Ben Kingsley, der Vielseitige
Der britische Filmstar und Charakter-Darsteller überzeugt als Freiheitskämpfer Mahatma Ghandi ebenso wie als Kunstgenie Salvador Dalí.

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Mit der Titelrolle in Gandhi, für die er 1983 mit einem Oscar ausgezeichnet wurde, begann Ben Kingsleys große Filmkarriere. Danach etablierte sich der Brite mit Projekten wie Schindlers Liste als einer der gefeiertsten Charakterdarsteller auf den Leinwänden. Insofern war der inzwischen 79-Jährige eine naheliegende Wahl, um in Dalíland in die Rolle des Kultmalers Salvador Dalí zu schlüpfen.
Reader’s Digest: Was brachte Ihre Karriere, die nun schon Jahrzehnte währt, eigentlich ursprünglich in Gang?
Ben Kingsley: Einsamkeit. Ich war eines von vier Kindern. Ich fühlte mich ausgegrenzt und versuchte, mir meine eigene imaginäre Welt zu erschaffen. Aber ich wurde nicht von psychischen Verwundungen getrieben. Ich wollte mir einfach Aufmerksamkeit verschaffen, indem ich eine Geschichte erzählte. Ich musste das Talent entwickeln, die Leute dazu zu bringen, mir zuzuhören. So bin ich bei der Schauspielerei gelandet.
Eine Ihrer herausragenden Fähigkeiten besteht darin, historische Persönlichkeiten perfekt zu verkörpern – von Mahatma Gandhi bis Salvador Dalí. Verraten Sie uns, wie Sie das machen?
Letztlich geht es darum, für eine Figur Mitgefühl zu entwickeln. Wenn ich sie verstehe, dann kann ich mich in diesen Menschen verwandeln. Bei Dalí war seine Angst vor dem Tod zentral. Als Hamlet zum Beispiel musste ich zweieinhalb Stunden auf der Bühne der intelligenteste Mensch der Welt sein und jede Synapse meines Gehirns so anspannen, als wäre ich es tatsächlich. Beim Porträt des Itzhak Stern in Schindlers Liste, der das Gewissen in dieser Geschichte verkörpert, musste ich absolute Sorgfalt walten lassen. Wenn ich da nur ein Molekül meiner Darstellung falsch angelegt hätte, wäre ich tot gewesen.
Das klingt, als wäre die Schauspielerei lebensgefährlich.
In gewissem Sinne ist sie es auch, denn Sie manipulieren dabei ja Ihr Gehirn. Ich gehe immer Risiken ein. Bei all diesen Porträts muss jedes kleinste Detail, jede Geste absolut stimmen. Aber wenn es dann vorbei ist, schrumpfe ich mich wieder in die Dimension des normalen Ben Kingsley.
Manche Filme, wie die Superhelden-Projekte von Marvel, haben Sie vermutlich eher um des Geldes willen gemacht.
Na ja, wenn mir mein Buchhalter sagt, dass ich eine Rolle annehmen soll, dann tue ich das (lacht). Aber auch bei den Marvel-Filmen hatte ich mein Vergnügen, mit dieser großen Maschinerie zu arbeiten. Abgesehen davon ist jede Rolle eine Chance, besser zu werden. Warum sollte ich sie ungenutzt verstreichen lassen? Es macht doch nichts, wenn es mal nur um reine Unterhaltung geht.
Sie brauchen einen Buchhalter, der Ihnen Rat gibt?
Ich brauche eine ganze Menge von Menschen, die auf mich aufpassen – Anwälte, Agenten. Ohne sie würde ich wahrscheinlich im Berufsleben nicht klarkommen und mich schwertun, Entscheidungen zu fällen. Nur mit ihrer Hilfe, für die ich sehr dankbar bin, kann ich mein kreatives Leben führen.
Abgesehen vom Geld bekommen Sie immer wieder auch Auszeichnungen. Was bedeuten Ihnen diese?
Für mich sind sie eine Verpflichtung. Wenn ich zum Beispiel wie beim Filmfestival Zürich mit einem Golden Icon Award, also als Ikone, geehrt werde, dann muss ich dem gerecht werden. Das heißt, jeder Mensch, mit dem ich an einem Film arbeite, verdient meinen vollen Respekt und meine ganze Unterstützung. Ich kann es mir nicht leisten, faul, sorglos oder zynisch zu werden.
Wenn es nach zwei Ihrer frühen Fans gegangen wäre, wären Sie nie Schauspieler geworden. Stimmt es, dass John Lennon und Ringo Starr von den Beatles Ihnen eine Karriere als Musiker ans Herz legten?
Das ist richtig. Ich habe in den 1960er- Jahren Songs im Bob-Dylan-Stil für die BBC geschrieben. Ich hatte sogar eine kleine Band. Es kam dann dazu, dass ich die Musik für ein Stück komponierte, das John, Ringo und ihr Manager Brian Epstein sahen. Sie meinten, ich sollte mich mit ihrem Verleger unterhalten, und der bot mir tatsächlich einen Vertrag als Musiker an. Das war alles sehr konkret, und so musste ich eine Entscheidung treffen. Aber meine wahre Liebe war eben das Theater. Und ich bedaure keinen Tag, dass ich mich dafür entschieden habe.
Zur Person
Ben Kingsley wurde am 31. Dezember 1943 als Krishna Pandit Bhanji in Scarborough, Großbritannien geboren. Er war Mitglied einer reisenden Theatergruppe und stieß 1967 zur Royal Shakespeare Company. Nach ersten Fernsehprojekten feierte er 1982 mit Gandhi seinen Durchbruch im Kino. Für die Titelrolle wurde Kingsley mit einem Oscar ausgezeichnet. Gefeiert wurde er danach auch für Filme wie Bugsy, Schindlers Liste und Sexy Beast. Er spielte zudem in Blockbuster-Produktionen wie Prince of Persia und Iron Man 3 mit. Der Brite ist seit 2007 in vierter Ehe mit der brasilianischen Schauspielerin Daniela Lavender verheiratet. Er hat vier Kinder.