Essen und Trinken

Autor: Reader's Digest Book

Die Geschichte der Kartoffel

Die Heimat der Kartoffel ist Südamerika. Es dauerte lange, bis sie zu uns kam und noch länger, bis sie sich als Grundnahrungsmittel durchsetzte.

Die Geschichte der Kartoffel

©

©itockfoto.com / MelanieMaier

Kartoffeln sind ursprünglich ein Hochlandgewächs, denn sie stammen aus den Anden. Hier wurden sie bereits 8000 Jahre v. Chr. von den Ureinwohnern in bis zu 4000 Metern Höhe angebaut und kultiviert. Die unwirtlichen Bedingungen in der zerklüfteten Bergwelt des Hochgebirges förderten ganz besondere Formen menschlicher Gemeinschaften, die unter anderem aus gegenseitiger Hilfe und Unterstützung beim Feldbau basierten und auch das mächtige Reich der Inka hervorbrachten. Die Inka wurden schnell zu Experten im Nutzanbau von Pflanzen. Ihnen waren bereits mehr als 40 Nutzpflanzen bekannt. In Höhen wo der traditionell angebaute Mais nicht mehr wuchs, begannen sie mit dem intensiven Anbau von Kartoffeln, die zum wichtigsten Grundnahrungsmittel wurden.
Durch kunstvoll angelegte Bewässerungssysteme wurden trockene Terrassen in fruchtbares Kartoffelland umgewandelt. Die Inka züchteten zu ihrer zeit bereits etwa 350 verschiedene Kartoffelsorten. Um Missernten auszugleichen, stellten sie eine Art Trockenkartoffeln, die Chuños, her.

Chuños, gefriergetrocknete Kartoffeln 

Die getrockneten Kartoffeln waren Tauschobjekt für Maniok, Mais und Töpferwaren. Überall wurden Lagerhallen errichtet, um Chuños-Vorräte für Notzeiten anzulegen. Auch heute noch wird in den Anden ein großer Teil der Kartoffelernte nach dem überlieferten Verfahren durch Wasserentzug haltbar gemacht. Dazu werden die Kartoffeln nach der Ernte gewaschen, auf den Feldern ausgebreitet und über Nacht liegen gelassen. Der Frost sprengt die Zellwände und wenn die Knollen am nächsten Tag von der Sonne aufgetaut werden, geben sie nach wie Gummi. Die Bauern stampfen barfuß über die Knollen, bis etwa 70 Prozent des Wassers ausgetreten sind und in der trockenen Luft verdunsten.

Nach etwa fünf Tagen kann man die Kartoffeln schälen und erneut einige Tage in der Sonne trocknen. Dabei werden sie regelmäßig gewendet. Insgesamt dauert die „Produktion“ von Chuños etwa zwei Wochen. Sie sind mehrere Jahre haltbar und wesentlich nahrhafter als gekochte Kartoffeln. Durch das Gefriertrocknen haben sie einen besonders hohen Stärkeanteil, um die 70 Prozent. Ihr Eiweißgehalt ist konzentrierter und sie weisen gegenüber rohen Kartoffeln höhere Calcium-, Phosphor- und Eisenmengen auf.

