Gesundheit

Autor: Reader's Digest Book

100 % Schutz vor HIV-Infektion

Ein neu entwickeltes Virostatikum hat in einer Studie seine Wirksamkeit gegen das HI-Virus unter Beweis gestellt.

Ein hellblauer Blister mit sechs orangefarbenen kleinen runden Tabletten

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©iStockphoto.com / Suradin

Mit vielversprechenden Neuigkeiten für einen besseren Schutz vor HIV ist die Welt-Aids-Konferenz in München zu Ende gegangen. Im Mittelpunkt stand der Wirkstoff Lenacapavir, der – einmal halbjährlich unter die Haut gespritzt – einen hundertprozentigen Schutz vor einer HIV-Infektion bietet. Das geht aus der vor Präventionsstudie Purpose-1 hervor.

An der Studie nahmen 5300 junge Frauen in Südafrika und Uganda teil, die zu Beginn HIV-negativ waren. 2134 von ihnen erhielten Lenacapavir, die übrigen 3200 zwei andere Wirkstoffe in Tablettenform. Nach 52 Wochen Beobachtungszeit hatte sich keine einzige Frau in der Lenacapavirgruppe infiziert. In den Vergleichsgruppen wurden dagegen 55 HIVInfektionen registriert. Aufgrund dieser Ergebnisse empfahl das unabhängige Data Monitoring Committee (DMC), die verblindete Phase der Studie abzubrechen und allen Teilnehmerinnen die Injektion anzubieten.

Sharon Lewin, Präsidentin der International Aids Society (IAS), sprach von einem bahnbrechenden Fortschritt. Vor allem junge Frauen in Afrika, die einem hohen Risiko ausgesetzt sind, könnten von diesem Schutz profitieren – nach Ansicht von Experten vermutlich sogar mehr als von einer möglichen Impfung, die noch in den Sternen steht. Lenacapavir, ein sogenannter Kapsid-Inhibitor, wurde 2022 von der Europäischen Kommission zur Behandlung von HIV zugelassen. Der Wirkstoff greift in die Proteinhülle des Virus ein, die das Genom und wichtige Enzyme umschließt, und verhindert so die Vermehrung des Virus im Körper.  

Ziel in Sicht?

Mit dem Virostatikum Lenacapavir als hundertprozentigem Schutz vor HIV rückt das Ziel der Vereinten Nationen, HIV bis 2030 nicht mehr als Bedrohung für die öffentliche Gesundheit anzusehen, ein großes Stück näher. Obwohl Aids seit 1996 mit der klassischen Kombinationstherapie seinen Schrecken verloren hat und eine HIV-Infektion wie eine chronische Erkrankung behandelt werden kann, ist bislang weder eine Heilung noch eine Impfung in Sicht. Einmal in den Körper gelangt, ist das Virus praktisch nicht mehr zu entfernen. Deshalb bleibt es entscheidend, die – trotz Aufklärung, Tests und antiretroviralen Medikamenten – jährlich 1,3 Millionen Neuinfektionen, zwei Drittel davon in Afrika, durch Prävention zu verhindern. 

Armut und fehlender Zugang zu Gesundheitsversorgung erschweren den Kampf gegen die Epidemie. Lenacapavir könnte daher tatsächlich zum Gamechanger werden. Dass die Eliminierung des HI-Virus global gelingen kann, zeigt das Beispiel Australien. Allein durch Präventionsmaßnahmen und konsequente Präexpositionsprophylaxe (PrEP) sank die Zahl der HIV-Neuinfektionen im Jahr 2022 auf nur 555.