagen. Er betreibt die Surfbox, eine lässige Strandbar, an der man im Liegestuhl sitzen, die Füßen im Sand vergraben und eine Limo, ein Bier oder einen Cocktail trinken kann. Die Surfbox bietet auch Wassersportkurse an und verleiht SUPs, also Surfbretter mit Stechpaddel, mit denen man auf eigene Faust am Ufer entlanggleiten kann.

„Die Saison vergeht wie im Rausch“, erzählt Andreas Schmidt. „Wir arbeiten vier Monate durch. Aber wir freuen uns immer wieder auf die Gäste, die zu Freunden geworden sind, auf neue Bekanntschaften und lange Nächte am Lagerfeuer. Jede Saison ist anders, und jedes Mal ist das eine Wundertüte. Im Winter fiebere ich darauf hin.“

Ein Seebad am anderen und eine Promenade nach Polen

Die Seebrücke von Ahlbeck im Süden, kurz vor der polnischen Grenze, ist ein ikonischer Ort. Jeder kennt das weiße Haus mit den vier Türmen, auf Stelzen gebaut, dahinter der lange Steg ins Meer. Schnell ein Foto von der Brücke machen und dann in einem der Cafés an der Promenade von Ahlbeck frühstücken gehen. Währenddessen wird es voller am Strand. Im Laufe des Vormittags stellt sich der Usedom-Sound ein: das Rauschen der Brandung, dazu Kinderstimmen und ab und zu das Kreischen einer Möwe. Es riecht nach Sonnencreme und Pommes. Auf der Promenade tummeln sich Urlauber in Strandkleidern und mit Sonnenbrillen, die ein Eis holen, um dann wieder an den Strand zu verschwinden.

Ein Seebad folgt in Usedom auf das nächste. Zinnowitz im Norden sowie Bansin, Heringsdorf und Ahlbeck im Süden sind die größten. Aber es gibt nur eine richtige Stadt: Swinemünde im Südosten, auf der polnischen Seite der Insel. Auf der Strandpromenade, mit zwölf Kilometern die längste Europas, kann man den Länderwechsel leicht verpassen, so unspektakulär passiert man die Grenze zum polnischen Teil von Usedom.

Wer mit der Bahn anreist, erspart sich so manche Stunde im Stau. Auf dem Fahrrad im Seewind, begleitet von Möwengeschrei, lernt man Usedom sowieso besser kennen als im Auto. Von Swinemünde nach Peenemünde, also vom Süden bis zur Nordspitze, führt der Weg mehr als 40 Kilometer parallel zum Meeressaum, vorbei an Dünen, durch hügeligen Küstenwald und mitten durch die Seebäder. Eine Villa mit verschnörkelter Seebadarchitektur reiht sich an die nächste, Drachen flattern im Ostseewind, und immer wieder öffnet sich an den Strandzugängen für einen Moment der Blick auf das Meer.

Trubelige Küste und stilles, hügeliges Hinterland

Gelegentlich blitzt am Horizont ein weißes Segelboot auf. Besonders spektakulär ist der Ausblick vom Streckelsberg auf halber Strecke. In der Ferne zieht eine Fähre Richtung Skandinavien. Die Orte laden zu Eis- und Foto­stopps ein, die Strände zum Muschelsammeln und Bernsteinsuchen. Die Mittagshitze wird in einem der unzähligen Strandkörbe im Schatten der Küstenwälder erträglich, oder man wirft sich zwischendurch in die sanften Wellen der Ostsee. Anschließend schwingt man sich wieder in den Sattel, um noch möglichst viele sehenswerte Orte abzuradeln: die Seebrücken und Promenaden, die Sternwarte in Heringsdorf, Museen und Galerien wie das Hans-Werner-Richter-Haus, die Villa Irmgard und das Atelier Otto Niemeyer. Viele Schriftsteller und Künstler haben ihre Sommer auf der Insel verbracht und sich vom Licht, der Sonne und dem Meer inspirieren lassen.

Neben dem eher lauten, trubeligen Teil an der Küste gibt es das ruhige Hinterland im Westen. Gleich hinter den Kaiserbädern Heringsdorf, Bansin und Ahlbeck beginnt die Usedomer Schweiz mit ihren wunderschönen Seen und hügeligen Wäldern. Ein Besuch im Forsthaus Fangel, ein Café in der Nähe von Bansin, gleicht einer kleinen Zeitreise. Dort serviert der Kellner im weißen Kittel auf der Terrasse mitten im Wald ein Kännchen Kaffee und ein Stück Torte. Einrichtung und Speisekarte sind seit Jahrzehnten unverändert. Auch im Lieper Winkel, der im Süden der Insel in den Peenestrom hineinragt, und auf der Halbinsel Gnitz gegenüber ist es deutlich ruhiger als in den Seebädern.

Ganz viel Romantik verbreiten die kleinen Strände und Häfen zwischen den Schilfflächen des Achterwassers, eine Lagune des in die Ostsee mündenden Peenestroms. Wellen schwappen plätschernd an die Ufer geschwungener Buchten, Schwäne dümpeln, Seeadler kreisen in der Luft. Über den Usedomer See am Stettiner Haff setzt ein Fährmann in einer kleinen Ruderfähre Wanderer von der Ortschaft Ost- nach Westklüne über. Im Hafen Rankwitz im Lieper Winkel wird selbst geräuchert. Dort gibt es Abendbrot mit Räucherfisch und Blick auf den Peenestrom.

Ein epischer Sonnenuntergang in bunten Farben 

Rechtzeitig zum Sonnenuntergang sollte man jedoch wieder den Weg zum Achterwasser finden. Auf Usedom geht die Sonne über dem Meer auf, aber über dem Achterwasser unter. Die vielleicht besten Orte, um den Tagesabschied zu genießen, sind der Hafen von Warthe im Lieper Winkel und die Südspitze vom Gnitz. Den ein oder anderen wird es dann noch einmal zurück an die Ostsee ziehen, an den Strand von Trassenheide ganz im Norden, wo der Tag begonnen hat. Auf den Sonnenuntergang ist die Dämmerung gefolgt, die in den Sommermonaten episch lange andauert. Dabei wechseln die Farben am Himmel in Zeitlupe zwischen Rot, Orange, Lichtblau, Violett und Zartrosa – bis auch das letzte Licht verschwunden ist und nur noch im Norden ein heller Streifen am Himmel leuchtet.

An der Surfbox wird noch gefeiert, wenn alles andere längst geschlossen hat. Für einen stillen Moment kann man ein Stück den Strand entlanglaufen und sich an den Dünenrand setzen. Auf dem Wasser dümpeln schlafende Möwen. Das Meer rauscht leise. Wieder einer dieser perfekten Augenblicke.