Wie die Kartoffel nach Europa kam

Wer die Kartoffel wirklich nach Europa gebracht hat, ist unklar. Fest steht, dass das Inkareich zwischen 1531 und 1533 von Francisco Pizzarro erobert wurde. Den Wert der Kartoffelpflanze erkannte man aber damals noch nicht. Sie war nichts weiter als ein exotisches Mitbringsel. Man vermutet zwei Ausbreitungswege. Der erste führte Mitte des 16. Jahrhunderts von Peru über den kolumbianischen Hafen Cartagena nach Spanien. Bereits 1566 soll Philipp II: von Spanien dem erkrankten Pabst Pius VI. ein Päckchen Kartoffeln mit Genesungswünschen geschickt haben. Von Spanien sollen Kartoffeln dann auch an den französischen Hof und nach Belgien gelangt sein. Der zweite Weg könnte von Südamerika nach England und Irland geführt haben. In deisem Zusammenhang wird als erster Kartoffel-Importeur häufig Sir Francis Drake erwähnt. Dagegen spricht jedoch, dass bereits zu Zeiten Drakes Kartoffeln rund um Sevilla gewachsen sein sollen. Es ist also nicht klar, ob der Freibeuter Elisabeth I. bei dem legendären Festmahl am 4. April 1581 auf seinem Schiff nur Süßkartoffeln serviert oder bei seiner Weltumsegelung tatsächlich Kartoffeln auf einem der eroberten spanischen Schiffe „erbeutet“ hat. In England jedenfalls gilt Drake als Entdecker der Kartoffel. Er soll Sir Walter Raleigh einen Sack Kartoffeln geschenkt haben, den der auf seinem Landgut in Irland anbaute.

Außerdem wurden Kartoffeln vermutlich schon früh als Schiffsproviant genutzt und gelangten auch auf diesem Weg von der Neuen in die Alte Welt, in der man lange nur ihre schönen Blüten bewunderte. Erst Hungersnöte führten dann zur Verbreitung der Kartoffel als Grundnahrungsmittel. 

Die Verbreitung der Kartoffel in Europa

Die Ausbreitung der Kartoffel innerhalb Europas lässt sich nicht exakt nachvollziehen. Sicher ist jedoch, dass sie über die Königshäuser und interessierte Botaniker ihren Weg in verschiedene europäische Lust- und Universitätsgärten fand – zunächst nur als Zierpflanze. Bis sich die Kartoffel in Europa durchsetzte, vergingen fast zwei Jahrhunderte: die damaligen Sorten waren noch sehr solaninhaltig, was beim Verzehr oft zu Übelkeit und Durchfall führte. Die Anbau-Erträge waren anfangs auch noch recht gering: Die aus Peru eingeführten Kartoffeln waren sogenannte Kurztagspflanzen, an Lichtbedingungen von unter 14 Stunden gewöhnt. Unter intensiverer europäischer Sonne bildeten sie sehr lange Ausläufer, an denen nur kleine Knollen wuchsen.

Auch die Ernte- und Lagerbedingungen waren in Europa nicht optimal: Kartoffeln sind frostempfindlich, doch frostfreie Keller und Lagerräume waren damals weitgehend unbekannt. Zudem war das Ernten der Knollen harte Arbeit, verglichen mit dem Getreideeinbringen.
Zu guter Letzt mischte sich auch noch die Kirche ein. Ein Gewächs, das nicht in der Bibel vorkam, war irgendwie suspekt und da der Kartoffel außerdem eine aphrodisierende Wirkung zugesprochen wurde, galt sie in den Augen der Pfarrer als Teufelsfrucht. 

Kartoffelpioniere in Deutschland

Kartoffeln wurden in Deutschland nachweislich bereits Mitte des 17. Jahrhunderts systematisch auf den Feldern im oberfränkischen Pilgramsreuth angebaut. Erst rund 100 Jahre später ordnete Friedrich II. an, dass jeder Landwirt den 15. Teil seines Bodens mit Kartoffeln zu bepflanzen hätte, um Hungersnöten entgegenzuwirken. Die Pflanzkartoffeln und die Informationen rund um deren Anbaustammten vermutlich vom Bayreuther Markgrafen, mit dem Friedrichs Schwester Wilhelmine verheiratet war. Trotzdem setzte sich die Kartoffel nur langsam als Nahrungsmittel in Preußen durch.

In Süddeutschland verhalt Graf Rumford gegen Ende des 18. Jahrhunderts der Kartoffel zu ihrem Durchbruch. Er ließ Soldaten in den trockengelegten Isarauen Kartoffeln anbauen und in den Armenküchen die weltberühmte Rumford-Suppe verteilen: einen nahrhaften Eintopf mit Kartoffeln.

Das könnte Sie auch interessieren: