Ein Fuchs in der Küche
Eine Familie rettet eine junge Füchsin, die in eine illegale Falle getreten war. Ihr liebstes Utensil: eine rosa Kuscheldecke.

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Als meine Tochter Jan zwölf Jahre alt war, erhielt unsere Familie eine niederschmetternde Nachricht: Jan hatte einen bösartigen Tumor, der eine Beinamputation erforderlich machte. Sie würde sich einer Operation und einer monatelangen Rehabilitation unterziehen müssen. Wie jede Mutter machte ich mir Sorgen um das Wohlbefinden meiner kleinen Tochter. Eines Nachts im Krankenhaus, als sie nicht schlafen konnte, überraschte mich Jan mit der Frage: „Mama, erinnerst du dich an Vicky?“
Unsere Familie lebte auf einer Farm an einer alten Forststraße in der Nähe von Fairbanks im US-Bundesstaat Alaska. Wildtiere gab es in dieser Gegend im Überfluss. In einer Winternacht hörten mein Mann Joe und ich beim Spazierengehen einen Schrei. Ein junger Fuchs, dessen Fell sich wie Herbstahorn vom Schnee abhob, war in eine illegale Falle getappt. Das Tier wölbte seinen Rücken, um aufzuspringen, fiel aber wieder auf den Boden zurück und brach zusammen. „Sieh dir das Bein an“, sagte Joe. „Es ist verletzt.“ Er zog seine Jacke aus und legte sie vorsichtig über das Tier. Ich löste das verletzte Bein aus der Falle und erwartete, dass der Fuchs sich auf mich stürzen und beißen würde. Aber unter Joes Mantel wehrte er sich nicht. Die gelben Augen, hell vor Schmerz und Angst, starrten uns unbeirrt an. Auf dem Heimweg tauften wir die kleine Füchsin Vicky.
Als Tierarzthelferin war ich qualifiziert, verletzte Wildtiere zu rehabilitieren. Als wir Vicky in die Küche brachten, wurde sie von zwei Eulen mit erfrorenen Füßen beobachtet, die in Schlingen in ihren Käfigen hingen. Ein Weißkopfseeadler mit einem gebrochenen Flügel klammerte sich an die Rückenlehne der Couch und starrte herüber. Ein Nerz, den wir fast erfroren in einem Käfig gefunden hatten, steckte seine Nase durch den Draht und zischte, während unsere Familienkatze mit aufgestellten Haaren den Neuankömmling misstrauisch beäugte. Joe hielt Vickys Kopf fest, während ich mich darauf vorbereitete, ihr Bein zu versorgen. Unsere drei Kinder versammelten sich um uns. „Versucht, ihr nicht wehzutun“, flüsterte die siebenjährige Jan. Joe betäubte die Füchsin. Dann reinigte und desinfizierte ich ihre Wunden. Mit einer Pinzette entfernte ich Knochensplitter und scherte dann das umliegende Fell weg, um die gebrochenen Knochen freizulegen. Insgesamt gab es vier Brüche. Ich richtete die Knochen so gut wie möglich, während Joe Vickys Herzschlag überwachte. Schließlich bandagierte ich ihr Bein und legte eine Schiene an.
Stunden nach der Operation flatterten Vickys Augen auf. Sie hob ihren Kopf und sah sich um, machte aber keine Anstalten, aufzustehen. Ich drapierte eine rosafarbene Decke über ihren Käfig, damit sie ungestört war, ließ die Tür aber einen Spalt offen.
Schritte in der Nacht
Am nächsten Morgen lag Vicky auf der Seite und atmete gleichmäßig. Zu meinem Erstaunen ruhte ihr Kopf auf der flauschigen rosa Decke, die sie in der Dunkelheit in ihren Käfig gezogen hatte. Zwei Nächte später jedoch versuchte Vicky, die Schiene abzubeißen. Dabei hatte sich einer der gebrochenen Knochen an einer Stange am Boden ihres Käfigs verfangen. Das zerfetzte, infizierte Bein war nicht mehr zu retten. Es gab keine andere Wahl – an diesem Tag amputierte ich Vickys Lauf.
Es vergingen bange Stunden, bis sich die kleine Füchsin rührte. Ich drückte ihr kaltes Wasser aus einem Waschhandschuh ins Maul. Joe und ich wechselten uns ab, um den Rest des Tages und die ganze Nacht bei ihr zu bleiben. Jan und ihre Brüder Mark und Scott wichen nur von ihrer Seite, um zu essen und zur Toilette zu gehen.
Innerhalb weniger Tage begann Vicky, wieder zu fressen, Wasser zu schlürfen und wacher zu sein. Ich bemerkte, wie sie ins Wohnzimmer starrte. Schließlich dämmerte mir, was sie wollte: die rosa Decke, die ich zum Waschen aus dem Käfig genommen hatte. Als ich sie näher heranzog, steckte Vicky ihre Schnauze durch die Gitterstäbe und zerrte die Decke zu sich hinein. Wir beschlossen, die Käfigtür wieder zu öffnen und die Füchsin im Haus frei herumlaufen zu lassen. Vicky stand auf, verlor das Gleichgewicht, fiel hin und versuchte es erneut. „Oh, Mama“, flüsterte Jan. „Sie ist so tapfer und versucht es immer wieder.“ Auch mir tat das Herz weh. Nach ein paar weiteren Versuchen schaffte es Vicky, aufzustehen. In der Sicherheit ihres Käfigs schaute sie sich im Zimmer um, zeigte aber keine Lust, ihn zu verlassen. Spät in der Nacht jedoch wachte ich auf und hörte ihre leisen Schritte auf dem Boden unseres Schlafzimmers. Eine kühle Nase berührte meine Hand. Dann hörte ich, wie sie durch den Flur zu den Kinderzimmern lief.
