Wissen und Tipps

Autor: Zoë Meunier

Die Geschichte der Automaten

Münze einwerfen, Knopf drücken oder drehen und schon kommt das Lieblingsprodukt heraus. Aber wer hat eigentlich die ersten Automaten erfunden?

Ein bunter alter Kaugummi-Automat steht auf einem Tisch

©

©istockfoto.com / egal

Wenn wir an die Vorteile von Automaten denken, fällt uns wahrscheinlich zuerst die Bequemlichkeit ein: Auch außerhalb von Ladenöffnungszeiten Dinge kaufen zu können, macht das Leben leichter. Doch beim ersten Exemplar ging es eher darum, die Gier zu minimieren. Offenbar dachten manche Tempelbesucher in Ägypten um 100 n. Chr., „Viel hilft viel!“, wenn es darum ging, sich mit Weihwasser zu segnen. Die Lösung gegen Weihwasserverschwendung brachte der griechische Ingenieur und Mathematiker Hero von Alexandria, der den ersten Verkaufsapparat der Welt erfand. Wenn eine Münze in dessen Schlitz eingeworfen wurde, drückte das Gewicht des Geldstücks einen Hebel nach unten und gab dadurch nur eine bestimmte Menge Weihwasser frei.

 

England: eine Priese Schnupftabak aus dem Automaten

In den Tavernen Englands gab es ab 1615 Dosen aus Messing, die Schnupftabak und Tabak enthielten. Wer eine Münze in den Schlitz warf, für den öffnete sich die Dose. Im Jahr 1822 entwickelte der radikale Buchhändler Richard Carlile eine größere Konstruktion. Carlile musste vorsichtig sein, weil er zum Teil auch verbotene Bücher verkaufte. Deshalb brachte er eine Vorrichtung an seinem Laden an, in die Kunden eine Münze einwerfen konnten. Dann drehten diese einen Knopf, um das gewünschte geheime Buch auszuwählen, das anschließend über eine Rutsche ausgegeben wurde.

Der erste Briefmarkenautomat stand 1857 in Großbritannien, und 1883 wurde ein riesiges gusseisernes Gerät aufgestellt, das zusätzlich auch Postkarten ausgab. Es wurde bald zu einer festen Einrichtung an Bahnhöfen und in Postämtern, später erweiterte man das Angebot um frankierte Umschläge und Briefpapier. Im Jahr 1876 wurde in Tokio, Japan, der erste Zeitungsautomat aufgestellt.

 

Kaugummi-Automaten in den USA

In den USA stand der erste Münzmechanismus 1888 in New York auf Bahnsteigen. Was drinsteckte? Kaugummi. In Deutschland entwickelte Max Sielaff Automaten, die Schokoladenriegel ausgaben. 1893 verkaufte der deutsche Hersteller Stollwerck seine Produkte mittels rund 15.000 eigener Ausgabemaschinen. In den USA ging jemand noch einen Schritt weiter und eröffnete 1902 ein Automatenrestaurant. Besonders beliebt sind bis heute Getränkeautomaten. Der erste wurde 1890 in Paris, Frankreich, in Betrieb genommen, er enthielt Bier, Wein und Spirituosen. Softdrinks gab es ab den 1930er-Jahren. Manche „Automaten“ waren schlicht Behälter, in denen Flaschen in eiskaltem Wasser standen. Dennoch waren die Kosten für die Aufstellung und deren Betrieb beträchtlich, sodass sich nur größere Anbieter wie Coca-Cola auf Dauer durchsetzten.

 

Frühe Automaten erkannten Falschgeld nicht

Die Betreiber der frühen Verkaufsautomaten hatten noch ein anderes Problem: Die Geräte konnten nicht zwischen echten Münzen und Fälschungen unterscheiden. Ab den 1930er-Jahren begannen die Hersteller, Magnettechnik einzusetzen, um Falschgeld zu erkennen. Ein weiterer Innovationsschub kam 1960, als Automaten begannen, Papierscheine zu akzeptieren. Dies war auch das Jahrzehnt, als die Zahl der Geräte in dem Land förmlich explodierte, in dem es heute die meisten Selbstbedienungsautomaten pro Einwohner gibt: Japan. Der erste Getränkeautomat dort war in den späten 1950er-Jahren ein Saftspender. Mit nur zehn Yen (etwa sieben Cent) pro Pappbecher Saft war er sofort ein Hit.

Hier das Reader's Digest-Abo bestellen und den gesamten Artikel lesen: 

 

Die Zahl der Münzapparate stieg rasch von 240.000 im Jahr 1964 auf fünf Millionen 20 Jahre später. Dieses exponentielle Wachstum war möglich, weil die Vandalismusrate in Japan gering ist. Dazu gibt es ein riesiges Angebot: von Lebensmitteln über Batterien, Bücher, Blumensträuße bis hin zu lebenden Welpen. Einige Automaten erfüllen auch wichtige Aufgaben, zum Beispiel wenn sie mit einem Defibrillator ausgestattet sind oder einen Bildschirm haben, der im Notfall lebensrettende Informationen liefert. Weltweit erhielt die Automatenindustrie einen großen Schub, als 2006 die Möglichkeit, Kreditkarten zu scannen, weit verbreitet wurde. Dies ermöglichte den maschinellen Verkauf von teuren Artikeln wie iPads, Mobiltelefonen, Digitalkameras, Computern und sogar Autos: Ende 2016 gab es in Singapur einen Automaten für Luxusautos.

Für manche besteht der größte Vorteil von Automaten darin, dass sie keinem Menschen in die Augen schauen müssen, etwa beim Kauf von Kondomen. Aber auch Technikbegeisterte kommen auf ihre Kosten, zum Beispiel am Pizza-Automaten, der den Teig herstellt, belegt und backt – und das alles in weniger als drei Minuten. Es gibt Geräte, die frische Pommes frites ausspucken, und welche mit 3-D-Drucktechnik, die Kekse mit Creme füllen.

Der neueste Trend sind „intelligente“ Geräte, die Gesichts-, oder Fingerabdruckerkennung ermöglichen. Die Verkaufsautomaten werden sich an Ihre früheren Einkäufe erinnern und Sie fragen, ob Sie Ihren üblichen „Latte macchiato mit einem doppelten Schuss Vanille“ möchten. Ob der Kaffee aus dem Automaten aber je so gut schmecken wird wie im Café?