Haus und Garten

Autor: Dorothee Fauth

Willkommener Gast im Garten: der Igel

Der Igel lebt gern in unserer Nähe und liebt es unordentlich. In naturnahen Gärten findet er Schutz und Nahrung.

Willkommener Gast im Garten: der Igel

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©istockfoto.com / Anne Coatesy

Etwas raschelt nachts durch den Garten, keucht und schmatzt laustark. Das hört sich ein wenig unheimlich an. Ein Einbrecher? Ein Wildschwein? Weit gefehlt! Der Eindringling ist ein kleiner Igel mit großem Appetit. Zu den Leisetretern gehört dieser Jäger auf Streifzug wahrlich nicht. „Dem Igel geht es nicht gut in Deutschland“, sagt Jenifer Calvi von der Deutschen Wildtier Stiftung. „Er wurde nie gezählt, aber man sieht ihn immer seltener.“ Daher klingt dieses Schnaufen auch wie ein Dankeschön dafür, einen Gastgeber mit unordentlichem Garten gefunden zu haben. Der Igel ist längst ein Stadtkind. Monotone Agrarlandschaften haben seinen Lebensraum vielerorts zerstört. Aber auch in Gärten mit Zierrasen und Mährobotern im Einsatz, Schädlingsgiften und Laubsaugern kann er nicht leben. Er braucht wilde, unordentliche Ecken, buschige Sträucher und Hecken aus Schlehe, Weißdorn, Himbeere oder Hundsrose. Außerdem Reisig und Laubhaufen, in denen er Insekten findet, sich verstecken und den Tag verschlafen kann. Und er braucht einen Zugang zum Garten, sprich: durchlässige Zäune.

 

Frei Schnauze stöbert er Insekten und Würmer auf

Bei uns lebt der Braunbrustigel. Das einzige heimische Stacheltier schaut schon sehr putzig aus: birnenförmiger Körper, schwarze Augen und eine ständig schnüffelnde spitze Schnauze. Der Igel sieht schlecht, kann aber ausgezeichnet riechen. Mit seiner feinen Nase stöbert er Nahrung auf, vor allem Laufkäfer, Nachtfalter, Asseln, Larven und saftige Regenwürmer. Obst steht nicht auf seinem Speiseplan. Die Maden, die sich darin tummeln, schon. Unverwechselbar ist der Igel durch sein Stachelkleid. Das besteht aus verhornten Haaren, die innen hohl und außen beige und braunschwarz sind. Bis zu 8000 Stacheln trägt ein Braunbrustigel am Körper, und jeder besitzt einen eigenen Aufrichtemuskel. Bei Gefahr rollt sich das Tier sekundenschnell zu einer wehrhaften Kugel zusammen – eine Strategie, die ihm gegen seinen Hauptfeind, den Straßenverkehr, wenig nutzt. Jedes Jahr werden in Deutschland mehr als eine Million Igel überfahren.

Besonders tragisch ist das, wenn eine Igelmama Junge hat. Im August und September kommen diese rosa, runzelig und blind auf die Welt. Ihre 100 weißen Stacheln sind noch ganz weich. Fiepend krabbeln sie übereinander, ständig auf der Suche nach den Zitzen der Mutter. Nach etwa vier Wochen verlassen die Mini-Igel zum ersten Mal das Nest. Umsorgt von der Mutter, schmatzen sich im schönsten Fall dann bis zu sechs Igel durch den Garten – bis die Kleinen nach etwa acht Wochen eigene Wege gehen. Vor dem Winterschlaf im späten Herbst müssen sie futtern, was in die Bäuche passt. 500 bis 600 Gramm Gewicht gelten als Basis-Überlebensversicherung.

Ist eines der dämmerungs- und nachtaktiven Tiere tagsüber unterwegs, sollte man genauer hinschauen. „Dann hat es meist ein Problem, ist krank oder hungrig“, erklärt die Wildtierexpertin Jenifer Calvi. Alarmzeichen sind, wenn ein Igel apathisch wirkt, nicht wegrennt oder ziellos umherläuft. Oder wenn sein Körper nicht prall und dick, sondern länglich, eingefallen und mager aussieht mit einer Hungerfalte im Genick. „Am besten macht man ein Foto und zeigt es einem Tierarzt, einer professionellen Igelauffangstation oder dem Tierheim“, rät Jenifer Calvi. Es hochzunehmen, bedeute stets Stress für das Tier. „Wir Menschen möchten immer gerne retten, aber Wildtiere gehören in die Wildnis.“ Schon viele Igel seien im Schuhkarton gestorben.

 

Katzenfutter und Rührei können Erste-Igel-Hilfe sein 

Also beobachten: Wirkt sein Stachelkleid viel zu groß? Ist er verletzt? Hustet er, was auf Lungenwürmer hindeutet? Die holt er sich bei Schnecken, die er nur in der Not frisst. Unterernährten Igeln darf man Futter anbieten. Besser als jede Igelnahrung aus dem Handel sind Katzenfutter und ungewürztes Rührei. Milch ist tabu, denn Igel sind laktoseintolerant. Wer ein sehr kleines Igelkind ohne Mutter findet, kann es mit Handschuhen behutsam auf die Küchenwaage setzen – und sich dann von Fachleuten beraten lassen, ob sein Gewicht für den Winterschlaf ausreicht.

„Im Grunde müssen wir uns aber fragen, warum der Igel im Garten nicht genug Futter findet“, sagt die Wildtierexpertin. „Zierhecken wie Kirschlorbeer taugen eben nichts. Und auch ein Igelhaus funktioniert nur in einem naturnahen Garten.“ In solch einer Igel-Wellness-Oase zieht sich das Stacheltier ab November in ein trockenes, frostsicheres Winternest zurück. Das kann ein großer Laub- oder Reisighaufen sein, eine Hecke oder auch ein mit viel Laub gemütlich ausgepolstertes Igelhaus aus Holz oder Steinen mit regensicherem Dach. Während ihres Winterschlafs fahren die Tiere den Stoffwechsel bis auf ein Minimum herunter. Herzschlag, Atmung und Körpertemperatur werden drastisch reduziert. Reichen ihre Reserven für den langen Schlaf aus, hört man sie ab April wieder durch die Gärten schnaufen. Willkommen zurück!

 

Der Igel

Ein ausgewachsener Braunbrustigel ist etwa 30 Zentimeter lang, wiegt zwischen 800 und 1500 Gramm und kann bis zu sieben Jahre alt werden. Die Tiere sind besonders geschützt und dürfen nicht getötet oder ohne Grund gefangen werden. Zu den natürlichen Feinden zählen Uhu, Marder und Fuchs. Eigentlich leben die Einzelgänger in reich gegliederten Landschaften mit Hecken und Waldrändern, bevorzugen aber immer häufiger Gärten und Parkanlagen. Wer ihnen ein Igelhaus bauen will, findet eine Anleitung unter:
www.bund-naturschutz.de/oekologisch­leben/tieren-helfen/igel