Bald schien es, als sei der Käfig zu ihrer Höhle geworden, der Ort, an den sie sich zurückzog, um Sicherheit zu finden. Dort putzte die Füchsin ihr Fell und vergrub ihr Futter unter ihrer rosa Decke. Kein Zweifel, sie betrachtete diese als ihr Eigentum. Manchmal nahm sie sie mit zum Schlafen hinter den Kaminrost. Alles, was wir dann sahen, war ein Hauch von Rosa. Vicky bewegte sich jetzt frei im Haus und huschte davon, wenn wir ihr zu nahe kamen. Sie pirschte sich an ihr Lieblingsspielzeug, einen alten Handschuh, heran, warf ihn in die Luft und fing ihn auf. Eines Abends beobachtete ich fasziniert, wie sie zur Tür watschelte, mit der Nase am Türspalt stand und die Luft schnupperte.
Ruf der Wildnis
Mehr als sieben Wochen waren verstrichen. Da die Paarungszeit nur noch wenige Monate entfernt war, brauchte Vicky ihre Freiheit, um einen Partner und einen Bau zu finden. Doch bevor wir sie wieder in die freie Wildbahn entließen, mussten Joe und ich wissen, ob sie selbst Beute erlegen konnte. Eines Abends setzte Joe ein lebendiges „Opferhuhn“ auf den Küchenboden. Vicky rührte sich nicht. Enttäuscht ging ich zu Bett. Am nächsten Morgen aber lag Vicky in ihrem Käfig mit dem halb gefressenen Huhn unter ihrer rosa Decke.
Von Tag zu Tag wurde die Füchsin nun unruhiger. Nachts lief sie im Haus umher und schaute aus den Fenstern. Bei Tageslicht verrieten uns Fuchs-, Hermelin- und Hasenspuren, was sie in der Dunkelheit gesehen hatte. Ich hatte keine Ausreden mehr. Hatte ich unseren Kindern nicht gesagt, dass Wildtiere niemals als Haustiere gehalten werden sollten? Obwohl ich wollte, dass sie das Leben lebte, für das sie geboren wurde, hasste ich den Gedanken, sie zu verlieren. Schließlich beschlossen wir, dass es so weit war. Mit Trauer im Herzen öffnete ich langsam die Haustür und erwartete, dass Vicky hinausstürmen und verschwinden würde. Stattdessen stand sie auf der Schwelle, ging dann zurück in ihren Käfig und rollte sich auf ihrer Decke zusammen. „Siehst du, Mama“, sagte unser Sohn Scott. „Sie will nicht gehen.“
Vicky zieht aus
Am nächsten Abend öffnete ich wieder die Tür. Vicky beeilte sich, nachzusehen. Sie roch die Nachtluft und las alles, was diese über das Leben da draußen verriet. Dann kehrte sie wieder in ihren Käfig zurück. Fünf Nächte später wagte sich unsere Füchsin endlich hinaus und verschwand zwischen den Bäumen. Hin- und hergerissen zwischen Glück und Trauer trugen Joe und ich ihren Käfig nach draußen, für den Fall, dass sie in der Nacht zurückkehren würde. Jan und ihre Brüder folgten uns mit Vickys rosa Decke, ihrem Lieblingshandschuh und -knochen sowie einigen Futterresten. Am nächsten Morgen kontrollierten wir eifrig den Käfig. Einige der Bissen waren gefressen. Der Rest war unter ihrer Wolldecke versteckt. Im Schnee waren Vickys unverkennbare drei Pfotenabdrücke zu sehen. Drei Wochen lang kam Vicky jeden Abend zurück, um ein Ei zu fressen, das wir für sie zurückgelassen hatten. Eines nach dem anderen nahm sie den Handschuh und die Knochen mit. Eines Tages fanden wir ein frisch gerissenes Moorhuhn in ihrem Käfig. Jan drehte sich zu mir um und sagte: „Sie wird es schaffen, Mama.“ In der folgenden Nacht holte Vicky ihre rosa Decke. Obwohl wir wussten, dass sie in der Nähe war, war uns klar, dass sie nun nie wieder in ihren Käfig zurückkehren würde.
Im Juni mussten wir umziehen. An dem Tag, an dem wir abreisten, saß Vicky auf einer Böschung und beobachtete uns. Sie sah gesund aus, aber struppig in ihrem Sommerfell. „Vicky“, sagte ich, als ich das Auto anhielt, um mich ein letztes Mal zu verabschieden, „pass auf dich auf.“ Sie kläffte zweimal, das einzige Mal, dass ich sie bellen hörte, und huschte dann in das Leben, für das sie bestimmt war.
Jan und ich sprachen an diesem Abend im Krankenhaus noch lange über Vicky. Ihre blauen Augen schwammen in unterdrückten Tränen. „Weißt du, Mama“, sagte sie, „ich werde mich durch nichts davon abhalten lassen, die Dinge zu tun, die ich im Leben tun möchte.“
Mein Herz bebte. Ich musste an das denken, was Jan einmal über Vicky gesagt hatte: Sie wird es schaffen. Und das hat meine tapfere Tochter auch. Heute ist Jan Ehefrau und Mutter von zwei kleinen Jungen. Was Vicky betrifft, so denke ich, dass sie einen Partner gefunden hat. Oft habe ich mich gefragt, ob sie zu uns kam, um uns zu zeigen, wie man mit den Schwierigkeiten und Freuden des Lebens umgeht. In meinem Herzen kenne ich die Antwort.