Wissen und Tipps

Autor: Jens Bey

Naturwunder Meereswelle

Wie entsteht eine Welle? Von Dünung, Brandung und der unbändigen Energie, die das Meer transportiert.

Meereswelle im Ozean

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©istockfoto.com / irabell

Kann das sein? Ist genau diese Welle, die gerade beim Strandspaziergang auf Sylt die Füße umspült, einmal über den Atlantik gerollt? Ist sie weit draußen im Ozean entstanden und dann übers Wasser gerauscht, von Gischt gekrönt, so lange, bis sie auf die Nordseeinsel getroffen ist? Eine herrlich romantische Vorstellung: dass man genau jetzt erlebt, wie sich das Ende einer langen Seereise in weißem Schaum und prickelnd-salziger Luft auflöst. Doch leider ist Physik nicht romantisch. Nicht das Wasser selbst bewegt sich in Form von Wellen über den Ozean, sondern nur die Energie, die der Wind aufs Meer überträgt. Denn streicht er über die Oberfläche, treibt er nicht buchstäblich das Wasser vor sich her. Er versetzt vielmehr die Wassermoleküle in Bewegung. Und weil diese kreisförmig ist, bewegen sich die einzelnen Teilchen praktisch nicht von der Stelle, sondern stoßen ihre Nachbarn an, die wiederum ihre Nachbarn anstoßen und so weiter, Seemeile um Seemeile. Dadurch formt  die Energie des Windes Wellen, die Kamm auf Kamm, Tal auf Tal durch den Ozean ziehen, während das Wasser selbst fast auf der Stelle verharrt.

Der Sturm schickt grün-weiße Walzen an den Surfstrand

Je stärker der Sturm bläst und je größer die Fläche offenen Meeres ist, über die er pfeift, desto höher werden die Wellen. Und auch wenn der Wind nicht mehr weht, reist die Energie weiter. Dünung heißt dieser Seegang mit weitem Abstand zwischen den immer flacher werdenden Wellenkämmen. Surfer nennen sie Swell – und geraten aus dem Häuschen, wenn weit draußen auf dem Meer ein Sturm getobt hat. Stunden oder Tage später kann man nämlich mit einer kräftigen Brandung rechnen, wenn der Swell auf die Küste trifft. Das sind dann die unvergesslichen Momente am Strand, selbst wenn man sich nicht mit dem Brett in die Wellen stürzt. Möwenschreie, die Unendlichkeit des Meeres und die grün-weißen Walzen, die sich in stetiger Regelmäßigkeit auftürmen, auftürmen, auftürmen … um dann mit weißer Gischt zu kippen und donnernd auf den Strand zu schlagen.

Niemand denkt in diesem Moment an Physik, und doch ist nichts anderes am Werk. Treffen die Wassermoleküle, die bisher im tiefen Ozean frei rotieren konnten, auf den flachen Strand, werden sie an der Unterseite der Welle gestaucht und durch die Reibung immer langsamer. Das Wasser weicht nach oben aus – die Welle türmt sich auf. Und die Moleküle oben auf dem Kamm? Haben von der Bremsung nichts mitbekommen und stürmen weiter ungehindert voran. Bis die Welle instabil wird und bricht.  

Windgepeitschte Wellen knabbern an der Küste  

Sind Wind oder Dünung gering, dann ist es einer dieser Tage, an denen keine Brandung rauscht, sondern das Wasser friedlich ausläuft. Jetzt kann man es den Strandläufern gleichtun und dem Atem des Meeres folgen, dem anrollenden und zurückweichenden weißen Saum des Wassers. Die kleinen Vögel suchen trippelnd ihre Nahrung im feuchten Sand des ablaufenden Wassers. Als Strandspaziergänger kann man ein Spiel daraus machen, dem salzigen Nass auszuweichen. 

Wellen können also brechen, toben, stürzen, donnern. Oder plätschern, flüstern, murmeln. Manchmal so leise, dass man hört, wie sie mit dem Sand spielen. Auch das charakterisiert sie: Wellen lassen neues Land entstehen, weil sie Sedimente verlagern. Das Wattenmeer verwandelt Sandbänke wie den Kniepsand vor Amrum in Strände oder eine Sandbank vor Neuwerk an der Elbemündung (ganz aktuell) wohl in eine neue Insel. Und an der Ostsee entstehen sogenannte Bodden, vom Meer abgetrennte Lagunen.

Im windgepeitschten Zorn dagegen beißen Wellen Stücke aus den Küsten, tragen Sandstrände ab, schaffen Brandungspfeiler wie die „Lange Anna“ auf Helgoland oder nagen an den Kreidefelsen auf Rügen. Und obwohl der Wind über einem Binnenmeer wie der Ostsee viel weniger Energie aufbauen kann – bei Sturm herrscht auch hier ordentliche Brandung. Selbst Gewässer wie der Bodensee warten bei Unwettern mit nicht zu unterschätzendem Wellengang auf.

Unter Surfern gelten jedoch Nordseespots wie Sylt oder Norderney als Wellenreiter-Mekka. Riesige Brecher wie im portugiesischen Nazaré sind dort bei aller Windenergie dennoch nicht möglich: Ein tiefer Unterwassercanyon sorgt in Portugal bei passender Strömung und gutem Swell für mehr als 25 Meter hohe Monsterwellen. Die Physik beweist also, dass es vor allem der Wind ist, der eine Welle macht, dass aber auch der Meeresboden eine Rolle spielt. Oder dass die Energie eines Unterwasserbebens verheerende Tsunamis auslösen kann, ganz ohne Zutun des Winds. 

Ausflugstipps in die Welt der Wellen

Eisbach München

Mit der Straßenbahn zum Surfen: In der Münchner Innenstadt liegt direkt neben dem Haus der Kunst ein Surfspot, der es längst in jeden Reiseführer geschafft hat. Die etwa einen halben Meter hohe Welle entsteht durch eine Schwelle und dahinter liegende Störsteine in dem von der Isar abzweigenden Bach. Sie wird sogar von Profis gesurft. Oft versammeln sich Hunderte von Zuschauern am Ufer, um die Sportler bei ihrem riskanten Ritt auf dem eisigen Wasser zu feiern.

www.muenchen.de/sehenswuerdigkeiten/orte/1285585.html

 

Meerwasserwellenbad

Wenn mal wieder Schietwetter über Nord- oder Ostsee zieht, muss man aufs Baden in Wellen nicht verzichten. Im Meerwasserwellenbad Eckernförde direkt an der Ostsee setzt sich das salzige Nass alle 30 Minuten in wogende Bewegung. Ähnliches bietet das Meerwasser-Hallenwellenbad Wangerland an der Nordsee bei Wilhelmshaven. Vergleichbare Angebote gibt es aber auch in Norddeich, auf Fehmarn oder in anderen Küstenorten.

www.ostseebad-eckernfoerde.de

www.wangerland.de

www.ocean-wave.de

www.fehmare.de

 

Multimar Wattforum

Im größten Besucherzentrum des Nationalparks in Schleswig-Holstein in Tönning erlebt man nicht nur die Welt der Salzwiesen, sondern in einer beeindruckenden Ausstellung den ganzen Lebensraum des Watts. Kinder und Erwachsene können hier beispielsweise Deiche bauen und Wellen erzeugen. 

multimar-wattforum.de