Heißer Klimawandel in Mitteleuropa
Die Folgen des Klimawandels lassen sich zu Beginn der 2020er-Jahre nicht mehr leugnen: In Mitteleuropa lagen vier der 20 trockensten Sommer der letzten 2110 Jahre im 21. Jahrhundert.

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Diese beunruhigenden Fakten waren das Ergebnis von sehr aufwendigen und zeitintensiven Untersuchungen, die der deutsche Klimaforscher Ulf Büntgen von der Universität im englischen Cambridge und sein Team im Jahr 2021 in der Zeitschrift Nature Geoscience vorstellten. Die wärmsten und trockensten Vier- und Fünf-Jahres-Perioden Mitteleuropas in diesem Zeitraum traten zudem erst vor Kurzem auf: 2015 bzw. 2014 jeweils bis 2018. Auch wenn in den komplexen Analysen die ebenfalls sehr trockenen Jahre 2019 und 2020 noch gar nicht berücksichtigt waren, stand das Fazit von Ulf Büntgen fest: Eine ähnliche Häufung von extremen Trockenperioden, wie wir sie seit 2003 erleben, gab es in den letzten 2110 Jahren kein einziges Mal.
Gemeinsam mit fast allen Klimaforschern weltweit ist er sich sicher, dass diese Dürre-Anomalie durch die von der Menschheit ausgelöste Klimaerwärmung verursacht wurde und sich durch deren Auswirkung auf die Großwetterlagen im Sommer zeigt.
Welche Auswirkungen haben Hitzesommer?
Die ebenfalls dem Klimawandel zugeschriebene Hitzeperiode im Sommer 2003 in Mittel- und Westeuropa war die schlimmste Unwetterkatastrophe des Kontinents seit Beginn der modernen Geschichtsschreibung. Sie forderte zwischen 45 000 und 70 000 Todesopfer, die meisten davon in Frankreich. Die volkswirtschaftlichen Schäden erreichten etwa 12 Mrd. Euro. Der Pegel vieler Flüsse sank auf Rekord-Niedrigstände, Trinkwasser wurde knapp, Ernten vertrockneten, Wälder drohten abzusterben. Zunächst hielt man den Hitzesommer für ein Einzelereignis. Aber bereits 2015 folgte ein ähnlich intensiver, aber deutlich länger anhaltender Hitzesommer – und schon drei Jahre später folgte der dritte „Jahrtausendsommer“ in nicht einmal zwei Dekaden.
Und auch die Sommerhalbjahre 2019 und 2020 waren auffallend trocken. In Mitteleuropa gab es Waldbrände ungeahnten Ausmaßes und die Ernteschäden erreichten rekordverdächtige Werte. Ähnlichen Hitze- und Dürrewellen fielen auch in Australien und Kalifornien, Kanada und Sibirien riesige Waldflächen zum Opfer.
Welche Folgen haben Flutkatastrophen?
Das Jahr 2021 mit seinen außergewöhnlich ergiebigen Niederschlägen beendete vorerst die Dürreperioden. Katastrophaler Höhepunkt der Niederschläge war die Flutkatastrophe, die Mitte Juli 2021 vor allem Teile Belgiens und die Eifel in den deutschen Bundesländern Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen verwüstete. Allein in Deutschland starben mindestens 184 Menschen in den Fluten, Belgien beklagte 41 weitere Todesopfer. Die Sachschäden sollen sich in Deutschland auf über 17 Mrd. Euro belaufen – die bisher teuerste Flut in der Geschichte Europas. Auch bei diesem Ereignis war der Klimawandel nach einhelliger Meinung von Fachleuten ein maßgeblicher Auslöser.
Wird es in Zukunft im Winter noch Schnee geben?
Am heftigsten trifft der Klimawandel den hohen Norden. Besonders stark steigen die Temperaturen in der Arktis, gleichzeitig verschwindet das Eis auf dem Nordpolarmeer. Allein in der Barentssee ging beispielsweise die Eisbedeckung im März, wenn die weiße Fläche ihre größte Ausdehnung erreicht, von 1979 bis 2020 um 54 % zurück. Dieses Phänomen führt aber paradoxerweise immer wieder zu stärkeren Schneefällen: Während aus dem Meereis kaum Wasser verdunstet, strömen aus dem eisig kalten offenen Wasser der Barentssee große Mengen Feuchtigkeit in die darüberliegende Luft. Mit jedem Quadratmeter Meereis, der seit 1979 verloren gegangen ist, gelangten so allein im Monat März jedes Jahr 70 kg Wasser zusätzlich in die Luft. So verdunsteten z. B. zwischen dem 19. Februar und dem 28. März 2018 aus der Barentssee rund 140 Mrd. t Wasser. In dieser Zeit hatte sich von dort bis weit nach Sibirien hinein ein riesiges Hochdruckgebiet gebildet, an dessen Westseite starke Nordostwinde die so entstandene Luftfeuchtigkeit nach Skandinavien und bis nach Mittel- und Westeuropa sowie nach Großbritannien bliesen. Folglich tobten sogar über Großbritannien, West- und Südeuropa Schneestürme, auch die deutsche Ostseeküste verschwand Ende Februar 2018 teilweise unter 25 cm Neuschnee. Paradoxerweise scheinen die steigenden Temperaturen im Klimawandel also relativ weiten Teilen Europas heftige Schneefälle zu bringen.