Essen und Trinken

Autor: Reader's Digest

Grünkohl – das norddeutsche Kult-Gemüse

Von Schleswig-Holstein bis hinunter nach Westfalen liebt man im Winter seit jeher den Grünkohl. Man erntet ihn traditionell ab dem ersten Herbstfrost bis zum Gründonnerstag.
frischer Grünkohl liegt in einer Holzbox, die auf einem rustikalen Holztisch steht

©

©istockfoto.com / foodandstyle

Auch im Winter immer etwas Frisches auf dem Feld zu haben – das fand man schon vor Jahrhunderten gut. So notierte in den 1640er Jahren Fabio Chigi, der spätere Papst Alexander VII., als er für die Verhandlungen des „Westfälischen Friedens“ in Münster weilte: „Man sieht auf den Feldern auch häufig bläulichen Kohl, der nimmer verdirbt, währt lange auch der Winter, und seine Gaben verteilt an die Menschen, Ochsen und Schweine.“

In der kalten Jahreszeit überbieten sich deutsche Städte und Regionen gegenseitig mit Veranstaltungen zum Thema Grünkohl. Denn den genießt man oft nicht einfach so – je nach Region mit Pinkel, Kasseler oder Mettwurst – o nein, man muss an einem traditionellen Festmahl teilnehmen oder eine „Kohlfahrt“ oder Kohlwanderung unternehmen, bei der (besonders in Ostfriesland) viel Alkohol getrunken und geboßelt, also eine Holzkugel gerollt wird. Oft werden dann auch Grünkohlköniginnen und -könige gewählt – manchmal sind es die Sieger beim Boßeln, manchmal diejenigen, die die meisten Portionen verspeist haben.

Die Städte Oldenburg und Osnabrück küren jedes Jahr prominente Kohlkönige; viele hochrangige Politiker hatten schon die Ehre. Bremen lädt seit 1545 jeden Februar zur „Schaffermahlzeit“ ins Rathaus ein; auch hier gibt es Grünkohl. In Herford schmückt man wiederum im Advent eine Kirche mit Grünkohlblättern, bevor es ans Schmausen geht.

Von diesen rustikalen Darreichungsformen hat man in den USA eher noch nichts gehört. Dort war der Grünkohl (kale) lange völlig unbekannt, bis ihn die Gesundheitsapostel der letzten Jahre für ihre grünen Smoothies entdeckten. Seitdem hat der Grünkohl auch dort Kultstatus – nur eben anders als bei uns.