Verrückt nach Ramen
Die Erfolgsgeschichte des japanischen Nudel-Gerichts.

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Beim Begriff Ramen denkt mancher vielleicht an die bei Studenten beliebten Instantgerichte im Styroporbecher. Aber die besten Versionen dieses Nudel- und Suppengerichts mit Zutaten wie gebratenem Schweinefleisch, Seetang, Fischfrikadellen, Shiitake-Pilzen, Bohnensprossen und Eiern werden in Ramen-Lokalen auf der ganzen Welt geräuschvoll geschlürft. Und das Gericht hat eine faszinierende Geschichte. Chinesische Einwanderer brachten das Weizennudelrezept nach Japan, wie der Historiker und Ramen-Experte George Solt in The Untold History of Ramen: How Political Crisis in Japan Spawned a Global Food Craze (etwa: Die unerzählte Geschichte von Ramen – wie die politische Krise in Japan einen weltweiten Rausch auslöste) schreibt.
Im 17. Jahrhundert riet ein chinesischer Gelehrter seinem Arbeitgeber, einem japanischen Feudalherrn, seine Nudelsuppe mit Schweinefleisch und Gemüse zu verfeinern. 1910 servierte Rai Rai Ken, das erste Ramen-Lokal in Tokio, Japan, das Gericht. Die Köche kombinierten in einer salzigen Brühe Nudeln mit anderen Zutaten. Das Essen wurde auf Japanisch shina soba genannt (für China sowie dünne Buchweizennudeln). Doch dann entwickelte sich aus der japanischen Aussprache von lamian, dem chinesischen Wort für Weizennudeln, der Begriff Ramen. Die Lebensmittelknappheit im Zweiten Weltkrieg veranlasste die japanische Regierung, alles zu verbieten, was als Luxus galt – dazu gehörte auch Ramen. Als 1945 die siebenjährige Besetzung Japans durch die Alliierten begann, schränkten die USA den Verkauf von Ramen zunächst weiterhin ein, weil es an Weizenmehl mangelte. Da man jedoch befürchtete, dass die anhaltende Lebensmittelknappheit dazu führen könnte, dass sich die Bevölkerung dem Kommunismus zuwendet, begann man, Weizen aus den USA nach Japan zu importieren. Dies und die Reisknappheit förderten die Nachfrage nach Ramen.
1958 entwickelte der taiwanesische Geschäftsmann Momofuku Ando Instant-Ramen. Die getrockneten Zutaten mussten nur in eine Schüssel gegeben und mit kochendem Wasser übergossen werden. In den 1970er-Jahren kamen Fertigprodukte in Styroporbechern auf den Markt. Heute gibt es in Japan zwei Museen, die Andos Kreation gewidmet sind. Im Jahr 2004 eröffnete der Starkoch David Chang die Momofuku Noodle Bar in New York, wo die Gäste dampfende Schüsseln mit geräuchertem Schweinebauch, pochierten Eiern und Bambussprossen genießen können. Changs Restaurant hat dazu beigetragen, Ramen von einem billigen Fertiggericht wieder zu einem komplexen und genussvollen Essen zu verändern. Gäste von Ramen-Lokalen können in der Regel zwischen vier Brühen wählen: Shoyu (auf Sojasoßenbasis), Miso (aus fermentierter Sojabohnenpaste), Shio („Salz“, oft auf Hühner- oder Fischbasis) oder Tonkotsu (reichhaltig und fettig, aus Schweinefleisch). Die Brühe verleiht dem Ramen einen würzigen Umami-Geschmack. Egal, ob Sie sich für Instant- oder Gourmet-Ramen, Shio oder Tonkotsu entscheiden, Ramen ist ein Gericht, das Herz (und Bauch) wärmt. Itadakimasu – guten Appetit!