Schuhe machen Leute
Einst war das Schuhwerk ein Indikator für den sozialen Status. Heute tragen sogar die Reichen Flip-Flops.

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Mein Vater pflegte zu sagen: „Man kann einen Mann nach seinen Schuhen beurteilen.“ Wichtig war seiner Ansicht nach, ein Paar gute Schuhe zu besitzen und Oberleder sowie Absätze regelmäßig zu polieren. Er brachte mir bei, dass man auf das Poliertuch spuckt, damit das Leder besonders glänzt. Auch meine Mutter nahm Schuhe ernst. Sie bekam fast einen Schreikrampf, wenn sie jemanden in Flip-Flops sah. Diese Person hatte ja wohl jeden Anspruch auf Zivilisiertheit aufgeben!
Es war kein Zufall, dass man früher vornehme Leute als „gut betucht“ bezeichnete. Und zur guten Kleidung gehörte ein ordentliches Paar Schuhe. Gut gepflegt galt es als wichtiger Indikator für den sozialen Status. Früher war auch das Anpassen von Schuhen für Kinder eine große Sache. Man wurde von seiner Mutter in den Laden gezerrt, um dort dann seinen Fuß in etwas zu stecken, das aussah wie ein Schraubstock. Von allen Seiten drückten Leisten auf den Fuß, dann wurde eine exakte Größe berechnet. Anschließend wählten Eltern und Verkäufer einen viel zu großen Schuh aus, „damit er hineinwachsen kann“.
Zum Schluss wurde an den Zehen und Fersen gedrückt, um sicherzustellen, dass das Ding so locker wie möglich saß – eher ein Clownsschuh als ein Schuh für Schultage. Dann musste das Kind unter den wachsamen Augen aller im Laden zur Tür und zurück laufen. Wenn man die Strecke schaffte, ohne dass die Clownsschuhe von den Füßen fielen, galten sie als perfekt passend.
Doch selbst dies war ein Fortschritt gegenüber den 1950er-Jahren, als die Schuhgeschäfte in Sydney, Australien, mit einem Gerät namens Fluoroskop ausgestattet waren: einem primitiven Röntgengerät, das Kinderfüße vermaß. Bei Schuhen wurden eben weder Risiken noch Kosten gescheut. Jetzt, ein paar Generationen später, (...)
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