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Autor: Jens Bey

Das Kissen, das Leben rettet

Erst nach Jahrzehnten war er serienreif. Heute will niemand mehr auf den Airbag verzichten.

Crashtest mit Dummy-Puppe: der Airbag öffnet sich

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©istockfoto.com / PhonlamaiPhoto

Am 6. Oktober 1951 meldet Walter Linderer eine geniale Erfindung zum Patent an: Ein „aufblasbarer Behälter in zusammengefaltetem Zustand, der sich im Falle der Gefahr automatisch aufbläst“ soll Autoinsassen bei einem Unfall schützen. Allerdings dauert es noch Jahrzehnte, bis der Airbag tatsächlich das Autofahren sicherer macht – der Münchner Ingenieur denkt einfach zu weit voraus.

Denn was sich Linderer vorstellt, lässt sich mit den Mitteln seiner Zeit nicht realisieren. Weil sich bei einem Unfall der – wie er in schönstem Beamtendeutsch heißt – Sicherheitsluftprallsack in Millisekunden öffnen muss, ist Pressluft viel zu langsam. Auch Auslöser, die schnell genug sind, gibt es noch nicht, ebensowenig wie reißfestes Material für den Aufprallschutz selbst. Vielleicht vergehen deshalb zwei Jahre, bis 1953 die Patentschrift veröffentlicht wird und Linderer nun offiziell als (einer der) Erfinder des Airbags gilt. Zwar wird in den USA etwa zur gleichen Zeit ein ähnliches Patent angemeldet, doch auch in den Staaten scheitern alle Bemühungen, das Sicherheitssystem serienreif zu machen.

Ziemlich genau 20 Jahre nach Walter Linderer, am 23. Oktober 1971, meldet die Daimler-Benz AG das Patent für eine „Aufprallschutzvorrichtung für den Insassen eines Kraftfahrzeuges“ an. Es dauert weitere zehn Jahre bis zum ersten Fahrer-Airbag in einem Serienauto: Da das Luftkissen mit stolzen 1525,50 Mark zu Buche schlägt, wird es erstmal nur in Modellen der luxuriösen S-Klasse verbaut. 

Mit Sprengstoff für mehr Sicherheit im Auto

Doch wie konnten die Daimler-Ingenieure das Millisekunden-Problem lösen und dazu das ganze System auch noch im Lenkrad platzieren? Indem sie auf Sprengstoff gesetzt haben. Beim Aufprall wird die winzige Explosion einer Tablette Natriumazid ausgelöst, der Treibsatz lässt Stickstoff entstehen, und der wiederum sorgt für das Aufblasen des Airbags – in der Geschwindigkeit eines Wimpernschlags. Das System ist hoch sensibel. Auch die verbauten Sensoren müssen unterscheiden, ob der Stoß von einem Unfall oder von einer Bordsteinkante herrührt. Denn unabsichtlich auslösende Airbags können zur Gefahr werden: In den USA wurden bis 2007 etwa 280 Menschen dadurch getötet – allerdings wurden bis dahin auch fast 25 000 Menschen durch einen Airbag gerettet.

In aktuellen Fahrzeugen sind bis zu 20 der Luftkissen verbaut, und die Erfolgsgeschichte des Aufprallsacks geht weiter. Zukünftige Modelle sollen dank Sensoren bereits vor dem Aufprall in Bereitschaft gehen. Zudem wird das autonome Fahren neue Herausforderungen an den Airbag stellen. Tatsache aber ist: Lebensretter Nummer eins im Auto bleibt bis heute der Sicherheitsgurt.