Wellness – mehr als nur ein Tag im Spa?
Wellness – da denken viele an teure Spa-Hotels, exotische Detox-Retreats und Menschen in weißen Bademänteln. Doch das greift zu kurz. Denn eigentlich ist (nicht kommerzialisiertes) Wellness eine Antwort auf die Herausforderungen unseres modernen Lebens.

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Der Begriff Wellness ist eine Wortschöpfung aus dem Englischen – bestehend aus „well-being“ (Wohlbefinden) und „fitness“ bzw. „health“ (Gesundheit). Historisch lässt sich der Begriff bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen, wurde aber erst in den 1950er und frühen 1960er Jahren in den USA neu geprägt. Daran beteiligt war vor allem der Arzt Halbert L. Dunn, der in seinem Buch „High-Level Wellness“ (1961) eine ganzheitliche Vorstellung von Gesundheit propagierte. Dunn verstand Wellness als aktiven Prozess, bei dem Menschen ihre physischen, psychischen und sozialen Potenziale bestmöglich entfalten – ein Konzept, das über das bloße „Nicht-Krank-Sein“ hinausgeht. Er propagierte eine ganzheitliche Lebensweise, die nicht nur auf Abwesenheit von Krankheit zielt, sondern auf ein aktives, erfülltes Leben – körperlich, seelisch und sozial. Und genau das brauchen viele Menschen heute dringender denn je.
Der Wellness-Trend – woher kommt er?
Der heutige Wellness-Boom entwickelte sich vor allem ab den 1980er und 1990er Jahren, zunächst in den USA und dann weltweit. Ausgelöst wurde dieser Trend durch gesellschaftliche Entwicklungen wie zunehmender Leistungsdruck in Beruf und Alltag, Stress und psychische Belastungen, der Verlust von langsamen klassischen Lebensrhythmen durch Digitalisierung und Globalisierung, aber auch durch die wachsende Bedeutung der Selbstoptimierung und Prävention. Menschen suchten – und suchen auch heute – nach Ausgleich, Entschleunigung und Selbstfürsorge. Wellness wurde sozusagen zu einer Antwort auf eine hektische Welt, die Menschen überfordert.
Ein Lifestyle für Reiche?
Ein häufiges Vorurteil gegenüber Wellness ist, dass es sich um ein oberflächliches Luxusphänomen handelt – reserviert für Menschen mit viel Zeit und Geld. Tatsächlich ist der Begriff Wellness durch seine Darstellung in Werbekampagnen, Hollywoodfilmen und Hochglanzmagazinen stark mit Bildern von Wellness-Resorts, Detox-Kuren und Gesichtsbehandlungen verbunden. Doch diese Sichtweise greift zu kurz. Wellness muss nicht teuer sein und grundsätzlich geht es dabei ja vor allem um Selbstfürsorge und Lebensqualität. Wellness umfasst heute ein breites Spektrum an Aktivitäten und Lebensstilen: Zunächst geht es um körperliches Wohlbefinden: Massagen, Saunabesuche, Bewegung und Schlaf sollen zu Entspannung und Zufriedenheit beitragen. Manche setzen auch auf Meditation, Achtsamkeit oder Coaching in Verbindung mit einer gesunden Ernährungsweise, um die mentale Gesundheit zu stärken. Für viele hat Wellness auch mit sozialem Wohlbefinden zu tun: Ihr persönliches Wellness-Ritual besteht darin, Zeit mit besonders lieben Menschen zu verbringen. Andere hingegen verbinden mit Wellness eine Art spirituelles Wohlbefinden, bei dem entspannende Rituale, Stille und Naturerlebnisse (z.B. beim Wandern in einsamen Gebieten) eine große Rolle spielen.
Wellness-Trends im Überblick
Die Wellness-Industrie hat bereits früh begriffen, dass sich Wellness außergewöhnlich gut vermarkten lässt. Und sie wächst und entwickelt sich rasant weiter. Die Unternehmensberatung McKinsey hat berechnet, dass das Marktvolumen des Wellnesssektors 2023 allein in den USA 480 Milliarden Dollar betrug. Der globale Wellness-Markt betrug im selben Jahr sogar 1,8 Billionen US-Dollar. Wohin das noch führen soll, fragt sich da wohl mancher. Dies einige aktuelle und (ziemlich sicher) kommende Trends:
- Digital Detox: Offline-Zeiten als Luxusgut
- Biohacking: Selbstoptimierung durch Technik und Ernährung
- Sound Healing: Klangschalen, Gongs und Frequenztherapie
- Waldbaden (Shinrin Yoku): Heilendes Eintauchen in die Natur
- Mindful Eating: Essen mit allen Sinnen
- Wellness at Home: Apps, Wearables, DIY-Massagen
Ist Wellness positiv – oder doch problematisch?
Wellness kann enorm positiv wirken: zur Stressreduktion, für eine bessere Gesundheit, mehr Selbstbewusstsein und zur Burnout-Prävention. Doch es gibt auch kritische Stimmen. Wellness wird problematisch, wenn es zum Zwang oder Statussymbol verkommt statt ein frei gewählter, individueller Weg zu mehr Lebensqualität zu sein. Und Wellness wird immer mehr zur exklusiven und teuren Ware. So entsteht ein regelrechter Druck, sich zu entspannen - und zwar möglichst auf die richtige, gerade angesagteste Art und Weise.
Dem kann man sich natürlich entziehen und nach Alternativen suchen. Denn so unterschiedlich Menschen sind, so individuell ist auch ihr Zugang zu Wellness. Für den einen bedeutet es ein kostspieliges Wochenende im Spa, für die anderen einen Tag im Garten, für wieder andere eine Stunde totale Stille oder das Hören von Musik. Die einen wollen dafür Geld ausgeben. Die anderen sagen sich "Wellness muss nicht gekauft werden. Ein Tag offline, ohne Termine oder To-dos oder durch den Wald laufen ohne Smartphone, das ist mein Wellness-Ideal." Gerade Menschen, die wenig Ressourcen haben, brauchen einfache Wege zur Regeneration. Es darf nicht der Eindruck entstehen: „Das ist nichts für mich. Für Wellness und Erholung fehlen mir die Zeit oder das Geld.“ Die ideale Wellness gibt es nicht – aber es gibt für jeden das persönliche Wellness-Erlebnis, das passt. Und: Wellness gehört nicht nur den Reichen. Sie gehört allen. Sie ist kein Zeichen von Luxus, sondern eine Entscheidung für das eigene Wohlergehen.