Warum Menschen in der Adventszeit gerne Gutes tun
Die Adventszeit gilt als die „Zeit der Nächstenliebe“. Doch warum ist das so? Und was fühlen wir eigentlich, wenn wir Gutes tun?

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Das gute Gefühl, gebraucht zu werden
Helfen hat gerade zur Weihnachtszeit eine stark symbolische Bedeutung: Das Bewusstsein für gemeinsam geteilte Werte ist stärker, wenn das Fest der Nächstenliebe naht. Ob wir helfen, hängt eng mit unseren inneren Werten zusammen. Für manche ist Nächstenliebe Teil ihrer Identität, andere lassen sich durch die Atmosphäre anstecken oder durch Vorbilder inspirieren. Wer das Leid oder die Bedürftigkeit anderer wahrnimmt, reagiert mit Mitgefühl, und dieses motiviert zu helfen. Solche Empathie wirkt als Brücke zwischen dem anderen und dem Ich. Es ist oft gekoppelt mit dem dringenden Wunsch, einem negativen Gefühl (z. B. Mitleid, Schuld) entgegenzuwirken, um sich danach besser zu fühlen.
Wenn Menschen anderen helfen, haben sie zudem oft die extrem positive Empfindung, etwas Sinnvolles zu tun. Psychologisch gesehen aktiviert das Helfen somit unser Belohnungssystem: Wir haben das Gefühl, etwas bewirken zu können. Und wir fühlen uns glücklich, weil wir spüren, dass unser Handeln eine positive Wirkung hat. Diese Erfahrung von Wirksamkeit ist zentral für psychologische Zufriedenheit: Man sieht, dass das eigene Verhalten etwas zum Positiven verändert – das kann das eigene Selbstbild und Selbstbewusstsein stärken. Solch ein „warmes Leuchten“ nach einer guten Tat wird auch als Helper’s High bezeichnet. Zur Weihnachtszeit, wenn viele über ihr Leben nachdenken und mehr Dankbarkeit empfinden, verstärkt sich dieser Effekt.
Helfen als Spiegel unserer Werte und Normen
Hilfe und Großzügigkeit sind zusätzlich stark durch soziale Normen geprägt. In vielen Gesellschaften und Kulturen gibt es zur Weihnachtszeit verstärkt Erwartungen in Familie, Gemeinde oder sozialen Kreisen („Man macht das so“). Menschen übernehmen diese Normen, um sich zugehörig zu fühlen. Manche helfen also auch deshalb, weil sie eine Rolle oder Verpflichtung spüren: religiös, moralisch, gesellschaftlich. Auch Erwartungen durch Familie, Institutionen oder Medien können das Helfen verstärken.
Letztlich ist die Entscheidung, Gutes zu tun, immer eng mit unseren Werten verbunden. Menschen, die Hilfsbereitschaft als Teil ihrer Identität sehen, fühlen sich fast verpflichtet, zu geben. Andere folgen dem Beispiel von Familie, Freunden, bekannten Persönlichkeiten oder dem Lieblings-Influencer. Wieder andere lassen sich von der weihnachtlichen Stimmung anstecken.
Wie viel spenden die Deutschen und wofür?
Laut dem Spendenmonitor 2024 (Deutscher Fundraising Verband / Bonsai Public) werden private Spenden in Deutschland für 2024 auf ca. sechs Milliarden Euro geschätzt – das sind etwa 200 Millionen Euro mehr als im Vorjahr. Der Anteil derjenigen, die in Deutschland privat spenden, stieg leicht: 2024 gaben 50,2 % der Bevölkerung an, private Spenden zu tätigen (2023: etwa 48,6 %). Jüngere Menschen (insbesondere Gen Y, geboren etwa 1980–1995) haben ihre Spendenbeteiligung sogar von 46 % auf 52 % innerhalb von einem Jahr erhöht. Der durchschnittliche Spendenbetrag pro Person lag 2024 bei 174 Euro, etwa 4 Euro mehr als im Vorjahr.
Kinder- und Jugendhilfe führt mit etwa 28 % der Spender:innen in Deutschland das Ranking der beliebtesten Zwecke an, gefolgt von Soforthilfe/Notlagen und Tierschutz. Laut Statistik-Portal statista.com (Studie „Spendenaufkommen in Deutschland nach Monaten im Jahr 2024“) wies der Dezember auch im Jahr 2024 die höchsten Spendenraten auf.
Warum nicht alle helfen
Es gibt eine lange Spenden-Tradition, doch ehrlichlicherweise muss man auch sagen: Nicht jeder empfindet diesen Impuls. Manche sind durch eigene Sorgen und Belastungen eingeschränkt. Manchmal ist es schlicht Überforderung: Die Welt scheint voller Probleme, und man weiß nicht, wo man anfangen soll. Also leugnen Menschen sie. Für manche spielt auch Misstrauen eine Rolle – etwa die Sorge, dass Spenden nicht ankommen. Psychologisch nennt man diese Abwehrmechanismen kognitive Dissonanz. Emotional ausgedrückt bedeutet das: Manche schützen sich, indem sie wegsehen.
Helfen ist ein Geschenk für beide Seiten
Gutes zu tun, ob durch Spenden, Zeit oder kleine Gesten, ist insbesondere in der Weihnachtszeit ein komplexes Zusammenspiel unserer inneren Motivationen gepaart mit dem Wunsch nach Sinnhaftigkeit und dem Bedürfnis nach sozialer Zugehörigkeit. Hinzu kommen Normen, Vorbilder und Kampagnen und die individuelle ökonomische Lage. Die statistischen Daten zeigen, dass trotz ökonomischer Unsicherheit und Inflation viele Menschen in Deutschland weiterhin spenden und sich engagieren. Wissenschaftlich erklärt aktiviert das Helfen Belohnungsmechanismen und steigert unser Wohlbefinden. Emotional gefühlt schenkt es Wärme, Hoffnung und Verbindung.